Langensalza (Bad Langensalza)

20. Oktober 1944 – 1. April 1945

Das Lager

Die Junkers Flugzeug- und Motorenwerke AG plante ab Ende 1943, Teile ihrer Produktion in ein neues Zweigwerk im thüringischen Langensalza (heute Bad Langensalza) zu verlagern. Für den neuen Zweigbetrieb, der den Tarnnamen „Langenwerke AG“ erhielt, wurden die Werkhallen der Kammgarnspinnerei AG Eupen am Rand der Stadt auf dem Klausberg beschlagnahmt. Von Beginn an setzte Junkers im Werk in Langensalza Kriegsgefangene ein. Wie an vielen anderen Junkers-Produktionsstandorten, forderte das Unternehmen im Herbst 1944 von der SS schließlich auch KZ-Häftlinge an. Mitte Oktober trafen die ersten Häftlinge in Langensalza ein. Die SS brachte sie in den Werkhallen und in Holzbaracken auf dem Fabrikgelände unter, das durch einen Stacheldrahtzaun gesichert war. Wo genau diese Baracken standen, ist nicht bekannt. Zur dürftigen Ausstattung gehörten mehrstöckige Betten und Decken. Das „SS-Kommando Langensalza“, oft auch nur als „Langenwerke Langensalza“ bezeichnet, war eines von elf Außenlagern, das der Junkers-Konzern gemeinsam mit der Buchenwalder SS einrichtete.

Die Häftlinge

Die SS brachte die ersten 100 Häftlinge am 20. Oktober 1944 aus Buchenwald nach Langensalza. Bis Ende des Monats erhöhte sich die Zahl der Männer bereits auf über 300. In den Wochen darauf trafen weitere Häftlinge aus Buchenwald und anderen Lagern ein. Denn Langensalza diente auch als zentrales Lager, in dem die SS entflohene und wiederergriffene Häftlinge aus anderen Konzentrationslagern sammelte. Die Überstellungen erfolgten aus den KZ Neuengamme, Mauthausen, Auschwitz, Groß-Rosen, Sachsenhausen, Ravensbrück, Natzweiler, Dachau oder Flossenbürg. Zu Jahresbeginn 1945 befanden sich 1.458 Gefangene vor Ort. Insgesamt durchliefen bis April 1945 rund 1.700 Häftlinge das Lager. Die größten Gruppen bildeten Häftlinge aus Polen und der Sowjetunion. Die übrigen Männer kamen aus Frankreich, Belgien, Italien, dem damaligen Deutschen Reich, den Niederlanden und vielen anderen Ländern. Die Mehrheit von ihnen galt als politische Häftlinge, andere als „Berufsverbrecher“ oder „Asoziale“. Von Auschwitz schickte die SS zudem eine kleine Gruppe jüdischer Häftlinge nach Langensalza. Als Funktionshäftlinge fungierten deutsche politische Häftlinge um den Lagerältesten Wilhelm Traub. Nachgewiesen sind 44 Fluchtversuche.

„Alles in allem eine recht einfache Arbeit, wenn man nicht immer stehen müsste und die SS nicht ständig mit Knüppeln auf uns einschlagen würde, um uns daran zu erinnern, dass wir Häftlinge sind.“
Pierre (Peio) Harignordoquy
Zum Erinnerungsbericht

Zwangsarbeit

Die meisten Häftlinge mussten im Junkerswerk in der Fertigung von Flugzeugtragflächen Zwangsarbeit leisten. Im Werk standen sie unter der Aufsicht von zivilen Ingenieuren und Meistern. Laut den überlieferten Arbeitseinsatzmeldungen arbeiteten die Häftlinge zunächst täglich von 7 bis 18 Uhr, später dann bis 19 Uhr, unterbrochen von einer nur 30-minütigen Pause. Überlebende berichteten, dass zeitweise auch ein Tag- und Nachtschichtsystem in der Fertigung existierte. Freie Sonntage gab es bis auf ganz wenige Ausnahmen keine.

Krankheit und Tod

Im Lager gab es eine Krankenstation. Bei der Errichtung des Außenlagers setzte die SS zunächst den sowjetischen Arzt Alexander Woskresenskij als Häftlingsarzt ein; ab Mitte November 1944 füllte vermutlich der Franzose Jean Guery diese Funktion aus. Seitens der SS ist ein SS-Unterscharführer namens Odenhausen als Sanitäter für die Krankenstation dokumentiert. Die Totenscheine unterzeichnete zeitweise ein Arzt namens Dr. Simon, der in einem Lazarett in Langensalza tätig war. Belegt sind einige krankheitsbedingte Rücküberstellungen in das Hauptlager Buchenwald, von wo auch die spärlichen Medikamente für das Außenlager kamen. Vor Ort starben mindestens 15 Häftlinge. SS-Männer erschossen drei von ihnen bei Fluchtversuchen. Bei den Übrigen vermerkte die SS zumeist Herz- und Lungenkrankheiten als Todesursachen. Die Toten ließ sie im Krematorium von Langensalza einäschern. Zudem wurden durch die SS neun Häftlinge aus Langensalza Ende Januar 1945 aus unbekannten Gründen hingerichtet. Ob alle Exekutionen in Buchenwald oder auch in Langensalza stattfanden, ist nicht eindeutig belegt.

Bewachung

Mit dem Anstieg der Häftlingszahl vergrößerte die SS auch die Wachmannschaft vor Ort. Umfasste sie Anfang November 22 Mann, so waren es einige Wochen später bereits 51. Ende Februar 1945 gehörten schließlich 79 SS-Männer in Langensalza zur Bewachung. Überlebende berichteten später, dass die SS die Sicherung des Lagers durch den Einsatz von Hunden verstärkte. Als Kommandoführer setzte die Buchenwalder Lagerkommandantur zunächst SS-Hauptscharführer Josef Ebenhöh (1914-1951) ein. Im Januar 1945 wechselte er als Kommandoführer in das Frauenaußenlager nach Penig. Als sein Nachfolger ist ein nicht näher identifizierter SS-Hauptsturmführer namens Weidlich dokumentiert.
Ebenhöh, der nach dem Krieg im sowjetischen Speziallager Nr. 1 in Sachsenhausen inhaftiert war, starb 1951 in der Strafvollzugsanstalt Untermaßfeld in Thüringen. Ein Ermittlungsverfahren in der Bundesrepublik wegen der Geschehnisse im Außenlager Langensalza wurde 1975 ergebnislos eingestellt.

Räumung

Ende März 1945 befanden sich 1.240 Häftlinge in Langensalza. Am 1. April 1945, dem Ostersonntag, räumte die SS das Lager und teilte die Häftlinge in verschiedene Gruppen ein. Die meisten mussten zu Fuß in das rund 60 Kilometer entfernte Buchenwald marschieren. Am 3. April 1945 registrierte die SS 1.135 Häftlinge im Hauptlager – tags zuvor bereits 42 Männer. Vermutlich handelte es sich um Kranke, die mit Wagen zurückgebracht worden waren. Am 4. April folgten weitere Häftlinge aus Langensalza. 59 Männer kamen nicht in Buchenwald an. Ob ihnen unterwegs die Flucht gelang oder ob sie von der Wachmannschaft ermordet wurden, ist nicht bekannt.

Spuren und Gedenken

Nach dem Krieg wurde das Junkerswerk wieder als Spinnerei genutzt. Seit 2019 ist der Betrieb eingestellt und das Gelände für gewerbliche Zwecke verpachtet. Ein Gedenkstein auf dem ehemaligen Werksgelände erinnert seit Mitte der 1960er-Jahre an die Existenz des KZ-Außenlagers.

Link zum heutigen Standort und zum Standort des Gedenksteins auf GoogleMaps

Literatur:

Frank Baranowski, Langensalza, in: Wolfgang Benz u. Barbara Distel (Hg.), Der Ort des Terrors. Geschichte der nationalsozialistischen Konzentrationslager. Band 3: Sachsenhausen und Buchenwald, München 2006, S. 484-486.


Pierre Harignordoquy, 1950
Pierre Harignordoquy, 1950 ©Marie Hélène Baradat
„Alles in allem eine recht einfache Arbeit, wenn man nicht immer stehen müsste und die SS nicht ständig mit Knüppeln auf uns einschlagen würde, um uns daran zu erinnern, dass wir Häftlinge sind.“

Pierre (Peio) Harignordoquy

Pierre Harignordoquy kam am 7. Juni 1910 in Saint-Étienne-de-Baïgorry im französischen Baskenland zur Welt. 1936 wurde „Peio“, so sein Rufname auf Baskisch, zum Priester geweiht. Als französischer Soldat geriet er im Juni 1940 in deutsche Kriegsgefangenschaft. In einem Kriegsgefangenenlager in Köln half er Soldaten bei der Flucht. Die Gestapo verhaftete ihn im Sommer 1944 und wies ihn kurz darauf in das KZ Buchenwald ein. Im November 1944 brachte ihn die SS nach Langensalza, wo er bis zur Auflösung des Lagers blieb. Die Befreiung erlebte Pierre Harignordoquy Ende April 1945 in Dachau. Nach der Rückkehr in seine Heimat nahm er seine Tätigkeit als Priester wieder auf. Er starb im April 1988. Seine Familie veröffentlichte seine 1954 verfassten Erinnerungen posthum.



weiterlesen