Meijer Stad

(1919-2005)

Meijer Stad kam am 18. Oktober 1919 in Rotterdam zur Welt. Mit seiner Familie lebte er seit 1939 in Den Haag. Der begeisterte Sportler stammte aus einer jüdischen Familie. Während der deutschen Besatzung lebte er unter falschem Namen und engagierte sich im Widerstand. Er half, jüdische Familien zu verstecken. Im April 1944 wurde er in Den Haag verhaftet. Über die Konzentrationslager Herzogenbusch und Bergen-Belsen kam er Ende 1944 nach Buchenwald. Von dort schickte die SS ihn weiter nach Bad Salzungen. Auf einem Rücktransport ins Hauptlager wurde er im Februar 1945 bei einem Tieffliegerangriff schwer verletzt. Nach der Befreiung kehrte er in die Niederlande zurück, wo er als Geschäftsmann Karriere machte. Meijer Stad starb 2005.

„Der Aufzug hielt in einer Tiefe von ungefähr dreihundert Metern an. Unten im Bergwerk war es feucht und klamm und aus den mäßig beleuchteten Stollen schlug uns schale, muffige Luft entgegen.“

Aus den Erinnerungen von Meijer Stad

Das Lager im Salzstollen
„Eines Morgens wurden wir unmittelbar nach dem Appell in kleinen Gruppen von je ca. 30 Mann in einen baufälligen Aufzug geprügelt und dort ging es hinab. Der Aufzug hielt in einer Tiefe von ungefähr dreihundert Metern an. Unten im Bergwerk war es feucht und klamm und aus den mäßig beleuchteten Stollen schlug uns schale, muffige Luft entgegen.

Unsere Gruppe wurde von bewaffneten Soldaten durch das Tunnelsystem gejagt. Am Boden befanden sich Gleise. Nach einem Fußweg von ungefähr einer Viertelstunde waren da die ersten Kipploren: schwere Wagen, mit großen Fels- und Salzbrocken beladen. Hinter den Wagen lagen ein paar Strohhaufen. Dies sollte also unsere neue Bleibe werden, wo wir monatelang hausen würden. Mir wurde aufgetragen, abends die Runde mit dem Kochtopf zu machen und die dünne Kohlsuppe, oder was als das bezeichnet wurde, zu verteilen. Morgens beim Appell bekamen wir eine Scheibe hartes Vollkornbrot. Alles schmeckte salzig, auch das Trinkwasser aus den Fässern, die nur alle drei Tage erneuert wurden – insofern wir überhaupt noch ein Gefühl für die Zeit hatten.“

Zwangsarbeit unter Tage
„Die Arbeit war unheimlich schwer. Mit Gasmasken bohrten die Deutschen Löcher in die Wand, steckten dort Dynamitstangen hinein und sprengten das Ganze. Es gab dann eine enorme Staubwolke, die für sie durch die Gasmasken unproblematisch war. Uns prügelten sie dorthin, um die Felsbrocken und Salzblöcke wegzuschaffen, und danach wurde das Ganze mit Holzpfählen und Brettern gestützt. Sehr oft stürzte alles wieder ein und es wurden Häftlinge unter dem Schutt begraben. Schwerverletzten gaben sie gleich die Kugel, Leichtverletzte wurden vorläufig ins Stroh abtransportiert.

Auch der Weitertransport der Felsbrocken und des Salzes zum Aufzug war ein äußerst gefährliches Unterfangen. Die beladenen Loren zu viert einen steilen Stollen hinaufzuschieben war unmenschlich schwer. Auf dem Rückweg bekam die schwerfällige, schlecht bremsende Kipplore immer mehr Schwung und war kaum noch zu halten. Wenn man dann noch die Schläge der Gewehrkolben oder einer Peitsche mit hinzurechnet, sobald das Ganze nicht schnell genug vonstatten ging, dann versteht man auch, weshalb viele schon bald zusammenbrachen. Auf der Kipplore, zwischen den Felsbrocken, fuhren auch die Toten zum Aufzug.

Wir wussten nichts vom Leben über uns. Wir konnten nur spüren, wenn die Alliierten Bombardements ausführten. In diesem Falle fielen die spärliche Beleuchtung und auch die mangelhafte Belüftung aus und es wurde nicht weitergearbeitet. Wir blieben dicht aneinander gekauert sitzen und die Soldaten zogen sich zum Aufzug zurück, wo es eine kleine Notbeleuchtung gab.“

Rückkehr an die Oberfläche
„Eines Tages wurden die letzten Häftlinge zusammengetrieben. Man sah Menschen aus anderen Stollengängen, von deren Existenz wir noch nicht einmal gewusst hatten. Der Aufzug musste lediglich zweimal hochfahren, dann waren wir allesamt oben. […]

Als wir oben ankamen, blendete uns das Licht. Nach all diesen Wochen unter der Erde bei der kümmerlichen Funsel der Grubenlampe, konnten wir das Tageslicht kaum ertragen. Wir wurden wieder in den Baracken untergebracht, wo die meisten sich hingelegt hatten, um auf den Tod zu warten. Die Entbehrungen waren groß. Wer nur noch aufs Sterben wartete, dem wurde alles, was noch für einen Tauschhandel taugte, gestohlen. Niemand war noch im Stande zu arbeiten.“

Aus: M.I. Stad, Uit de dood herrezen, Amsterdam 1995. (Übersetzung aus dem Niederländischen)