Augustdorf (Sennelager)

20. November 1944 – Anfang April 1945

Das Lager

Seit Ende des 19. Jahrhunderts wurden weite Teile der Senne, eine Landschaft am Rande des Teutoburger Waldes zwischen Bielefeld, Paderborn und Detmold gelegen, als Truppenübungsplatz genutzt. Infolge der deutschen Kriegsvorbereitungen vergrößerte sich die Fläche des Truppenübungsplatzes Senne erheblich. So entstand 1937 ein neuer Kasernenkomplex in der Gemeinde Augustdorf – ab 1939 als Nordlager bezeichnet. Von September 1944 an waren dort auch Einheiten der Waffen-SS stationiert. Für diese mussten Häftlinge des KZ Buchenwald seit Mitte November 1944 Baumaßnahmen durchführen. Das hierfür eingerichtete neue Außenlager führte die SS in Buchenwald als „SS-Panzer-Ausbildungs- und Ersatzregiment“ oder kurz als „Sennelager“. Unbekannt ist, wo sich auf dem weitläufigen Areal die Unterkunft der Häftlinge befand. Wenige Kilometer südwestlich von Augustdorf existierte seit 1941 eines der größten Kriegsgefangenenlager der Wehrmacht, das sogenannte Stammlager 326 (VI K) Senne. In ihm waren vor allem sowjetische Kriegsgefangene untergebracht.

Die Häftlinge

Am 20. November 1944 brachte die SS zehn Häftlinge aus Buchenwald nach Augustdorf. Sieben der Männer stammten aus der Sowjetunion, zwei aus Polen und einer aus Italien. Der Großteil von ihnen hatte holzverarbeitende Berufe, wie Zimmermann oder Tischler, erlernt. Alle trugen den roten Winkel, der sie als politisch Verfolgte kategorisierte. Mitte Januar 1945 brachte die SS zusätzlich 34 jüdische Häftlinge aus Auschwitz-Birkenau in das Sennelager. Sie waren als Maurer, Betonarbeiter und Bauingenieure angefordert worden. Unter den aus Polen und der Slowakei stammenden Männern befanden sich in großer Anzahl Überlebende der jüdischen Gemeinden von Łódź und Ostrowiec Świętokrzysk. Im Ganzen durchliefen 48 Männer das Außenlager in Augustdorf. Józef Drężek aus dem polnischen Myszyniec war mit 59 Jahren der älteste, Wiktor Stankewitsch aus dem belorussischen Mahiljou mit 16 Jahren der jüngste Häftling. Zwei Männern aus der Sowjetunion gelang im Februar 1945 die Flucht.

Zwangsarbeit

Über die genaue Art der Zwangsarbeit im „Sennelager“ liegen bisher keine Informationen vor. Von der SS wurde das Außenlager unter „kriegswichtige Zwecke“ geführt. Die (an)gelernten Berufe der nach Augustdorf deportierten Häftlinge lassen anfänglich die Errichtung von Holzbaracken und später Hoch- und Tiefbauarbeiten vermuten. Die ersten zehn nach Augustdorf überstellten Häftlinge galten alle als Facharbeiter. Für die übrigen liegen keine Informationen vor. Im Dezember 1944 leisteten die Häftlinge im „Sennelager“ insgesamt 2.440 Arbeitsstunden.

Krankheit und Tod

Es wurde kein Lagerarzt, Pfleger oder SS-Sanitäter von Buchenwald nach Augustdorf gebracht. Sollte es eine ambulante Versorgung gegeben haben, lag sie in der Zuständigkeit der vor Ort in den Kasernen stationierten Waffen-SS. Fast alle Rücküberstellungen von Häftlingen in das Hauptlager nach Buchenwald waren krankheitsbedingt. Die rücküberstellten Männer litten an bakteriellen Hautkrankheiten wie Gesichts- und Wundrosen oder an eitrigen Entzündungen (Phlegmonen). Der polnische Häftling Józef Drężek starb im Januar 1945 in Buchenwald acht Tage nach seiner Rücküberstellung aus Augustdorf an Herzschwäche. Vor Ort in Augustdorf starb ein Häftling: Emil Stiffel aus Cech (Malinova) nahe der Stadt Prievidza in der heutigen Slowakei erlag am 3. Januar 1945 den Folgen einer Lungenentzündung. Der Vater zweier Kinder wurde nur 43 Jahre alt.

Bewachung

Die Bewachung der Häftlinge und des Arbeitseinsatzes erfolgte höchstwahrscheinlich durch Männer des in Augustdorf stationierten SS-Panzer-Ausbildungs- und Ersatzregiments. Die Buchenwalder SS stellte lediglich den Kommandoführer des Außenlagers, SS-Unterscharführer Alfred Andreas Hofmann (1904-1961). Er stand seit 1941/42 in Buchenwald im KZ-Dienst, unter anderem als Blockführer. Ein amerikanisches Militärgericht in Dachau verurteilte Hofmann 1947 wegen der Misshandlung von Häftlingen in Buchenwald zu einer Haftstrafe von fünf Jahren. Strafrechtliche Verurteilungen wegen Verbrechen in Augustdorf sind nicht bekannt.

Räumung

Ab dem 1. April 1945, dem Ostersonntag, gab es um Augustdorf schwere Kämpfe zwischen deutschen Wehrmachts- und Waffen-SS-Einheiten und den anrückenden US-amerikanischen Truppen. Vermutlich war zu diesem Zeitpunkt das Außenlager bereits geräumt. Die Häftlinge wurden nach Buchenwald gebracht, wobei die genaueren Umstände und die Dauer des Transports unklar sind. Nachweislich registrierte die SS in Buchenwald am 5. April 1945 insgesamt 33 aus Augustdorf eingetroffene Häftlinge.

Spuren und Gedenken

Nach dem Kriegsende wurden im ehemaligen Nordlager zunächst ehemalige sowjetische Kriegsgefangene bis zu ihrer Repatriierung und ab Juni 1945 weitere Displaced Persons untergebracht. Bis 1957 lebten in dem DP-Camp (Lager 33/130) vorwiegend ehemalige polnische Zwangsarbeiter und Zwangsarbeiterinnen und Kriegsgefangene. Danach zog die Bundeswehr auf das Gelände. Heute befindet sich dort die Generalfeldmarschall-Rommel-Kaserne. Vor Ort erinnert nichts an die Existenz des KZ-Außenlagers.

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