Arolsen (Bad Arolsen)

15. November 1943 – 29. März 1945

Das Lager

Im nordhessischen (Bad) Arolsen nahe Kassel mussten ab Mitte November 1943 Häftlinge des KZ Buchenwald Zwangsarbeit leisten. Im Süden der ehemaligen Residenzstadt unterhalb der Großen Allee waren seit 1870 militärische Verbände in einem Kasernenkomplex stationiert, seit 1935 auch Einheiten der Waffen-SS. Im Januar 1944 nahm die Führerschule des SS-Wirtschafts-Verwaltungshauptamtes (WVHA) hier ihren Betrieb auf. Für Umbau- und Einrichtungsarbeiten waren zuvor Häftlinge aus Buchenwald nach Arolsen gebracht worden. In der Führerschule wurden bis zu 1.000 Lehrgangsteilnehmer für den SS-Verwaltungsdienst ausgebildet. Im ebenfalls in Arolsen stationierten SS-Bekleidungslager kamen auch Häftlinge zum Einsatz. Ihre Unterbringung erfolgte im östlichen Teil einer umfunktionierten Werkzeug- und Maschinenhalle in mehreren Schlafsälen mit dreistöckigen Betten. In dem beheizbaren Gebäude gab es einen Aufenthaltsbereich, Sanitäranlagen und eine rudimentäre Krankenstation. In der Buchenwalder Lagerverwaltung trug das Außenlager in Arolsen den Decknamen „Arthur“.

Die Häftlinge

Am 15. November 1943 brachte die SS mit einem LKW die ersten 34 Häftlinge aus Buchenwald nach Arolsen. Weitere Überstellungen aus dem Hauptlager und aus dem Konzentrationslager Dachau folgten. Ende Januar 1944 waren es bereits 80 Häftlinge. Ihren Höchststand erreichte die Lagerbelegung Ende September mit 123 Häftlingen. Über den gesamten Zeitraum des Bestehens des Lagers tauschte die SS Häftlinge aus, so dass insgesamt 185 Männer das Lager durchliefen. Der Altersdurchschnitt lag bei 30 Jahren. Der Großteil von ihnen stammte aus Polen, der Sowjetunion und dem Deutschen Reich. Hinzu kamen Häftlinge aus Jugoslawien, der Tschechoslowakei, Frankreich und sechs weiteren Ländern. Fast alle galten als politische Häftlinge. Einige waren als „Asoziale“ oder als „Berufsverbrecher“ verfolgt worden. Als Funktionshäftlinge setzte die SS in erster Linie Deutsche ein. Belegt sind mindestens vier Fluchten und Fluchtversuche. Eine spektakuläre Flucht gelang vier Häftlingen: Mit einem Auto aus dem SS-Fuhrpark und SS-Uniformen aus dem Bekleidungslager entkamen sie am 4. Juni 1944. Sie schafften es unentdeckt bis nach Luxemburg und wurden nicht gefasst.

Zwangsarbeit

Die ersten Häftlinge in Arolsen gehörten zum Innenbaukommando. Von der SS als Facharbeiter anerkannt, mussten sie die Kasernengebäude für die SS-Führerschule renovieren und ausbessern. Auch das Einrichten der Häftlingsunterkunft gehörte zu ihren Aufgaben. Ab Anfang 1944 führten Häftlinge nahezu alle Hilfsarbeiten der SS-Führerschule und des SS-Bekleidungslagers aus. Zum Einsatz kamen sie in der Schneiderei, der Tischlerei, der Elektro- und Autowerkstatt, in der Küche und Kantine oder in der Friseurstube der SS. Einige arbeiteten auch als Gärtner oder Reinigungskräfte. Manche der Häftlinge waren bereits zuvor im Konzentrationslager Dachau zu ähnlichen Arbeiten eingesetzt gewesen. Schließlich mussten die Häftlinge auch vier Unterrichtsbaracken und ein Betonbecken als Löschwasserreservoir bauen. In der Regel wurde je nach Arbeitskommando ab 6.30 Uhr bzw. 7 Uhr bis 20 Uhr bzw. 20.30 Uhr, unterbrochen von zwei einstündigen Pausen, gearbeitet. Freie Sonntage sind nicht belegt, die Arbeitszeit war an diesen Tagen jedoch verkürzt.

Krankheit und Tod

Die medizinische Versorgung lag in der Verantwortung des SS-Standort- bzw. Truppenarztes. Als Häftlingspfleger setzte die SS den gelernten Weber Walter Erdmann aus dem thüringischen Gera ein. Ein kleiner Behandlungsraum in der Häftlingsunterkunft, nur notdürftig ausgestattet, stand ihm zur Verfügung. Berichten zufolge waren Lebensbedingungen und hygienische Verhältnisse in Arolsen vergleichsweise erträglich. Krankheitsbedingte Rücküberstellungen von Häftlingen nach Buchenwald bildeten die Ausnahme. Vermutlich überwogen Verletzungen infolge von Arbeitsunfällen, die ambulant behandelt wurden. Belegt sind Fälle von sogenannter Schonung, d.h. die tageweise Freistellung von Häftlingen von der Arbeit wegen Krankheit. Todesfälle gab es im Außenlager Arolsen keine.

Bewachung

Kommandoführer bis vermutlich März 1944 war ein SS-Unterscharführer namens Bernhard, danach der SS-Oberscharführer Friedrich Demmer (1893-1969). Auf ihn folgte Ende 1944 der SS-Oberscharführer Josef Franz Fischer (geb. 1884), zuvor Kommandoführer im Außenlager Leipzig-Engelsdorf. Ihnen standen eine aus Buchenwald abgestellte Wachtruppe von bis zu zwölf SS-Männern zur Verfügung. Um die Häftlinge auch in ihrer Unterkunft kontrollieren zu können, waren dort zwei Räume für die SS eingerichtet worden. Zusätzlich stellte die SS-Führerschule vermutlich eigene Posten zur Bewachung des SS-Bekleidungslagers. Berichten zufolge wurden die Häftlinge bei den Arbeitseinsätzen im Kasernengelände von Angehörigen der SS-Führerschule beaufsichtigt. Friedrich Demmer stand seit 1942 in Buchenwald und Sachsenhausen im KZ-Dienst. Ein amerikanisches Militärgericht in Dachau verurteilte ihn 1947 wegen der vermeintlichen Tötung eines Häftlings in Arolsen zu einer Haftstrafe von zehn Jahren. 1948 wurde er in einem Berufungsverfahren freigesprochen.

Räumung

Als amerikanische Truppen die Stadt Arolsen am 30. März 1945 erreichten, war das Außenlager kurz zuvor aufgelöst worden. 117 Häftlinge hatte die SS Tags zuvor Berichten zufolge zunächst zu Fuß nach Volkmarsen und von dort mit der Bahn über Kassel zurück in das Hauptlager Buchenwald gebracht.

Spuren und Gedenken

Der Kasernenkomplex wurde ab 1946 von den Alliierten als zentrale Such- und Auskunftsstelle genutzt. Das Central Tracing Bureau (CTB) und später der International Tracing Service (ITS) koordinierten dort die Suche nach NS-Opfern. Ab 1952 kam es wieder zu einer militärischen Nutzung des Geländes. Einige Gebäude – darunter die ehemalige Häftlingsunterkunft – sind bis heute erhalten und werden gewerblich genutzt. Im ehemaligen Stabsgebäude befindet sich seit 2012 das Dokumentationszentrum des Vereins „Historicum 20 – Forum Zeitgeschichte“. In der dortigen Ausstellung wird auch die Geschichte des Außenlagers Arolsen thematisiert. Im angrenzenden ehemaligen Gefängnishof errichtete der Verein 2022 mit Schülerinnen und Schülern der Christian-Rauch-Schule Arolsen einen Erinnerungsort für die 185 Häftlinge des Außenlagers Arolsen.

Link zum heutigen Standort des Erinnerungsortes auf GoogleMaps

Kontakt:
Historicum 20 – Forum Zeitgeschichte

Literatur:

Bernd Joachim Zimmer, Deckname Arthur: Das KZ-Außenkommando in der SS-Führerschule Arolsen, 2. Auflage, Kassel 1998.

Erinnerungsort im ehemaligen Gefängnishof, 2025
Erinnerungsort im ehemaligen Gefängnishof, 2025 ©Historicum 20