
Rosa Deutsch wurde am 9. April 1926 in Budapest (Ungarn) geboren. Sie wuchs in einer jüdischen Familie auf. Im November 1944 musste sich die Abiturientin bei einer Ziegelfabrik am Stadtrand melden. Mit Tausenden Jüdinnen und Juden trieb man sie von dort zu Fuß zur deutschen Grenze. Die SS brachte sie über das KZ Ravensbrück im Januar 1945 nach Penig. Dort erkrankte sie lebensgefährlich. Als die SS das Lager räumte, blieb sie mit anderen kranken Frauen zurück. Die eintreffenden amerikanischen Soldaten retteten ihr Leben. Nach Monaten im Lazarett, kehrte sie im Sommer 1945 zur ihren Eltern nach Budapest zurück. Sie studierte später Chemie, gründete eine Familie und arbeitete in einer Lampenfabrik. Rosa Deutsch starb 2016 in Budapest.
Aus den Erinnerungen von Rosa Deutsch
Selektion in Ravensbrück
„Wir wussten nicht, was mit uns geschehen wird. Jeden Tag gab es andere Befehle, große Appelle und SS-Kontrollen. […] Es gab ärztliche Untersuchungen durch einen Arzt im Revier. Wir mussten uns ausziehen und in der Reihe am Arzt vorbei, der uns untersuchte. Eines Tages gab es einen Spezialappell. Es waren Leute in zivil da. Das war die Selektion für die Arbeitskommandos. […] Vielleicht diente bereits die ärztliche Untersuchung dazu, die Nummern von Kranken und Schwachen aufzuschreiben. Die Frau, mit der ich versteckt war und die nervlich krank war, hat man herausgelassen. Sie trug eine Brille. Wer eine Brille trug, war nicht arbeitsfähig. Wir wurden getrennt. Sie blieb in Ravensbrück und kam auch nicht wieder zurück. Ich weiß nicht, was mit ihr passiert ist.“
Zwangsarbeit
„In der Werkstatt hat man gefragt, wer gut Deutsch spricht. Einige haben in einem technischen Büro gearbeitet. Ich erinnere mich an den Namen ‚Perlmutter‘, das war ein berühmter Name, ein Maler in Ungarn. Seine Nichte hat sich gemeldet, dass sie zeichnen kann. Diese Frauen haben 12 Stunden gearbeitet. In der Küche habe auch einige 12 Stunden Arbeit gehabt. Die anderen hatten 8-stündige Arbeit in drei Schichten. In der großen Werkstatt waren Bohrmaschinen und Drehmaschinen, an denen Polen und Russen gearbeitet haben. Es waren einige deutsche Meister dabei. Ich war Putzfrau. Meine Aufgabe war es, die Metallspäne, die Metallabfälle zu sammeln. […]
Vor dem Eintritt in das Lager wurden wir immer gezählt. So war es auch einmal, in einer Nachmittagsschicht, es war schon 11 Uhr. Ich war müde, das Essen fehlte. Man ließ mich nicht schlafen. Es war so schlimm, dass ich viel weinte. Stundenlang standen wir am Lagereingang und durften nicht hinein, weil die Anzahl der Häftlinge nicht stimmte. Es fehlte jemand. In der Küche wurde jedoch 12 Stunden gearbeitet. Es stellte sich heraus, dass die fehlende Person in der Küche war zur Arbeit. Dann durften wir endlich in die Baracke.“
Im Krankenrevier
„Im Revier waren drei Frauen aus Auschwitz als Personal. Die Ärztin war eine Zahnärztin. Sie wusste sehr wenig von inneren Krankheiten. Die zwei Schwestern hatten ein Universitätsstudium in Geschichte absolviert. Sie konnten also gar nicht helfen. Für sie war es eine Möglichkeit, zu überleben und mehr Essen zu bekommen. […] Eines Tages, es war Frühschicht, mussten wir um vier Uhr aufstehen. Die SS-Frauen kamen zum Wecken mit einer Pfeife. Vor dem Tor mussten wir uns in einer Reihe aufstellen, um gezählt zu werden. Dann ging der Marsch los. Es gab nur beschränkte Ausnahmen für ein ärztliches Attest. Ich war schon monatelang sehr schwach und auch abgemagert. Während der Nacht bekam ich plötzlich ein Ödem. Mein Gesicht und meine Augen waren geschwollen, ich hatte es gar nicht bemerkt. […]
Ich kam ins Revier und lag nur im Bett. Danach war ich so schwach, dass ich nicht mehr zur Arbeit gehen konnte. Ich kam mit meiner Freundin in eine getrennte Baracke am Hang […], die sogenannte Krüppelbaracke. […]
Jeder dachte nur an sich. Es gab auch einige Frauen, die von anderen das Brot gestohlen haben. Das war in allen Lagern so. Wir haben das Brot unter dem Kopf versteckt und trotzdem war es am nächsten Tag weg. Viele haben es nicht sofort gegessen. […] Aber es gab auch Hilfsbereitschaft. Im Revier, zum Beispiel, war eine Frau, die allen geholfen hat. Ich hatte viele Wunden, sie hat geholfen, die kleinen Haare zu schneiden und die Wunden mit Papier zu verbinden.“
Aus einem Interview mit Rosa Deutsch im April 1997 in der Gedenkstätte Buchenwald. (Gedenkstätte Buchenwald)