Dortmund (Hüttenverein) (Frauen)

1. Oktober 1944 – 16. März 1945

Das Lager

Seit Juli 1944 verhandelte die Unternehmensleitung der „Dortmund-Hörder-Hüttenverein AG“ mit der SS über den Einsatz von KZ-Häftlingen in ihrer Geschossfabrik in der Huckarder Straße, westlich des Dortmunder Stadtzentrums. Von Kriegsbeginn an wurden hier ausländische Zwangsarbeitende eingesetzt. Nun kamen KZ-Häftlinge als zusätzliche Arbeitskräfte hinzu. Die vom Unternehmen geforderten männlichen Häftlinge standen jedoch nicht zur Verfügung, weshalb man sich auf den Einsatz von Frauen einigte. Anfang Oktober trafen die ersten weiblichen Häftlinge ein. Sie wurden in einem mehrgeschossigen Steingebäude mit vergitterten Fenstern in der Huckarder Straße (heute Hausnummer 111), direkt neben dem Werksgelände, untergebracht. Berichten zufolge befanden sich im Erdgeschoss eine Küche und eine Krankenstube. Die Räume für die Frauen waren im ersten Ober- und im Dachgeschoss. Ein unterirdischer Gang, in dem auch die Zählappelle abgehalten wurden, verband das Gebäude mit den Arbeitsplätzen in der Geschossfabrik.

Die Häftlinge

Am 1. Oktober 1944 trafen 400 als politische Häftlinge registrierte polnische Frauen aus dem Konzentrationslager Ravensbrück in Dortmund ein. Die meisten von ihnen stammten aus Warschau. Im Zuge der Niederschlagung des Warschauer Aufstandes gegen die deutschen Besatzer waren sie wenige Wochen zuvor aus ihrer Heimat verschleppt worden. Zum Teil handelte es sich um Mütter mit ihren Töchtern. Die jüngste von ihnen war die erst 13-jährige Jadwiga Witt aus Warschau. Ende November 1944 brachte die SS nochmals 347 Frauen aus Ravensbrück nach Dortmund. Rund die Hälfte von ihnen war aus der Sowjetunion nach Deutschland gebracht worden. Die übrigen Frauen stammten aus Polen, Deutschland, Ungarn, Jugoslawien, Frankreich, Belgien, den Niederlanden, der Tschechoslowakei, Litauen und Italien. Fast alle von ihnen galten als politische Häftlinge. Mit diesem Transport kam auch eine kleine Gruppe slowakischer Jüdinnen nach Dortmund. Durch Rücküberstellungen nach Ravensbrück, Fluchten und Tod reduzierte sich die Zahl der Frauen bis Anfang März 1945 auf rund 650.

„Die Bomber der Royal Air Force und die amerikanischen Bombenangriffe treffen das Fabrikgelände in Dortmund, wohin wir geschickt wurden und wo wir arbeiten.“
Margaret Guiness
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Zwangsarbeit

Die Frauen mussten in erster Linie in der Geschossfabrik arbeiten, wo Bomben und Granatenhülsen produziert wurden. Im Werk arbeiteten sie Seite an Seite mit ausländischen Zwangsarbeitenden und unter der Anleitung deutscher Zivilisten. Berichten zufolge waren die Frauen unter anderem an Drehbänken und Kränen eingesetzt oder sie mussten fertige Bomben mit Nitrolack besprühen. Schutzkleidung gab es keine. In den ersten Monaten wurde nur tagsüber von 6 bis 18 Uhr gearbeitet, später in 11-stündigen Tag- und 12-stündigen Nachtschichten mit jeweils einer Stunde Pause. Sonntags arbeitete in der Regel nur ein kleiner Teil der Frauen. Im Januar 1945 scheint es zu ersten Produktionsausfällen gekommen zu sein, vermutlich infolge von Luftangriffen. Am 10. März 1945 arbeiteten die Frauen zum letzten Mal in der Geschossfabrik. Für jede Frau zahlte die Hüttenverein AG eine Gebühr von vier Reichsmark pro Tag an die SS. Dies entsprach dem SS-Tarif für ungelernte Hilfsarbeiter.

Krankheit und Tod

Im Erdgeschoss der Häftlingsunterkunft bestand eine kleine Krankenstation. Für die notdürftige Versorgung der Kranken sorgten zunächst nur zwei Häftlingspflegerinnen. Erst Anfang Dezember 1944 brachte die SS die Ärztin Suzanne Dreyfus, eine französische Jüdin, aus dem Frauenaußenlager Wolfen nach Dortmund. Beaufsichtigt wurde die Krankenversorgung durch den SS-Sanitäter Noltenmeyer, der seinen Sitz jedoch in Essen hatte. Die Zahl der Kranken nahm stetig zu. Ende November 1944 waren 79 Frauen wegen Krankheit von der Arbeit freigestellt. Mindestens zwei Frauen wurden zur Behandlung in das städtische Krankenhaus Dortmund verlegt. Anfang Februar 1945 schickte die SS 82 nicht mehr arbeitsfähige Häftlinge zurück nach Ravensbrück. Bis zur Räumung des Lagers starben elf Frauen vor allem an Lungen- oder Herzerkrankungen. Die Toten ließ die SS im Krematorium in Dortmund einäschern oder erdbestatten. Mindestens fünf Frauen wurden auf dem Dortmunder Hauptfriedhof beigesetzt.

Meldung. Am 24. Februar 1945 meldete der Kommandoführer Krause des Außenlagers Dortmund den Tod der 29-jährigen Rosa Friedmann aus Kežmarok in der Slowakei an das Hauptlager in Buchenwald.
Am 24. Februar 1945 meldete der Kommandoführer Krause des Außenlagers Dortmund den Tod der 29-jährigen Rosa Friedmann aus Kežmarok in der Slowakei an das Hauptlager in Buchenwald. Ihr Leichnam wurde vermutlich eingeäschert. ©Arolsen Archives

Bewachung

Die Wachmannschaft bestand aus 13 zumeist älteren SS-Männern und acht SS-Aufseherinnen. Als Kommandoführer setzte die SS zunächst SS-Hauptscharführer Rudolf Beer (1880-1945) ein. Anfang 1945 wurde er vermutlich wegen Krankheit durch einen SS-Oberscharführer namens Krause ersetzt. Überlebende berichteten später, dass er die Frauen im Gegensatz zu seinem Vorgänger wiederholt schlug und trat. Die Aufseherinnen waren vor der Einrichtung des Außenlagers durch die Firmenleitung in der Belegschaft der Geschossfabrik angeworben worden. Nach ihrer freiwilligen Meldung erhielten sie im Frauenkonzentrationslager Ravensbrück eine mehrwöchige Ausbildung zu SS-Aufseherinnen. Ermittlungen der Staatsanwaltschaft Dortmund wegen Verbrechen im Außenlager führten in den 1960er-Jahren zu keinem Ergebnis. 1973 wurde das Verfahren eingestellt.

Räumung

Nachdem es vor Ort keine Einsatzmöglichkeiten mehr gab, brachte die SS alle noch in Dortmund befindlichen Frauen am 16. März 1945 per Zug in das Konzentrationslager Bergen-Belsen. 86 Frauen gelang es, bei einem Fliegerangriff zu fliehen. Was aus ihnen wurde, ist nicht bekannt.

Spuren und Gedenken

Nach dem Krieg wurde das Gelände der Geschossfabrik weiterhin durch die Eisen- und Stahlindustrie genutzt. Heute sind auf dem Gelände unter anderem verschiedene Logistikunternehmen angesiedelt. In dem ehemaligen Unterkunftsgebäude in der Huckarder Straße 111 befindet sich seit Ende der 1980er-Jahre eine außerbetriebliche Ausbildungsstätte der Handwerkskammer Dortmund. Die Geschichtswerkstatt Dortmund widmet sich seit den 1990er-Jahren der Aufarbeitung der Geschichte des Außenlagers. Ein Kunstwerk und eine kleine Dokumentation in einem Raum der Ausbildungsstätte erinnerten zunächst an das Außenlager. Im November 2022 wurde schließlich am ehemaligen Lagerstandort ein öffentlich zugängliches Mahnmal in Erinnerung an die dort untergebrachten Frauen eingeweiht. Entworfen von jungen Erwachsenen und Jugendlichen, wurde es im Ausbildungsgebäude der Handwerkskammer angefertigt.

Link zum heutigen Standort auf GoogleMaps

Mahnmal am ehemaligen Lagerstandort, 2025. Foto: Arnd Lülfing
Mahnmal am ehemaligen Lagerstandort, 2025. Foto: Arnd Lülfing ©Stadtarchiv Dortmund

Literatur:

Hans Müller, „Wir haben verziehen, aber nicht vergessen …“. Das KZ-Außenlager Buchenwald in Dortmund, Dortmund 1994.

Irmgard Seidel, Dortmund (Hüttenverein AG), in: Wolfgang Benz u. Barbara Distel (Hg.), Der Ort des Terrors. Geschichte der nationalsozialistischen Konzentrationslager. Band 3: Sachsenhausen und Buchenwald, München 2006, S. 416-418.


Margaret Guiness (Mitte) mit weiteren Überlebenden in Schweden, Juli 1945
Margaret Guiness (Mitte) mit weiteren Überlebenden in Schweden, Juli 1945 ©2025 USC Shoah Foundation
„Die Bomber der Royal Air Force und die amerikanischen Bombenangriffe treffen das Fabrikgelände in Dortmund, wohin wir geschickt wurden und wo wir arbeiten.“

Margaret Guiness

Margaret Guiness wurde am 3. Februar 1930 als Margita Wohlová in Košice in der heutigen Slowakei in eine jüdische Familie geboren. Nach dem deutschen Einmarsch floh sie im Frühjahr 1944 mit ihrer Schwester Božena nach Budapest, wo sie unter falschem Namen lebten. Wegen Spionageverdachts verhaftet, kamen die Schwestern über Auschwitz und Ravensbrück nach Dortmund. Ihre jüdische Herkunft hielten sie weiter geheim. Die 14-jährige Margita lebte in den Lagern als 17-jährige Maria Karolcsik. Nach der Befreiung kamen die beiden nach Schweden, wo Božena an den Folgen der Haft starb. 1949 ging Margita Wohlová in die USA. Dort heiratete sie Herbert Guiness und gründete eine Familie. Sie starb 2011 in Kalifornien.



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