Louis Boeckmans

(1923-2021)

Louis Boeckmans und seine spätere Ehefrau Germaine Wagemans, 1943
Louis Boeckmans und seine spätere Ehefrau Germaine Wagemans, 1943 ©Familie Boeckmans

Louis Boeckmans wurde am 20. Juni 1923 als eines von acht Kindern im belgischen Tessenderlo geboren, wo seine Familie einen Bauernhof besaß. 1942 schloss er sich dem Widerstand an. Nach einer Denunziation verhaftete die Gestapo ihn 1944 mit seinem Bruder Josephus. Über das Gefängnis in Hasselt und das SS-Durchgangslager Fort Breendonk wurden die Brüder im August 1944 nach Buchenwald deportiert. Kurz darauf kamen sie in das Außenlager in Blankenburg. Das Schwedische Rote Kreuz befreite die beiden Ende April 1945 nach einem mehrwöchigen Todesmarsch. Nach einer Zeit der Erholung in Schweden und Dänemark kehrte Louis Boeckmans nach Belgien zurück. Bis zu seiner Pensionierung arbeitete er als Briefträger. Louis Boeckmans starb am 18. Juli 2021.





„Jeder durfte seine Zwangsarbeiter auswählen, um damit eine Arbeitstruppe zu bilden. Jef und ich kamen ins Kommando K, das später als das ‚Totenkommando‘ bekannt wurde.“

Aus den Erinnerungen von Louis Boeckmans

Im Viehwaggon
„Als wir am 23. August 1944 erfuhren, dass die SS uns in ein Außenlager von Buchenwald schickte, hofften wir, dass das schlimmste Leid damit beendet war. Dennoch war da auch die Angst: Was, wenn wir genauso, wie viele andere nie mehr zurückkehren würden… Wer weiß, ob wir nicht am nächsten Tag im Krematorium endeten? Diese Gedanken spukten mir durch den Kopf, während wir in Richtung Bahnhof marschierten.

Erneut stand dort ein Zug mit schmutzigen Viehwaggons bereit. Diesmal war die Reise kürzer, aber die Umstände waren vergleichbar mit denen von vor zwei Wochen. Benoit Reynders hatten wir aus den Augen verloren, seit er als Mechaniker in der Werkstatt von Buchenwald eingesetzt wurde. Außer ihm und Marcel Coenen war unsere Gruppe aus Tessenderloo und Vorst noch vollständig.

Der Zug fuhr ab. Die Reise verlief so langsam, dass es eine Qual war. Später habe ich ausgerechnet, dass die Entfernung 150 Kilometer betrug, und wir haben dafür nicht weniger als 50 Stunden gebraucht. Am 24. August standen wir lange still. Später erfuhren wir, dass das Lager Buchenwald an diesem Tag von den Alliierten bombardiert worden war. […] Der Zug brachte uns bis Halberstadt. Dort kamen wir endlich etwas zur Ruhe. Die Türen wurden geöffnet, so dass es nicht zu warm war.“

Ankunft in Blankenburg
„Einige Stunden später kamen wir an dem kleinen Bahnhof Blankenburg an. Dort wurden wir aus dem Waggon gejagt und mussten zu Fuß weitergehen über eine Straße mit vielen Obstbäumen in die Richtung des neuen Arbeitslagers. Wie lange das dauerte, weiß ich nicht. […]

Schon am ersten Tag erhielten wir Essbesteck und eine Decke. Das war alles, damit mussten wir auskommen. Am nächsten Tag standen wir beim Morgenappell in einer Reihe vor einer ganzen Menge deutscher Bürger. Wir wussten nicht, wer sie waren, aber die SS verteilte uns wie Sklaven unter ihnen. Es stellte sich heraus, dass es sich um deutsche Poliere verschiedener Firmen handelte, hauptsächlich von der Organisation Todt, dem staatlichen deutschen Bauunternehmen. Jeder durfte seine Zwangsarbeiter auswählen, um damit eine Arbeitstruppe zu bilden. Jef [Anm.: Josephus Boeckmans] und ich kamen ins Kommando K, das später als das ‚Totenkommando‘ bekannt wurde.“

Im Zeltlager
„Ich weiß noch genau, wie ich das erste Mal die gut fünfzig runden, orangefarbenen Zelte mit einem Durchmesser von je ungefähr vier Metern sah, die innerhalb der Stacheldrahtumzäunung standen. Später erfuhren wir, dass es sich um die abgedankten Zelte der Hitlerjugendzeltlager handelte. In denen mussten wir schlafen, zu zwölft in einem Zelt auf ein bisschen Stroh. Wir lagen kreisförmig mit den Füßen zueinander und mit den Köpfen nach außen hin. Wir bekamen jeder eine Decke, was im August zwar noch ausreichend war, aber danach… Noch immer trugen wir denselben gestreiften Anzug, den wir in Buchenwald bekommen hatten. Es war feucht im Zelt und es roch nach fauligem Stroh.“

Rationen und Hunger
„Nach den zwei Wochen in Breendonk und den zwei Wochen in Buchenwald kannten wir den Terror der SS bereits. Aber trotzdem fühlte es sich nun anders an. Es war, als hätten wir unser endgültiges Arbeitslager erreicht, wodurch man uns eher in Ruhe ließ. Alle Befehle wurden noch immer auf Deutsch erteilt, aber inzwischen hatte ich schon ein paar Wörter aufgeschnappt und konnte besser reagieren. Die Arbeit blieb bleischwer und es gab immer zu wenig zu essen. Unsere Ration bestand aus einem bisschen Eichelkaffee morgens, (Steck-)Rübensuppe mit ganz ab und zu mal einer gekochten, ungeschälten Kartoffel mittags und einem Brotfladen abends, den sich drei Personen teilen mussten und ungefähr auf 250 Gramm pro Person hinauslief. Mit diesem Brocken Brot mussten wir bis zum nächsten Mittag durchhalten, aber durch den großen Hunger und die Angst, dass es uns im Schlaf gestohlen werden könnte, aßen wir das Stück sofort auf.“

Zwangsarbeit
„Am Anfang setzen die Deutschen uns dafür ein, das Gelände einzuebnen, damit dort Gebäude gebaut werden konnten. Es erschien mir, als ob es früher ein Abwassersystem für das Harzgebirge gegeben hatte, denn wo wir arbeiten mussten, verlief ein kleiner Bach, und es gab hohe Deiche mit Bäumen drauf. Die Bäume mussten wir ausgraben, um den Boden daraufhin flach abzugraben. Letztendlich wurden dort nie Gebäude erstellt, aber sehr wohl zusätzliche Zelte. Nach einem kurzen Marsch über eine Entfernung von ungefähr anderthalb Kilometern, arbeiteten wir von acht Uhr morgens bis sechs Uhr abends. Mittags bekamen wir ein halbes Stündchen Pause, damit wir unsere Suppe essen konnten. Ich war immer mit meinem Bruder Jef zusammen. Unter unseren Mitgefangenen waren wir schon schnell bekannt als ‚les deux frères‘ [Anm.: die beiden Brüder].“

Aus: Louis Boeckmans, De laatste getuige. Hoe ik Breedonk en Buchenwald overleefde, Antwerpen 2019, S. 135 ff. (Übersetzung aus dem Niederländischen)

Ein Interview mit Louis Boeckmans können Sie hier ansehen.