Apolda

16. Februar 1945 – 12. April 1945

Das Lager

Das Konzentrationslager Buchenwald war infrastrukturell nicht nur mit Weimar, sondern auch mit Orten der näheren Umgebung eng verbunden. Dies galt auch für die gut 15 Kilometer nordöstlich von Weimar gelegene Stadt Apolda. Seit September 1939 belieferte eine Großbäckerei der sogenannten Verbrauchergenossenschaft „Thüringen“ Buchenwald täglich mit Brot. Mitte Februar wurde die Großbäckerei in der damaligen Sandgasse 3/5 (heute Bernhard-Prager-Gasse 1-7) zum Außenlagerstandort, als die Buchenwalder SS acht Häftlinge dauerhaft zur Arbeit in der Bäckerei abstellte. Berichten zufolge waren sie in einem Obergeschoss des Bäckereigebäudes untergebracht. Weitere Details sind nicht bekannt.
Ab Dezember 1944 mussten zeitweise bis zu 100 Häftlinge beim Reichsbahnbetriebsamt Weimar für den Gleiserhalt der Bahnstrecke Weimar-Apolda arbeiten. Diese Häftlinge kehrten jeden Abend zurück in das Hauptlager auf dem Ettersberg.

Die Häftlinge

Am 16. Februar 1945 brachte die SS acht Häftlinge aus dem Hauptlager Buchenwald nach Apolda. Als ausgebildete Bäcker oder sogar Bäckermeister wurden sie für die Arbeit in Apolda ausgewählt. Die Männer im Alter von 42 bis 64 Jahren gehörten alle der Glaubensgemeinschaft der Zeugen Jehovas, damals zumeist als Bibelforscher benannt, an. Fast alle hatten jahrelange Aufenthalte in Gefängnissen und Konzentrationslagern hinter sich. Martin Bertram aus Frankfurt am Main, Otto Hörnig aus Lützen bei Leipzig und Otto Berthold aus dem sächsischen Oberlungwitz etwa waren bereits seit 1937 im Konzentrationslager Buchenwald inhaftiert. Weitere Überstellungen nach Apolda gab es nicht. Die acht Häftlinge blieben bis zur Befreiung im April 1945 vor Ort.

Transportliste mit den Namen der nach Apolda überstellten Häftlinge, 16. Februar 1945
Transportliste mit den Namen der nach Apolda überstellten Häftlinge, 16. Februar 1945 ©Arolsen Archives
„Ich erhielt den Auftrag, mir ca. 8 Bibelforscher, Bäcker oder Bäckermeister, zu suchen, aber nur Brüder, keine anderen Häftlinge, um in Apolda Brot zu backen.“
Martin Bertram
Zum Erinnerungsbericht

Zwangsarbeit

Berichten zufolge arbeiteten die Häftlinge nicht an den Backöfen, sondern mit angestellten Bäckern an den Backtischen, wo die Backwaren zubereitet wurden.

Krankheit und Tod

Über mögliche Erkrankungen und deren Versorgung liegen keine Informationen vor. Krankheitsbedingte Rücküberstellungen in das Hauptlager gab es keine. Todesfälle sind keine dokumentiert.

Bewachung

Über die Bewachung liegen kaum gesicherte Informationen vor. Für Ende Februar 1945 ist belegt, dass zwei SS-Männer niederen Dienstranges die Häftlinge in Apolda beaufsichtigten.

Befreiung

Die SS ließ die acht Häftlinge Anfang April 1945 nicht zurück in das Hauptlager bringen. Sie blieben in der Großbäckerei, wo sie am 12. April 1945 von eintreffenden US-Soldaten befreit wurden.

Spuren und Gedenken

Am ehemaligen Standort der Großbäckerei befindet sich heute ein Einkaufszentrum. Nichts erinnert vor Ort an die Existenz des Außenlagers.

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Martin Bertram, 1920er-Jahre
Martin Bertram, 1920er-Jahre ©Jehovas Zeugen, Archiv Zentraleuropa
„Ich erhielt den Auftrag, mir ca. 8 Bibelforscher, Bäcker oder Bäckermeister, zu suchen, aber nur Brüder, keine anderen Häftlinge, um in Apolda Brot zu backen.“

Martin Bertram

Martin Bertram wurde am 13. April 1896 in Oberrad (heute ein Stadtteil von Frankfurt am Main) geboren. Im Alter von 29 Jahren bekannte sich der Bäckermeister zur Glaubensgemeinschaft der Zeugen Jehovas. Wegen seines Glaubens und weil er jüdische Kunden bediente, verfolgten ihn die Nationalsozialisten und zwangen ihn, seine Bäckerei in Frankfurt aufzugeben. Ende September 1936 wurde er verhaftet. Nach Monaten im Gefängnis kam er über das Konzentrationslager Lichtenburg Ende Juli 1937 nach Buchenwald. Dort musste er u.a. in der Häftlingsküche arbeiten. Er gehörte zu den acht Männern, die die SS im Februar 1945 nach Apolda brachte. Nach der Befreiung kehrte er nach Frankfurt zurück, wo er wieder in den Besitz der Bäckerei gelangte. Er starb am 20. November 1988.



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