Gregorio Pialli

(1911-2000)

Gregorio Pialli, ohne Datum
Gregorio Pialli, ohne Datum ©Familie Pialli

Gregorio Pialli wurde am 8. Januar 1911 in Barbarano Vicentino (Norditalien) geboren. Seit 1935 in der italienischen Armee, geriet er im September 1943 in deutsche Kriegsgefangenschaft. Er kam in das Kriegsgefangenenlager im thüringischen Bad Sulza und von dort im Herbst 1943 in das Buchenwalder Außenlager Dora. Von September 1944 bis Kriegsende musste er in Quedlinburg arbeiten. Nach seiner Rückkehr nach Italien wurde er Bürgermeister seiner Heimatstadt. Zudem war er 20 Jahre lang politischer Sekretär der Partei Democrazia Cristiana. Sein Leben lang setzte sich Gregorio Pialli für die Erinnerung an die Deportation in Schulen und bei Jugendlichen ein. Er starb im Jahr 2000 in seiner Heimatstadt.





„Morgens fuhren sie uns mit dem Lastwagen, um früh bei der Arbeit zu sein, aber abends holten sie uns nur selten ab, sodass wir den ganzen Weg zu Fuß zurückgehen mussten: sieben, acht Kilometer, manchmal sogar elf.“

Aus den Erinnerungen von Gregorio Pialli

Zwangsarbeit
„Schwere Arbeit, Hacke und Schaufel, wir waren ohne Wachen, mussten aber in einem fort arbeiten, sonst schlug Meister Adamo mit dem knorrigen Stock zu, den er bei sich hatte; er schlug gnadenlos zu. Wenn er uns abends nach der Arbeit zu den Wachen zurückbrachte, gab er ihnen einen Zettel, auf dem die Häftlingsnummern derer standen, die wenig arbeiteten, woraufhin die ‚Totenköpfe‘ [Anm: die SS-Männer] mit Gummiknüppeln auf sie eindroschen und drohten, sie nach ‚Dora‘ zurückzuschicken. In der ersten Zeit fuhren wir mit dem Zug, und während dieser Fahrten bekamen wir deutsche Menschen zu sehen; sie beeindruckten durch ihre Ernsthaftigkeit und die Art sich zu kleiden, viele trugen Trauer, sie sprachen nie und schauten uns mit Verachtung an. Wir hatten Holzschuhe, khakifarbene Hosen, Stoffjacken – Überbleibsel von verstorbenen Inhaftierten aus wer weiß welchem Land – und die gut sichtbare Häftlingsnummer. Wir hoben Gruben aus, die zwei Meter tief und vier Meter breit waren, eine kräftezehrende Arbeit; wir waren ständig auf Trab und arbeiteten von den Sternen frühmorgens bis zu den Sternen spätabends, mit nur einer einzigen Pause von einer Stunde zwischen zwölf und dreizehn Uhr. Wir mussten um vier Uhr aufstehen, tranken eine Art Kaffee und bekamen dann um acht Uhr abends einen halben Liter von irgendeinem wenig gehaltvollen Zeug, zweihundert Gramm Brot mit Margarine oder Marmelade, und um neun legten wir uns auf die Strohmatten zum Schlafen. Es gab noch weniger Essen als in ‚Dora‘, weil die zwei Wachen einen Teil der Lebensmittel klauten, die für uns bestimmt waren, um sie mit den Frauen zu vertilgen. Trotz allem waren wir besser dran, weil der Appell keine drei, vier Stunden dauerte wie in ‚Buchenwald‘ und es die Gräueltaten des Lagers mit den entsetzlichen Schreien der Gefolterten nicht gab.“

Unterkunft
„Einen Monat lang waren wir im Haus der italienischen Gefangenen untergebracht, dann holten sie uns zu unserem großen Leidwesen von dort weg, weil diese den Zivilistenstatus wiedererlangten, und so trennten wir uns schweren Herzens und kamen in einem Theatersaal unter. Die deutschen Industrieanlagen wurden ständig bombardiert und unsere Arbeit war dringend notwendig, weil in den Stollen in ‚Dora‘ Strom unerlässlich war. Aus dem Lager kamen an die zwanzig weitere Italiener, um einen weiteren Arbeitstrupp zu bilden. Ich arbeitete, immer gemeinsam mit meinem Kumpan, eine Zeitlang bei der Bautechnik; wir beide waren mit einem Ingenieur; ich trug die Holzstangen, Vermessungsstangen und Absteckungspflöcke, mein Kumpan die Kiste mit den optischen Geräten und dem Stativ. Mit dem Maßband maß ich die Abstände und schlug an den vom Ingenieur angegebenen Punkten die Absteckungspflöcke ein. Es war eine gerade Linie von Markierungen für die Gruben, in denen dann Gitter aufgestellt wurden. Das war keine schwere Arbeit, aber das ständige Hin- und Herlaufen durch das unebene Gelände war ermüdend, und am Abend konnten die Beine nicht mehr. Vagabundierend wie die Zigeuner mussten wir die Theaterunterkunft verlassen und wurden in ein kleines Verandazimmer am Rande eines Schwimmbads gebracht. Auf engstem Raum waren wir auf winzigen dreistöckigen Betten zusammengepfercht, das war nicht auszuhalten, und tatsächlich sagten sie, dass sie uns bald auch von dort ausquartieren würden. Unterdessen war die bautechnische Arbeit beendet und ich musste zum Grubentrupp zurück. Immer schlecht behandelt, mit schwerer Arbeit, Hunger und Schlaf, gedemütigt, immer als zu tötende Tiere angesehen, kontrolliert von Wachmännern der SS, die alles durchstöberten und uns schlugen bis zum Gehtnichtmehr.

Morgens fuhren sie uns mit dem Lastwagen, um früh bei der Arbeit zu sein, aber abends holten sie uns nur selten ab, sodass wir den ganzen Weg zu Fuß zurückgehen mussten: sieben, acht Kilometer, manchmal sogar elf; die armen Beine, wir waren müde, aber wir hielten durch, auch wenn es keinerlei Anzeichen dafür gab, dass dieser schlimme Krieg auf sein Ende zulief.“

Aus: Gregorio Pialli, Una voce da Buchenwald, 2023 Venedig, S. 56 f. (Übersetzung aus dem Italienischen)