
Josef Pasternak wurde am 30. November 1920 in Ostrava (Tschechoslowakei) geboren. Der gelernte Koch kam im April 1944 als politischer Häftling in das Konzentrationslager Buchenwald. Im Außenlager Böhlen war er vor allem in der Lagerküche eingesetzt. Mitte Oktober 1944 schickte ihn die SS zurück ins Hauptlager und im Februar 1945 in das Außenlager S III in Ohrdruf. Nach der Befreiung blieb er in Deutschland und lebte seit 1968 mit seiner Familie in Aschaffenburg. 1976 veröffentlichte er seine Autobiographie „Zwischenstation Buchenwald“. Über sein weiteres Schicksal ist nichts bekannt.
Aus den Erinnerungen von Josef Pasternak
Das Lager
„Auf einem breiten Feldweg marschierten wir – die SS-ler mit dem Finger am Abzug ihrer Schußwaffen – in eine Richtung, in der ich nach etwa fünfzehn Minuten ein Barackenlager wahrnahm. Einige hundert Meter links davon sah ich ein großes Werk, dessen Ganzes mich durch die hohen Zisternen an einen Benzinladen erinnerte. […]
Ein breites Holztor, ein kleines Lager für etwa drei- bis vierhundert Arbeitssklaven, links eine kleine Holzbaracke für den Lagerältesten und den Verwaltungskapo.
Primitive Holzwachtürme und Drahtzaun, nicht mit Starkstrom geladen wie in Buchenwald. Die SS-ler hatten ihre Quartiere außerhalb des Häftlingslagers bezogen, einige davon kletterten auf ihren Wachposten.“
Zwangsarbeit in Böhlen
„Unsere Häftlinge hatten die Aufgabe, die mit dem Zement gefüllten Säcke nach und nach von der Blechbude zu den Betonmaschinen zu tragen. Andere wieder mußten eine lange Reihe von Loren mit Kies vollladen und sie auf schmalen Schienen dorthin fahren. Dabei kam es vor, daß die vollbeladene Lore aus den Gleisen kam und damit den ganzen Laden für eine Weile zum Leerlauf brachte.“
Lagergesellschaft
„Wir standen da, nach dem Rang der Funktion. Als erster der frischgebackenen Lagerältesten Hans mit dem grünen Winkel, dem Zeichen eines Berufsverbrechers. Ein gut aussehender Junge im Alter von zirka fünfunddreißig Jahren. Neben ihm stand Theo mit der Funktion ‚Kapo-Verwaltung‘, ein ‚Grüner‘, dessen Kleidung wie nach Maß geschneidert aussah. Es folgten zwei ältere ‚grüne‘ Kapos, dann mein neuer Freund und ein politischer Tscheche, beide Kapos und zum Schluß eine Reihe von Vorarbeitern, größtenteils politische Tschechen. Ich stand als letzter da.“
Verpflegung / Küche
„Die Lagerküche wurde von Fachhäftlingen geführt, die nicht nur für die Lagerinsassen, sondern auch für die gesamte SS-Wachmannschaft, einschließlich des Herrn SS-Lagerkommandanten, das Essen zubereiteten. Die Belegschaft des Küchenpersonals bestand aus einigen Tschechen, dann aus Häftlingen verschiedener Nationalität, die die Aufgabe hatten, die Kartoffeln und das Gemüse zu reinigen. Außerdem gab es dort noch einen Kapo, der ein Prager war. Das ganze Küchenkommando unterlag der Aufsicht eines Unterscharführers, der den Einkauf tätigte und bestimmte, was an dem einen oder anderen Tage gekocht werden sollte.“
Flucht
„Der SS-Mann beobachtete, daß ein Häftling von der Latrine, die in der Nähe der Wohnzelte stand, nicht zurück in seine Holzbaracke ging. Aller Wahrscheinlichkeit nach verirrte er sich im Halbschlaf und zielte die Rückseite des Blockes an. Angeblich im festen Glauben, daß der Mann zu dem Drahtzaun wollte, schoß er auf ihn, aber traf ihn nicht. Die Kugel der Schußwaffe schlug in ein Zelt und verwundete den jungen Häftling so, daß er – da ohne ärztliche Behandlung – bis zur Weckstunde starb.
[…] Seit diesem ‚Unglücksfall‘ war noch nicht einmal eine Woche vergangen, als eines Morgens eine andere Hiobsbotschaft ins Lager kam, die mich umzuwerfen drohte. Bei jedem Arbeitskommando war in der vergangenen Nacht ein Häftling auf der Flucht erschossen worden."
Aus: Josef Pasternak, Zwischenstation Buchenwald: eine Autobiographie, Aschaffenburg 1976.