Erwin Liffmann

(1914-2010)

Erwin Liffmann in Häftlingskleidung, Juni 1945
Erwin Liffmann in Häftlingskleidung, Juni 1945 ©Jewish Holocaust Centre Melbourne

Erwin Liffmann wurde am 2. August 1914 in Mönchengladbach in eine jüdische Familie geboren. 1941 deportierte die Gestapo ihn, seinen Vater und seine Geschwister in das Ghetto Litzmannstadt. Den gelernten Fleischer brachten sie von dort im März 1944 zur Zwangsarbeit nach Tschenstochau. Seine Familie sah er nie wieder. Über Buchenwald kam er im September 1944 nach Sonneberg. Auf dem Todesmarsch gelang ihm die Flucht. 1946 emigrierte er nach Australien, wo er 2010 starb.





„Sonneberg klingt so freundlich, und konnte ich mir nicht vorstellen, dass es hier eine Hölle gibt und noch ein Fegefeuer dazu.“

Aus den Erinnerungen von Erwin Liffmann

Sonneberg
„Sonneberg klingt so freundlich, und konnte ich mir nicht vorstellen, dass es hier eine Hölle gibt und noch ein Fegefeuer dazu. […] Sonneberg gehört mit zu der härtesten Probe meiner gesamten Haftzeit. Unsere Nahrung bestand im wahrsten Sinne des Wortes aus reinem Wasser. Die Folge war, dass der Gesundheitszustand von mir, sowohl von allen anderen, bedrohlich wurde. Die Zahl der Kameraden, die vor Erschöpfung zusammenbrachen, wurde immer größer. […] Meine größte Sorge war, wie lange kann ich mich noch auf den Beinen halten bei dieser Verpflegung und Misshandlung?“

Im Werk
„Den ganzen Tag oder Nacht hat man nichts anderes gehört [als]: ihr elenden Hunde werdet noch alle wegen Sabotage zurück nach Buchenwald geschickt und dort erhängt. […].

Ich selbst habe an einer Pitt Revolver-Drehbank gearbeitet [und] unter anderem die die feine Handstahlarbeit gemacht. […] Diese Spezialarbeit wurde nur an zwei Maschinen gemacht. Mein Herz und Lunge habe ich mir ausgeschwitzt, die Arbeit so gut wie möglich zu machen, um nicht jeden tag getreten oder geschlagen zu werden. Ferner habe ich an dem Band, an dem ich gearbeitet habe, für ca. 40 Maschinen alle Stähle geschliffen. Ich hatte mich ganz gut eingearbeitet, wären wir nur als Menschen behandelt worden und wäre nicht der mörderische Hunger gewesen.“

Hunger
„Vor unserem Abmarsch bekam jeder von uns 2 Kg Brot und 120 Gr. Margarine Verpflegung für die ersten fünf Tage im Voraus. Was das für ausgehungerte Menschen bedeutet, liegt klar auf der Hand. Eigentlich war das ein Feiertag für mich, ein ganzes Brot in meinen Händen zu halten. Wenn ich mein Brot nicht aufesse, wird es mir vielleicht gestohlen, und wenn ich es aufesse, werde ich am Wegrand liegen bleiben und erschossen werden. Ich hatte noch meine fünf Sinne zusammen, […], der Drang zum Leben war plötzlich so stark in mir, es musste sich irgendwie ein Weg finden, mit dem Leben davon zu kommen. So war ich einer der Wenigen, der am dritten Tage das letzte Stück Brot verzehrte.“

Todesmarsch
„In dieser Nacht hat Unterscharführer Biedermann 19 Häftlinge erschossen. Im ganzen Kommando waren keine drei Posten, die die nicht geschossen haben. […] Die Zungen vor Durst am Halse heraushängend, wurden wir wie Vieh durch die Dörfer getrieben. Unsere Nahrung jetzt nur noch bestehend aus drei Pellkartoffeln alle 24 Stunden. Es verging kein Tag, an dem von unserer Kolonne nicht 25 oder 30 Menschen liquidiert wurden. Meine Holzschuhe waren mir schon längst von den Füßen gefallen. Der dünne Häftlingsanzug, welchen ich in Buchenwald bekommen hatte und Arbeitsanzug, Schlafanzug, überhaupt das einzige war, was ich am Körper hatte, bedeckte nicht mehr meinen ganzen Körper. […] An einigen Tagen gab es überhaupt keine Nahrung mehr. […] Was hatte ich eigentlich noch zu verlieren. Ich konnte nur mein Leben retten durch Flucht.“

Aus: Erwin Liffmann: Schilderung meiner Jahre in den verschiedenen KZ-Lagern, ohne Datum. (Yad Vashem)