Kazimierz Szewczyk

(geb. 1921)

Kazimierz Szewczyk kam am 3. Februar 1921 im polnischen Zduńska Wola zur Welt. Im Mai 1940 wurde er verhaftet und kurz darauf als politischer Häftling nach Dachau deportiert. Nach seiner Überstellung zur SS-Baubrigade in Köln brachte ihn die SS im April 1944 nach Aumale. Dort erlitt er bei einem Luftangriff schwere Verletzungen, überlebte aber. Nach der Befreiung lebte er bis zu seiner Rückkehr nach Polen im DP-Camp Fallingsbostel, wo er eine ehemalige polnische Zwangsarbeiterin heiratete. In seiner Heimat arbeitete er später als Pförtner und Feuerwehrmann. 1995 kehrte er nach Köln zurück und berichtete für das NS-Dokumentationszentrum der Stadt Köln.

„Wir kamen nach Nordfrankreich, an den Ärmelkanal, den Ort Aumale. Das war ein kleines Lager, wo ungefähr 500 bis 600 Leute waren.“

Aus den Erinnerungen von Kazimierz Szewczyk

Ankunft und Zwangsarbeit
„Eines Tages haben wir die Nachricht bekommen, dass wir nach Frankreich fahren. Wir sind mit dem Zug gefahren über Lille, über Holland, Belgien, nach Nordfrankreich gefahren. Wir kamen nach Nordfrankreich, an den Ärmelkanal, den Ort Aumale. Das war ein kleines Lager, wo ungefähr 500 bis 600 Leute waren. Nach der Einquartierung sind wir zu der ersten Arbeit gefahren. Man hat uns mit Pkws gefahren, täglich circa 40 bis 60 Kilometer. Dort haben wir im Wald gearbeitet. Erst haben wir die Erde ausgegraben, dann haben wir Schalungen gemacht und nachher betoniert. Wir haben Sechsecke gemacht, so drei mal drei Meter. Am Anfang wussten wir nicht, wozu das ist. Wir haben zu fünf, sechs Leuten dort gearbeitet. Als das fertig war, sind wir weitergefahren und haben wieder dasselbe gebaut. Viel später haben wir erfahren, dass es Stellungen für die V1- und V2-Raketen waren.“

Luftangriffe
„Auf einmal kamen von der rechten Seite Flugzeuge, etwa 15 bis 20 Flugzeuge, die sind runter zu uns geflogen. […] Ich wusste nicht was geschehen war, aber ich hatte noch so viel Verstand, dass ich die Schieben aufgemacht habe und aus dem Auto gesprungen bin. Ich bin rauschgerutscht aus dem Auto und gerollt auf der Straße und bin im Gebüsch gelandet. Auf einmal habe ich Blut gesehen und dann habe ich verstanden, dass ich verletzt bin. Das war so eine Wunde. Ich habe jetzt eine 18 Zentimeter lange Narbe, vier Zentimeter tief. Das ganze Gesäß war zerrissen. Als man mich nach oben auf die Straße rausgenommen hat, dachte ich, die reißen mich auseinander. Auf der Straße wurde ich bewusster, habe zwei SS-Männer gesehen, auf der Straße liegend. Einer hatte ein Bein weg und der andere war schwer verletzt. Man hat mich danebengelegt. Nach etwa 15 Minuten kam eines französisches Auto. Man hat die zwei SS-Leute genommen und ich blieb dort, weil kein Platz mehr darin war. Ich musste noch etwa fünfzehn Minuten warten und ich blutete die ganze Zeit. Also, nach fünfzehn Minuten kam ein französisches Lieferauto und hat mich mitgenommen. Als wir an einem Dorf oder kleinen Städtchen vorbeifuhren, da stand schon auf der Straße ein Arzt mit den Spritzen und ich habe zwei Spritzen bekommen. Ich möchte betonen, dass von allen Gefangenen, die da waren, nur ich verletzt wurde. Man hat Tragen genommen und hat mich zu einem Feldlazarett der Wehrmacht getragen.“

Krankenbehandlung im Lager
„In unserem Lager war ein Krankenhaus, sah aus wie eine Blechgarage. Dort waren vier Betten, als Personal war da ein deutscher Arzt, auch Gefangener und ein russischer Pfleger. Das war eine so große Wunde, dass ich die ganze Zeit auf dem Bauch liegen musste. Wenn ich mich nur bewegt habe, da hat alles geblutet. Es gab keine Medikamente, als einziges Medikament habe ich Rivanol in Spritzen bekommen, zum Desinfizieren. Die Betten waren nicht bezogen mit Bettwäsche, es gab nur eine Decke. Man hat mir die Wunden mit Papierbandagen umwickelt. Weil es sehr heiß war, sind die Bandagen auseinandergegangen und mit der nackten Wunde berührte ich ständig die schmutzige Decke. […] Der Arzt hat veranlasst, dass eine Stahlklinge aus Eisen ausgebrannt und ausgekocht wird, um mit der Klinge die Wunde zu nivellieren, Ich dachte, ich werde wahnsinnig.“

Aus: Interview von Kazimierz Szewczyk mit Karola Fings und Ursula Reuter im August 1995 in Köln. (Übersetzung aus dem Polnischen), zit. nach: Karola Fings, Messelager Köln, Köln 1996, S. 256-258.