Sandor Stern

(1927-2009)

Sandor Stern kam am 12. Dezember 1927 im rumänischen Satu Mare in einer jüdischen Familie zur Welt. Im Alter von 13 Jahren zog er mit seinen Eltern und drei Brüdern nach Budapest. Mit dem Einmarsch der Wehrmacht in Ungarn 1944 begann für ihn und seine Familie die Verfolgung. Nach Zwangsarbeit in Ungarn wurde Sandor Stern im November 1944 nach Buchenwald deportiert und kurz darauf nach Altenburg verlegt. Bei der Räumung des Lagers gelang es ihm zu fliehen. Amerikanische Soldaten fanden ihn und brachten ihn nach Buchenwald, wo er medizinische Versorgung erhielt. Sandor Stern gehörte zu der Gruppe junger KZ-Überlebender, die im Juni 1945 von Frankreich aufgenommen wurden. 1948 emigrierte er in die USA, wo er mehrere Jahre in der Air Force diente. Sandor Stern starb 2009 in Longwood, Florida.

„Buchenwald war ein riesiges Lager. Aber ich blieb nicht lange dort, nur ein paar Tage. Dann verfrachteten sie mich, verfrachteten sie uns hinaus.“

Aus einem Interview mit Sandor Stern

Die Fabrik
„Buchenwald war ein riesiges Lager. Aber ich blieb nicht lange dort, nur ein paar Tage. Dann verfrachteten sie mich, verfrachteten sie uns hinaus. Wie ich schon sagte, wurden 50 von uns für diese Fabrik ausgewählt; um in der Munitionsfabrik zu arbeiten, im Werkzeugraum. Wir sollten Reparaturen ausführen und Teile für die Maschinen herstellen. Eine meiner Tätigkeiten in dieser Fabrik war es, [Anm.: unverständlich] Dinge zu reinigen, wo die rauen Kanten entfernt werden mussten. Ich bekam einen Hammer und einen Meißel. Und das war alles, was ich gemacht habe, nur dieses Ding reinigen.

Wenn die Maschinen von Spänen gereinigt werden mussten, packten wir sie in einen riesigen Wagen und brachten sie zur Müllkippe. Und dort traf ich viele der weiblichen Häftlinge, ungarische weibliche Häftlinge. [...] Es gab eine Wache an der Tür zum Werkzeugraum und seine Aufgabe war es, uns bei der Arbeit in diesem Gebäude zu überwachen. Aber wenn einer von uns rausging und das Ding [Anm.: den Wagen mit Spänen] schob, kam kein Wächter hinterher. [...] Ich erinnere mich nicht mehr an das Gespräch [mit den Häftlingsfrauen], wir sprachen einfach darüber, woher wir kamen, was wir taten, dies und das. Wissen Sie, sie wollten wissen, wie die Situation war, denn sie waren schon länger dort, also wussten wir mehr darüber. Wir erzählten ihnen von den Landungen der Alliierten und dass wir wissen, dass die Russen aus einer Richtung kommen und die Amerikaner und die anderen Alliierten aus der anderen Richtung.“

Ein Arbeitsunfall
„Eines Nachts war ich so schläfrig, dass ich daneben schlug und meinen Daumen mit dem Hammer traf. Am nächsten Tag schwoll er etwa eineinhalb bis zwei Zentimeter an. Und ich konnte ihn nicht verbinden, also sagte dieser deutsche Ingenieur, der für uns verantwortlich war, das ist derjenige, der mich vorher ausgewählt hatte, zu mir: ,Geh zur Ärztin‘. Also ging ich hin, und sie hatte nichts zum Betäuben dabei. Also schnitt sie die Wunde auf und legte eine Drainage, und ich durfte vier, fünf Tage in der Baracke bleiben, bis es verheilt war.“

Ein Vorfall
„Ich schlief also in der obersten Koje, es war drei Etagen, ganz oben. Wir hatten keine Matratzen, es war wie in einem Sarg. Und eines Morgens bin ich aufgewacht. Ich war eingeschlafen, wachte und hörte Geräusche. Ich hörte ein Gespräch und sie sagten: ‚Er muss… er muss in der Nähe sein. Er hat keine Chance zu entkommen.‘ […] Ich habe nach unten geschaut und ich sah den SS-Offizier, die SS-Offizierin, die für die Frauen zuständig war, und den Kapo und vielleicht ein paar Wachen. Und sie suchten alles ab. Aber dort oben konnten sie mich sehen. Ich schaute nach unten und aus dem Gespräch verstand ich, dass sie nach mir suchten. Also kam ich runter und der Offizier sagte: ,Raus‘, er schrie mich an, wissen Sie. Und ich sagte: ,Ich muss auf die Toilette gehen‘. Und ich tanzte herum, ich musste auf die Toilette. ‚Nein‘, sagte er, ‚raus‘. ,Ich muss auf die Toilette‘. Und ich ging in Richtung der Toilette. Doch er sagte das ungefähr drei bis vier Mal und schließlich holte er seine Waffe heraus. Und ich ging nach draußen. Ich sah sein Gesicht, es hatte keinen Sinn, mit ihm zu streiten. Er machte sich bereit. Ich weiß nicht, ob er mich erschrecken wollte oder was, aber an seinem Gesicht konnte ich sehen, dass er wütend war. Also bin ich gegangen. Und ich wurde nie für diese Sache bestraft.“

Interview von Sandor Stern mit Saerina Tauritz am 4. September 1996. Verfügbar unter: https://vha.usc.edu/testimony/19392. (Visual History Archive, USC Shoah Foundation) (Übersetzung aus dem Englischen)