
Raymond Gonzalez wurde am 15. März 1923 in l’Isle d’Abeau in Frankreich geboren. Als Student der Universität Grenoble war er in der christlichen Widerstandsgruppe „Témoignage Chrétien“ aktiv. Er wurde verhaftet, als er am 11. November 1943 an einer Gedenkveranstaltung zum 25. Jahrestag des Endes des Ersten Weltkriegs teilnahm. Am 17. Januar 1944 deportierte ihn die Gestapo ins KZ Buchenwald. Von August 1944 bis Januar 1945 musste er im Außenlager in Halle und später in Annaburg für die Siebel AG arbeiten. Nach der Befreiung in Buchenwald kehrte er schwer krank nach Grenoble zurück. Raymond Gonzalez starb im Juli 1945 mit nur 22 Jahren an Tuberkulose. In seinem Nachlass fanden seine Eltern das Tagebuch, das ihr Sohn während seiner Haft heimlich geführt hatte.
Aus dem Tagebuch von Raymond Gonzalez
„Zusammenfassung des Kommandos in Halle 5. August 1944 – 8. Januar 1945
Die ersten Eindrücke, physische Eindrücke: der große Schlafsaal, 500 Personen, Doppelstockbetten. Die Verteilung: Veränderungen in der Qualität der Wurst, des Brotes. Wir werden wie Zivilisten ernährt – Alarm in der Nacht – Schlafmangel, frühes Erwachen lästig – Appelle.
Im Augenblick ziehe ich mich schmerzhafter in meine Vergangenheit zurück. Die Zeit meiner Pilgerreisen nach Le Puy oder La Salette – eine Zeit, die mir viel bedeutete, mich erfrischte und mir Kraft gab, um mein spirituelles Leben fortzusetzen.
Für den 15. August [unleserlich]. Ich werfe einen Schrei der Bedrängnis, denn ich konnte ein Dutzend Rosenkranzgebete nicht so fertigstellen, wie es nötig gewesen wäre, ich kann nicht mehr beten. Ich setze meinen [unleserlich] fort, ich fühle mich gedemütigt, weil ich Frankreich nicht gut genug gedient habe und nicht von meinem Aufenthalt hier profitiere. Ich verschwende meine Zeit, mir fehlt die Hoffnung, ich verblöde. Ich werfe einen Notschrei zu Gott.
16. August: Bombenangriffe
Folge: Wir schlafen im Bunker, wir arbeiten wenig. Wir schlafen mehr. Aber was für ein Gestank, es riecht wie in einem Tiergehege. Am Morgen gehen wir in die Fabrik, um uns zu waschen, aber viele entkommen, indem sie mit denen, die sich gewaschen haben, zurückkehren. Bevor ich abends nach dem Imbiss in die Kaserne gehe, bleibe ich so lange wie möglich, um die Abendluft einzuatmen. Es gibt stille Abende, die mich an jene meiner Pilgerreise nach Le Puy erinnern. Ich denke an [unlesbar]. Ich denke an meine lieben Freunde und armen Eltern.“
Aus dem Tagebuch von Raymond Gonzalez, 1944-1945.
(Coll. Musée de la Résistance et de la Déportation – Département de l’Isère) (Übersetzung aus dem Französischen)
