Max Dutillieux

(1923-2003)

Max Dutillieux kurz nach seiner Befreiung
Max Dutillieux kurz nach seiner Befreiung ©Françoise Ballanger

Max Dutillieux wurde am 2. Januar 1923 im französischen Saint-Quentin geboren. Als er im Juli 1943 versuchte, die Grenze nach Spanien zu überqueren, kam es zu seiner Verhaftung. Zwei Monate später deportierte ihn die Gestapo in das Konzentrationslager Buchenwald. Im Oktober 1943 überstellte die SS ihn in das Außenlager Dora. Von August 1944 bis zur Räumung des Lagers war er Häftling im Außenlager Roßla. Nach der Befreiung kehrte er nach Frankreich zurück und arbeitete bis zum Ruhestand als leitender Angestellter bei Air France. Er starb im Dezember 2003 in Sceaux bei Paris.

„Es war mein Glück, dass ich sieben Monate in Roẞla verbrachte. Dadurch hielten meine Gefährten und ich wahrscheinlich während des Zusammenbruchs im April/Mai 1945 durch. Roẞla war wirklich ein Zwischenakt in meiner Deportation."

Aus den Erinnerungen von Max Dutillieux

Zwangsarbeit in Roßla
„Wir verbrachten unser Leben damit, Waggons zu be- und entladen. Die meisten Einzelteile für die V2 lagerten im Innern des Gebäudes. Aber nicht alle, die Aluminiumtanks waren zu groß und mussten draußen liegen. Sie hielten Regen und Schnee stand, aber sie glänzten und konnten die Aufmerksamkeit von böswilligen Fliegern auf sich ziehen und wurden daher unter Tarnnetze gelegt, was einige heikle Probleme verursachen sollte. […]

Es war mein Glück, dass ich sieben Monate in Roßla verbrachte. Dadurch hielten meine Gefährten und ich wahrscheinlich während des Zusammenbruchs im April/Mai 1945 durch. Roßla war wirklich ein Zwischenakt in meiner Deportation. Der materielle Komfort war sicher nicht höher als der im großen Lager von Dora, aber die Atmosphäre war völlig anders. Die Nahrungsmittelrationen blieben ständig dieselben, und wir erkannten die Wochentage weiterhin an den Beilagen, die wir zum Brot erhielten, nur die Suppe war besser zubereitet. Und vor allem, ‚die Hoffnung erhält das Leben‘.“

Leben im Lager
„In der ersten Baracke wohnte die SS. Und da diese für sie allein (und ihre Familien?) zu groß war, befanden sich dort einige Lagerbereiche, wie die Küche und das Lazarett. Dieselbe Küche für die SS und die Häftlinge, – wobei es sich um den Ort und nicht um die Lebensmittel handelte – das war schon die Garantie für eine gewisse Qualität. Dasselbe galt für das Lazarett.

Die zweite Baracke war mit Stacheldraht umgeben und beherbergte die Häftlinge. Sie bestand aus zwei Teilen, dem noblen und dem ‚Prolo‘-Abschnitt.

Im noblen Abschnitt waren der Kapo, die Vorarbeiter, die Lagerelite, der österreichische Sanitäter, die Polen, die Tschechen und sogar die Franzosen untergebracht. (Man möge entschuldigen, dass ich einen Belgier zu den Franzosen gerechnet habe.) Der andere Barackenteil, der am weitesten von der Baracke der SS entfernt war, war der ‚Prolo‘-Abschnitt, in dem die Russen wohnten (und ein einziger Pole, der sehr hässlich war und kein deutsch sprach). Sie waren alle Feinde Deutschlands, obwohl man nicht wusste, warum sie da waren, was sie getan haben, um da zu sein, außer dass sie in Russland oder in der Ukraine geboren waren. Sie waren jung, und die meisten von ihnen waren seit 1941 Lagerhäftlinge.“

« Les bonnes soirées » (die guten Abende)
„Der Abend in der Baracke war der angenehme Tell des Tages, die Zeit, in der es die Suppe gab und die Zeit der Entspannung. […] Wir sprachen unter uns viel über unsere Familien, unsere Freunde, nun, da wir beinahe sicher waren, sie wiederzusehen, denn in unseren Gedanken wussten wir, dass wir das Kriegsende hier in Roßla demnächst erleben würden!

Die ‚heiteren‘ Geschichten machten häufig die Runde: die meisten von ihnen waren schlüpfrig, die Hoffnung kam zurück. Aber die unterschiedlichsten Themen wurden im Laufe der Abende angeschnitten: politische, religiöse, Sport, Gesundheit etc. Wir besaßen leider kein Schreibmaterial, mit dem wir die Erinnerungen an diese Diskussionen hätten festhalten können. Papier und Bleistift waren immer noch ein knappes Gut. Weniger als in Dora allerdings, denn ich konnte ab und zu auf einigen weißen Papierstücken zeichnen.

Ich hatte eine Schwäche für Karikaturen. Ziemlich viele meiner Gefährten gaben sich bereitwillig zu diesem Spiel her, das überhaupt nicht gemein war. Eines Abends habe ich eine derart ähnelnde und witzige Karikatur des so hässlichen Polen aus dem anderen Barackenabschnitt angefertigt, dass Willy sie hatte herumgehen lassen und der bewusste Pole mich verprügeln wollte, daraufhin wollte der Kapo von sich selber auch eine Karikatur haben! Die Sache wäre nicht schwer gewesen, aber die Vorsicht empfahl mir der Versuchung zu widerstehen. Willy hatte vielleicht Sinn für Humor, aber wer weiß? Ich wollte in erster Linie eine Anwendung von schlechter Laune und Repressalien vermeiden. Ich tat also so, als ob ich mich daran versuchte, um ihm schließlich zu erklären, dass ein Gesicht mit derart regelmäßigen Zügen sich nicht zur Karikierung eignen würde.“

Aus: Max Dutillieux, Le Camp des Armes Secrètes Dora-Mittelbau, unveröffentlichte Übersetzung aus dem Französischen von Kai Schöbel, 1993. (KZ-Gedenkstätte Mittelbau-Dora)