Wewelsburg

3. Mai 1943 – 2. April 1945

Das Lager

SS-Chef Heinrich Himmler pachtete 1934 die Wewelsburg, ein ehemaliges Renaissance-Schloss aus dem 17. Jahrhundert in der gleichnamigen Ortschaft nahe der Stadt Büren in Westfalen. Der ursprüngliche Plan, dort eine „SS-Reichsführerschule“ einzurichten, wich bald dem Ziel, die markante Dreiecksburg zu einer zentralen Kult- und Versammlungsstätte für höchste SS-Offiziere auszubauen. Der Träger des Bauvorhabens war wie auch im thüringischen Kranichfeld die „Gesellschaft zur Förderung und Pflege deutscher Kulturdenkmäler e.V.“ Seit Mai 1939 setzte die SS in und um Wewelsburg Häftlinge aus dem KZ Sachsenhausen ein. Ab September 1941 firmierte das Lager als selbstständiges Konzentrationslager Niederhagen. Der Kriegsverlauf führte zur Beendigung des Projektes. Im Frühjahr 1943 löste die SS das Konzentrationslager auf. Für Instandhaltungsarbeiten blieben nur wenige Häftlinge weiter vor Ort. Dieses „Restkommando“ wurde im Mai 1943 dem KZ Buchenwald als neues Außenlager Wewelsburg unterstellt. Die Häftlinge waren in einer ehemaligen Werkstattbaracke im ansonsten leerstehenden Häftlingslager am Dorfausgang von Wewelsburg in Richtung Niederntudorf untergebracht. Die übrigen Gebäude des Lagers bezogen ab Herbst 1943 nach und nach volksdeutsche Umsiedler aus ehemals deutsch besetzten Gebieten.

Die Häftlinge

Von dem aufgelösten KZ Niederhagen verblieben 49 Häftlinge – nun dem KZ Buchenwald unterstellt – vor Ort. Außer zwei politischen Häftlingen gehörten sie alle der Glaubensgemeinschaft der Zeugen Jehovas, seinerzeit auch „Ernste Bibelforscher“ genannt, an und trugen deshalb einen violetten Winkel auf ihrer Häftlingskleidung. Die Zeugen Jehovas wurden verfolgt, weil sie sich dem Wehrdienst verweigerten und trotz Verbots weiterhin für ihre Gemeinschaft missionierten. Die Männer im Außenlager Wewelsburg waren größtenteils zwischen 40 und 45 Jahre alt und in handwerklichen Berufen als Tischler, Maurer oder Gärtner ausgebildet. Bis auf einen Österreicher stammten alle aus Deutschland. Die meisten von ihnen hatten eine langjährige KZ-Haft hinter sich und waren seit 1940 in Wewelsburg eingesetzt. Bis August 1944 verringerte sich die Belegung geringfügig auf 42 Häftlinge und blieb dann bis zur Befreiung im April 1945 konstant.

„Also müssen die Anschlüsse so gelegt werden, daß die Kontrollleuchten zwar brennen können, aber kein Strom in den Zaun gelangt.“
Max Hollweg
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Zwangsarbeit

Den Aussagen ehemaliger Häftlinge zufolge veränderten sich die Lebens- und Arbeitsbedingungen nach dem Baustopp im Frühjahr 1943 in Wewelsburg spürbar zum Besseren. Die Häftlinge waren nur noch für die Pflege und Instandhaltung des Burggeländes und des Barackenlagers zuständig. Die Werkstätten für handwerkliche Tätigkeiten befanden sich in dem Industrie- und Bauhof in der Nähe ihrer Unterkünfte. Im Umfeld des Lagers und im Dorf konnten sie sich relativ frei bewegen. Manche von ihnen halfen zeitweise auch der einheimischen Bevölkerung und ansässigen SS-Familien. Ein Teil der Häftlinge war damit beschäftigt, die von Heinrich Himmler zusammengetragenen Kunstschätze der Wewelsburg wie Gemälde, Teppiche oder Keramiken zu sichern und zu verstecken. Für alle begann die Arbeit täglich um 7.00 Uhr und endete je nach Jahreszeit zwischen 17.00 Uhr und 18.00 Uhr, unterbrochen von einer einstündigen Pause. Freie Sonntage sind nicht belegt, für gewöhnlich arbeiteten die Häftlinge auch an diesen Tagen bis zu sechs Stunden.

Krankheit und Tod

Für die medizinische Versorgung trug der in Büren ansässige Vertragsarzt Heinrich Hagel die Verantwortung. Gleichzeitig fungierte der 1875 geborene Mediziner als Standortarzt aller SS-Einheiten vor Ort. Das NSDAP-Mitglied mit dem Rang eines SS-Hauptsturmführers war bereits im Oktober 1940 als Lagerarzt für die Häftlinge in Wewelsburg zuständig. Außer bei den wöchentlich durchzuführenden sogenannten Ungezieferkontrollen wurde er jedoch nur bei schweren Krankheitsfällen hinzugezogen. Um die eigentliche Versorgung der Kranken kümmerte sich der Häftlingssanitäter Max Hollweg. Trotz der relativ erträglichen Bedingungen in Wewelsburg waren viele Häftlinge durch die langjährige KZ-Haft geschwächt und anfällig für Krankheiten: Sie litten beispielsweise unter Hautekzemen oder Erkältungs- und Magen-Darmerkrankungen. Hinzu kamen Verletzungen infolge von Arbeitsunfällen. Die stationären und ambulanten Behandlungen erfolgten in der Unterkunftsbaracke. Todesfälle sind für das Außenlager Wewelsburg nicht belegt.

Bewachung

Die Wachmannschaft in Wewelsburg bestand anfänglich aus zwölf, ab September 1944 aus neun und schließlich nur noch aus vier SS-Männern. Mitte Februar 1945 wurde sie wieder auf 14 Posten aufgestockt. Die SS-Männer waren vermutlich in unmittelbarer Nähe der Häftlingsunterkunft untergebracht. Den ersten Kommandoführer – bis Dezember 1943 SS-Unterscharführer Otto Jacob (geb. 1907) – beschrieben ehemalige Häftlinge später als rücksichtslosen Ausbeuter. Auf ihn folgten im Januar 1944 ein SS-Sturmmann namens Schiering und ab November 1944 SS-Rottenführer Johann Skupy (1914-1968). Über beide berichteten ehemalige Häftlinge später wohlwollend. Strafrechtliche Ermittlungen wegen Verbrechen im Außenlager Wewelsburg gab es nicht.

Befreiung

Ende März 1945 floh die SS-Burgmannschaft mit ihren Familien vor den anrückenden US-amerikanischen Truppen. Am 31. März versuchte ein Sprengkommando der Waffen-SS auf Befehl Heinrich Himmlers, die Wewelsburg zu zerstören, was nur teilweise gelang. Es kam zu Plünderungen durch die örtliche Bevölkerung. Am Ostermontag, den 2. April, befreiten US-Soldaten die noch vor Ort befindlichen 42 Häftlinge. Wann die SS-Wachmannschaft Wewelsburg verlassen hatte, konnte bisher nicht geklärt werden.

Ehemalige Häftlinge des Außenlagers Wewelsburg nach der Befreiung, Anfang Mai 1945
Ehemalige Häftlinge des Außenlagers Wewelsburg nach der Befreiung, Anfang Mai 1945. Als Ausdruck ihrer Zusammengehörigkeit zogen sie laut eigener Aussage für die Aufnahme wieder Teile der Häftlingskleidung an. ©Kreismuseum Wewelsburg

Spuren und Gedenken

Im ehemaligen Häftlingslager wurden nach dem Krieg zunächst ehemalige Zwangsarbeiter:innen („Displaced Persons“) später deutsche Flüchtlinge und Vertriebene untergebracht. In den Folgejahren entstand auf dem ehemaligen Lagergelände eine Wohnsiedlung und auf dem ehemaligen Industriehof eine Gewerbesiedlung. Der Abriss der letzten Baracken erfolgte 1967. Nach einer konfliktreichen öffentlichen Auseinandersetzung um den Umgang mit der SS-Vergangenheit Wewelsburgs in den 1970er-Jahren konnte 1982 eine Gedenkstätte mit Dauerausstellung als Einrichtung des Kreismuseums Wewelsburg errichtet werden. Die 2010 eröffnete Dauerausstellung „Ideologie und Terror der SS“ befindet sich im ehemaligen SS-Wachgebäude am Burgvorplatz. Seit 2000 existiert ein Mahnmal auf dem ehemaligen Appellplatz des Konzentrationslagers, mitinitiiert und betreut vom Verein „Gedenktag 2. April“.

Link zum heutigen Standort (mit Gedenkzeichen) auf GoogleMaps
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Kontakt:
Kreismuseum Wewelsburg/Erinnerungs- und Gedenkstätte Wewelsburg 1933-1945
Verein Gedenktag 2. April in Wewelsburg e.V. – Wider das Vergessen und für Demokratie

Literatur:

Jan Erik Schulte (Hg.), Die SS, Himmler und die Wewelsburg, Paderborn u.a. 2009.

Wulff E. Brebeck, Frank Huismann, Kirsten John-Stucke, Jörg Piron (Hg.), Endzeitkämpfer. Ideologie und Terror der SS, Berlin u. München 2011.

Kirsten John-Stucke, Wewelsburg und das KZ Niederhagen. Gelände, Nachnutzung und Gedenken, Paderborn 2023.


Max Hollweg, wenige Tage nach seiner Befreiung, April 1945
Max Hollweg, wenige Tage nach seiner Befreiung, April 1945 ©Jehovas Zeugen, Archiv Zentraleuropa
„Also müssen die Anschlüsse so gelegt werden, daß die Kontrollleuchten zwar brennen können, aber kein Strom in den Zaun gelangt.“

Max Hollweg

Max Hollweg wurde am 7. Dezember 1910 in Remscheid geboren. Er war das sechzehnte Kind einer der Glaubensgemeinschaft Zeugen Jehovas zugehörigen Familie. Aus Not zog die Großfamilie 1918 nach Marienfels im Taunus. Er absolvierte eine Maurerlehre und wirkte ab 1930 missionarisch für die Zeugen Jehovas. Da er sich weigerte, in NS-Organisationen beizutreten, verlor er wiederholt seine Arbeit. Die Gestapo verhaftete ihn 1938 und wies ihn in das KZ Buchenwald ein. Schwer gezeichnet von Krankheiten und Misshandlungen, kam er im Mai 1940 nach Wewelsburg, wo er später als Häftlingssanitäter eingesetzt wurde. Noch vor der Befreiung lernte er dort im benachbarten Umsiedlerlager seine spätere Ehefrau kennen. Sie blieben zunächst in Wewelsburg und zogen 1950 in die Gemeinde Schlangen (Kreis Lippe), wo Max Hollweg als Heilpraktiker tätig war. Er starb 2003.



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