Wim van Putten

(geb. 1922)

Wim van Putten nach seiner Einweisung in das KZ Buchenwald (Ausschnitt der Häftlingspersonalkarte), November 1944. Foto: Erkennungsdienst der SS
Wim van Putten nach seiner Einweisung in das KZ Buchenwald (Ausschnitt der Häftlingspersonalkarte), November 1944. Foto: Erkennungsdienst der SS ©Arolsen Archives

Johan Frederik Wilhelm (Wim) van Putten stammte aus Haarlem in den Niederlanden. Als Elektrotechniker arbeitete er für den Elektrokonzern Philips in Eindhoven. Vor dem zwangsweisen Arbeitseinsatz in Deutschland versuchte er, über Spanien nach England zu fliehen. Im Juli 1943 wurde er in Frankreich verhaftet und im Oktober nach Buchenwald gebracht. Wegen einer Lungenkrankheit schickte ihn die SS im Januar 1945 aus dem Außenlager Köln zurück ins Hauptlager. Nach der Befreiung kehrte er in seine Heimat zurück und war bis zum Ruhestand wieder für Philips tätig.





„Sich zu waschen war für uns zu einem Luxus geworden, und ein Bad nehmen war unmöglich.“

Aus den Erinnerungen von Wim van Putten

Von Buchenwald nach Köln
„Ich ging im September 1944 zusammen mit zweihundert Kriegsgefangenen nach Köln, unter anderem, um Bomben zu räumen und in einer Eisenbahnwagenfabrik zu arbeiten, die regelmäßigen Bombardements ausgesetzt war. Der Gefangenentransport war gut organisiert. Es wurde ein Vorrat an Lebensmitteln mitgeschickt, und wir befanden uns in vier Güterwaggons, also jeweils 50 Personen in einem Waggon. Jeder Waggon wurde bewacht und die Türen standen weit offen. Als Bonus bekamen wir bei der Abfahrt Pullover, Jacken und gute Holzschuhe. Das war also ein wahrer Elitetransport, denn es wurden auch noch Ersatzkleider und Ersatzschuhe mitgenommen (sogar besonders dicke Unterhosen). Leider sind alle diese Sachen bei einem Bombenangriff in Köln verbrannt … Die Reise hat drei Tage gedauert. Jeden Morgen gab es heißen Kaffee. Immer mal wieder war es uns gestattet, die Beine vor den Waggons zu vertreten. Es waren zwanzig Wachmänner und zwei Scharführer dabei.“

Die Wachmannschaft
„Der Hauptscharführer (Saathoff) war ein junger Bursche mit typischen SS-Eigenschaften. Eine seltsame Mischung aus Grausamkeit und Sentimentalität. Er konnte es nicht mit ansehen, dass ein Kriegsgefangener wie ein Mensch behandelt wurde und ließ seinen Launen freien Lauf. Andererseits war er wiederum unheimlich freundlich, wenn man bei einem Bombenangriff anderen Menschen geholfen hatte. Das nationalsozialistische Gedankengut hatte ihn komplett verdorben. [...] Der Oberscharführer war ungefähr 45 Jahre alt, hatte in Russland gekämpft (und geriet immer wieder mit Saathoff aneinander), und er war ein richtiger Angsthase. […] Rottenführer Hans war ein junger Bursche, der mit dem Mädchen in der Küche anbandelte. Man musste sich vor ihm in Acht nehmen, obwohl er mir später wohlgesonnen war und ich ihn Hans nennen durfte. […] Die anderen Männer waren über 50 Jahre alt und sehr sympathisch. Ihnen ging es schlichtweg darum, das Ganze einfach nur zu überleben. Die Wehrmacht hatte sie in die SS versetzt, und sie haben ihr Bestes getan, es für uns so angenehm wie möglich zu machen. Ich hoffe nicht, dass sie nach der Befreiung aufgrund ihrer SS-Uniform bestraft worden sind. Sie waren zu alt, um sich vom nationalsozialistischen Gedankengut verleiten zu lassen, und deshalb verhielten sie sich menschlich. Außerdem waren sie noch nicht einmal in der Lage, richtig mit ihren Gewehren umzugehen. […] Selbstverständlich gab es eine Ausnahme, und das war ein älterer Unterscharführer. Wahrscheinlich war er schon im normalen bürgerlichen Leben der Menschheit feindlich gesinnt gewesen, weil er es nicht weitergebracht hatte als zum Knecht. Nun verfügte er plötzlich über Macht und diese missbrauchte er. Ein richtig fieser Kerl.“

Im Luftschutzkeller
„Unser Schutzkeller wurde zu einem sehr primitiven Wohnraum umgestaltet. In ganz Köln gab es keinen Strom und kein fließendes Wasser mehr. Sich zu waschen war für uns zu einem Luxus geworden, und ein Bad nehmen war unmöglich. Rußende Karbidlampen haben alles geschwärzt und der Keller, der nach Menschen, dem Ofen, schlechtem Tabak und Essen roch, war ein äußerst unhygienischer Schlafplatz, da nie gelüftet wurde (zu kalt!). Es gab drei Kellerräume. In einem waren die Franzosen untergebracht, und dort war die Atmosphäre gut und die Luft frisch, denn die Franzosen waren diszipliniert genug, nicht zur rauchen – ebenso wie die Ukrainer (Russen!) im zweiten Kellerraum. In der Abteilung für Elite-Deutsche war es jedoch richtig bescheiden. Von Disziplin oder Kameradschaft keine Spur. Auch die Holländer wurden gnädigerweise dieser Horde zugeteilt, was zumindest den Vorteil hatte, dass man immer mehr bekam als die Franzosen oder Russen, da die Deutschen vom Hauptscharführer stark bevorzugt wurden (ich vermute aufgrund ihrer besseren Rasse!?).“

Aus: J. F. W. van Putten, Leven en overleven. Brieven uit Buchenwald, Zutphen 2010. (Übersetzung aus dem Niederländischen)