
François Perrot kam am 29. November 1921 in Straßburg zur Welt. Nach der Besetzung Nordfrankreichs schloss er sich der Résistance an. In Paris, wo er Politikwissenschaften studierte, wurde er im März 1943 aufgrund einer Denunziation verhaftet und im September nach Buchenwald deportiert. Von Oktober 1943 bis zur Räumung des Lagers war er zur Zwangsarbeit in Berlstedt eingesetzt. Die Befreiung erlebte er nach Todesmärschen in Untertraubenbach in der Oberpfalz. Nach seiner Rückkehr nach Frankreich arbeitete er als Beamter, unter anderem im Kommissariat für Atomenergie. Ab den 1980er-Jahren übernahm er Funktionen in Überlebendenverbänden und anderen Gedenkinstitutionen wie der Fondation pour la Mémoire de la Déportation. François Perrot starb 2016 in Paris.
Aus den Erinnerungen von François Perrot
Von Buchenwald nach Berlstedt
„Die zwanzig des Transports der ‚21 00‘ werden zum großen Tor geführt, wo sie SS-Männer vorfinden, die einen Karren einrahmen, der von einem Esel gezogenen und von einem Kapo geführt wird. Es ist ein deutscher ‚Roter‘, klein, trocken, mit einem Arm, der in einem Stumpf endet. Nach einem letzten Blick auf den Zoo und den Hundezwinger, wo Bären und Hunde ein viel besseres Futter bekommen als die Häftlinge, nimmt die kleine Kolonne statt der Straße nach Weimar einen Feldweg, der nach Norden in die Ebene hinabführt. Sie geht an SS-Kasernen, Offiziersvillen und Häusern vorbei, in denen Prominente untergebracht sind, die zwar ihrer Freiheit beraubt, aber dennoch nicht dem KZ-Regime unterworfen werden; es wird gemunkelt, dass Léon Blum zu ihnen gehört. Dann, nach einem letzten kleinen Stück Wald, dem von Goethe geliebten Buchenwald, schreitet sie dem Schritt des Esels folgend durch die Felder. Die Straße nach Romain. Unter anderen Umständen könnte man sich an diesem schönen Herbsttag einen Waldspaziergang durch das ruhige Thüringen, ‚das grüne Herz Deutschlands!‘, und den Aufbruch zu einem Picknick mit Cadichon vorstellen. […] Allen wird strenges Schweigen auferlegt. Nur der Kapo unterhält sich mit seinem SS-Begleiter. Jeder von uns fragt sich, was ihn erwartet. Berlstedt liegt einige Kilometer entfernt, am Fuße des Ettersbergs. Es handelt sich um ein kleines Bauerndorf, an dessen Rand sich dieses Kommando, eine Außenstelle von Buchenwald, befindet. […] Jedenfalls lebten die Berlstedter neben dem ‚Kommando‘, das (im Gegensatz zum riesigen Buchenwald auf seinem Hügel inmitten eines Waldes, der selbst der Öffentlichkeit verboten war) in unmittelbarer Nähe des Dorfes lag und auf einer Seite von einer asphaltierten Straße und auf der gegenüberliegenden Seite von einem Feldweg gesäumt war, den die Bauern benutzten, um zu ihren Feldern zu gelangen. Unsere stumme Kolonne verlässt diesen Weg am Dorfeingang und erreicht über einige Dutzend Meter den Eingang des Kommandos, der die Inschrift DEST-BERLSTEDT trug. Es handelt sich um die DEST (DEUTSCHE ERD- UND STEINWERKE), einen Teil des Wirtschaftsimperiums der SS, der für Steinbrüche und Ziegeleien zuständig ist.“
Der Empfang durch die SS
„Die Wachen zählen die Ankommenden, und die Gestreiften folgen immer noch dem Esel und gehen zwischen einem Steinbruch und einer Fabrik hindurch zu einem rechteckigen Hof zwischen zwei langen Baracken, in dessen Mitte ein verglastes Wachhäuschen steht. Ein großer, hagerer und älterer SS-Mann kommt heraus, um die Neuankömmlinge zu begrüßen. Er bemüht sich sogar, uns auf Französisch anzusprechen. Kurz gesagt, Disziplin und Sauberkeit (‚la sanité‘, sagt er!) sind die wichtigsten Eigenschaften, die er von uns erwartet. Er ist der Leiter dieses Kommandos von etwa zweihundert Männern. Mit seinem grauen Schnurrbart unterscheidet er sich von den SS-Männern, die wir bisher getroffen haben, und würde eher wie ein Großvater in Soldatenkleidung aussehen, aber seine stählernen Augen machen diesen Eindruck wieder wett. Er hat den Rang eines Sturmscharführers.“
Die Bedingungen im Lager
„In Berlstedt gibt es eine Tongrube, eine riesige Grube, die eine Ziegelei versorgt, und natürlich werden die Neuankömmlinge in der Grube eingesetzt. Die Arbeit ist sehr hart: Schaufel, Spitzhacke, Loren, was durch den nahenden Winter noch verschlimmert wird. Berlstedt, von Kogon [Anm.: der Buchenwaldüberlebende Eugen Kogon] als eines der härtesten Kommandos in Buchenwald bezeichnet, hat einen paradoxen Aspekt. Außer bei einem Unfall stirbt man dort nämlich nicht. Wenn man sich für die Arbeit als Sträfling als untauglich erweist, wird man ins Lager zurückgeschickt und ... kommt, was kommt. So kam es, dass von unseren etwa 30 französischen und belgischen Neuen eine ganze Gruppe nach einigen Wochen ins Lager zurückgeschickt wurde, aus dem, glaube ich, 1945 niemand mehr zurückkehrte.“
Die Arbeit in der Keramikwerkstatt
„So geschah nach einem Jahr unter den harten Bedingungen des Steinbruchs, egal ob es schneite, regnete, stürmte oder sehr heiß war, eine Art Wunder. Neben der Ziegelei gab es eine Keramikwerkstatt, in der Vasen für die Nazi-Prominenz, Graburnen für die Toten der Waffen-SS und Kandelaber für die neuen SS-Männer hergestellt wurden, damit sie zu jeder Wintersonnenwende eine Art heidnischen Kult feiern konnten. […] Ende 1944 musste die Herstellung von Graburnen gesteigert werden, also musste die Belegschaft der Keramikwerkstatt aufgestockt werden. Hier zeigte sich das Schicksal: Ich wurde zusammen mit meinen beiden Kameraden aus der Franche-Comté ausgewählt. So verbrachten wir den letzten Winter im Warmen, was uns vielleicht das Leben rettete. Außerdem war die Keramikabteilung in der Hand von Bibelforschern (Zeugen Jehovas), einschließlich des Vorarbeiters. Sie waren seit zehn Jahren eingesperrt und waren Ausnahmen von Freundlichkeit in diesem brutalen Universum. Es machte uns Spaß, Dinge herzustellen, die weder wirtschaftlich noch militärisch von Bedeutung waren, aber wir sabotierten die Urnenproduktion diskret von Zeit zu Zeit aus Spaß.“
Aus: François Perrot, La route de Romain de « Sciences Po » à Buchenwald, Lavauzelle 2015, S. 85 ff. (Übersetzung aus dem Französischen)