
Das Lager
Im Mai 1935 eröffnete die Junkers Flugzeug- und Motorenwerk AG ein weiteres Werk in Aschersleben, am Nordostrand des Harzes zwischen Magdeburg und Leipzig gelegen. Das Werk lag an der heutigen Walter-Kersten-Straße im Norden des Stadtzentrums neben einem Güterbahnhof. In der Flugzeugteile-Produktion setzten die Junkers-Werke seit Kriegsbeginn an ihren verschiedenen Standorten ausländische Zwangsarbeiter und Zwangsarbeiterinnen ein. Seit August 1944 griff die Werksleitung in Aschersleben zudem auf männliche Häftlinge aus dem Konzentrationslager Buchenwald zurück. Sie waren auf dem Werksgelände untergebracht. Im Januar 1945 schickte die SS zusätzlich 500 jüdische Frauen zur Zwangsarbeit nach Aschersleben. Die Frauen waren ebenfalls auf dem Werksgelände untergebracht, jedoch streng getrennt von den männlichen Häftlingen. Rund 200 von ihnen sperrte die SS Berichten zufolge in ein Nebengebäude von Halle V. Die Unterkünfte der übrigen befanden sich vermutlich an verschiedenen Stellen auf dem Werksareal; Überlebende berichteten von Baracken. Es gab Betten, Heizungen und fließendes Wasser. Bei Fliegeralarm mussten die Frauen tagsüber unter strenger Bewachung in den Bunker unter der Fabrik gehen – bei Alarm in der Nacht hingegen hatten sie in der Häftlingsunterkunft zu bleiben.
Bewachung
Die Wachmannschaft des Männerlagers unter dem Kommando des nicht näher bekannten SS-Hauptscharführers Reuter war auch für das Frauenaußenlager zuständig. Daher vergrößerte sie sich im Januar 1945 um einige SS-Aufseherinnen, die den inneren Betrieb des Frauenlagers kommandierten. Im März 1945 umfasste das Wachpersonal in Aschersleben insgesamt 73 SS-Männer und 11 SS-Aufseherinnen.
Ermittlungen der zentralen Stelle in Ludwigsburg wegen Häftlingstötungen während des Todesmarsches aus den beiden Lagern in Aschersleben wurden 1975 ergebnislos eingestellt.
Räumung
Ende März 1945 befanden sich in den beiden Außenlagern in Aschersleben noch 422 männliche und 495 weibliche Häftlinge. Die Räumung der Lager erfolgte vermutlich zwischen dem 6. und 11. April 1945. Die SS-Wachen trieben die Männer und Frauen zunächst zusammen in Richtung Osten nach Torgau. Unterwegs aufgeteilt in zwei Kolonnen, erreichte die erste mit dem größten Teil der Frauen bis 14. April 1945 Delitzsch, 20 Kilometer nördlich von Leipzig. Von dort brachte man sie mit dem Zug nach Leitmeritz (Litoměřice). 252 dieser Frauen kamen am 24. April 1945 in Theresienstadt an, wo sie später befreit wurden. Die übrigen Frauen blieben in Leitmeritz und erlebten erst um den 8. Mai 1945 auf einem Bahntransport in Richtung Süden ihre Befreiung.
Spuren und Gedenken
In Aschersleben gibt es heute keine Spuren des Außenlagers mehr. Die sowjetische Militäradministration enteignete nach dem Krieg die Junkers-Werke. Die meisten Gebäude auf dem Gelände wurden zerstört. Heute befindet sich dort ein Industriegebiet.
Seit 1977 steht auf dem Werksgelände in der Wilslebener Straße ein Denkmal in Erinnerung an die Opfer des Faschismus. In den 2000er-Jahren regte der Heimathistoriker Reiner Mühle an, zusätzlich eine Gedenk- und Informationstafel anzubringen, die ausdrücklich an die Häftlinge der beiden Außenlager des KZ Buchenwald erinnert. Sie konnte 2018 eingeweiht werden.
Link zum heutigen Standort auf GoogleMaps
Link zum Standort des Gedenksteins auf GoogleMaps
Literatur:
Irmgard Seidel, Aschersleben (Frauen) in: Wolfgang Benz u. Barbara Distel (Hg.), Der Ort des Terrors. Die Geschichte der nationalsozialistischen Konzentrationslager. Band 3: Sachsenhausen, Buchenwald, München 2006, S. 369-371.