Düsseldorf-Derendorf

1. September 1944 – 3. März 1945

Das Lager

Die Rheinmetall-Borsig AG (heute Rheinmetall AG) war während der NS-Zeit eines der größten deutschen Rüstungsunternehmen. In Düsseldorf verfügte es über verschiedene Produktionsstandorte. Neben Zwangsarbeitern, Zwangsarbeiterinnen und Kriegsgefangenen aus den deutsch besetzten Ländern Europas setzte der Konzern auch KZ-Häftlinge in seinen Werken in Düsseldorf ein. Seit November 1943 existierte in Düsseldorf-Flingern unter dem Tarnnamen „Berta“ bereits ein erstes Buchenwalder Außenlager, deren Insassen für Rheinmetall-Borsig arbeiten mussten. Im September 1944 richtete der Konzern ein zweites Lager in Düsseldorf-Derendorf ein. Untergebracht wurden die Häftlinge im Keller einer Fabrikhalle auf dem Gelände der Rheinmetall-Borsig AG an der Rather Straße 31. Die Buchenwalder Lagerverwaltung führte das neue Lager unter der Bezeichnung „Borsig“. Die administrative Verbindung mit dem Lager in Düsseldorf-Flingern war so eng, dass „Berta“ in einigen SS-Unterlagen als Hauptlager von „Borsig“ genannt wird.

Die Häftlinge

Am 1. September 1944 verließen 300 Häftlinge Buchenwald in Richtung Düsseldorf-Derendorf. Weitere Überstellungen in das Lager „Borsig“ sind nicht bekannt. Die Männer waren zwischen 15 und 61 Jahren alt und mehr als die Hälfte von ihnen als politisch kategorisierte Häftlinge aus der Sowjetunion und Polen. Viele von ihnen kamen erst zwei Wochen zuvor aus dem Konzentrationslager Auschwitz nach Buchenwald. Die übrigen Männer stammten aus Italien, der Tschechoslowakei, Frankreich oder Deutschland. Die meisten trugen ebenfalls den roten Winkel der politischen Häftlinge an ihrer Kleidung. In der kleinen Gruppe der deutschen Häftlinge befanden sich einige Männer, die als „Berufsverbrecher“ oder „Asoziale“ in das Konzentrationslager eingewiesen worden waren. Als Lagerältesten setzte die SS den deutschen Häftling Wilhelm Roth aus Frankfurt am Main ein. Durch 16 nachgewiesene Fluchten, Todesfälle und die Rücküberstellung von Kranken verringerte sich die Häftlingszahl im Lager „Borsig“ bis März 1945 auf rund 250 Häftlinge.

Zwangsarbeit

Über die Zwangsarbeit der Häftlinge in Düsseldorf-Derendorf liegen bisher nur sehr wenige Informationen vor. Die Männer mussten für die Rheinmetall-Borsig AG arbeiten, vermutlich im Werk in Derendorf, auf dessen Gelände sich auch das Lager befand. Ob die Häftlinge – wie jene im Rheinmetall-Lager „Berta“ – auch in der Produktion von Behältern für Raketen eingesetzt waren, ist nicht eindeutig belegt. Dokumentiert ist hingegen der tageweise Einsatz von Häftlingen bei Verladearbeiten am nahegelegenen Bahnhof.

Krankheit und Tod

Unter den im September 1944 nach Derendorf gebrachten Häftlingen befanden sich keine Häftlingspfleger und kein Häftlingsarzt. Ob es vor Ort eine Krankenstation gab oder die Kranken über das Außenlager „Berta“ in Düsseldorf-Flingern mitversorgt wurden, ist nicht bekannt. Ende November 1944 schickte die SS 19 kranke Häftlinge aus Derendorf zusammen mit 43 weiteren Männern aus dem Lager „Berta“ zurück nach Buchenwald. Ein Teil von ihnen litt an Tuberkulose, andere waren erblindet oder verletzt. Zwei der überstellten Kranken aus dem Lager „Borsig“ starben wenige Tage nach ihrer Ankunft im Hauptlager. Im Lager in Derendorf kamen bei einem Luftangriff am 2. November 1944 elf Häftlinge ums Leben.

Bewachung

Der Kommandoführer des Außenlagers „Berta“ in Düsseldorf-Flingern, SS-Oberscharführer Walter Knauf (1914-1977) war gleichzeitig auch Kommandoführer des Lagers in Derendorf. Nach der Räumung der Lager in Düsseldorf wechselte der gelernte Friseur in gleicher Funktion in das Außenlager Bad Salzungen („Ludwig Renntier“). Die Wachmannschaft vor Ort bestand aus örtlichen Polizeibeamten, die vom Düsseldorfer Polizeipräsidenten abgestellt wurden. Sie standen unter der Leitung des Oberleutnants der Schutzpolizei Paul Packebusch. Wie viele Polizisten für Wachaufgaben in Derendorf eingesetzt waren, ist nicht bekannt.
Die britische Militärregierung überprüfte nach dem Krieg die Verhältnisse im Düsseldorfer Werk der Rheinmetall-Borsig AG. Hierbei ging es aber vor allem um die Behandlung der Zwangsarbeiter und Zwangsarbeiterinnen, nicht um die KZ-Häftlinge. Ein Schwurgericht in Düsseldorf verurteilte Walter Knauf 1950 wegen Verbrechen in den Düsseldorfer Außenlagern zu zehn Jahren Zuchthaus. Ermittlungen in den 1970er-Jahren führten zu keinen weiteren Verurteilungen.

Räumung

Am 2. März 1945 gab Oberstleutnant der Schutzpolizei Karl Brumshagen wegen der herannahenden amerikanischen Truppen den Befehl, die Lager „Berta“ und „Borsig“ zu räumen. Am nächsten Tag wurden die Häftlinge zu Fuß in Richtung Osten getrieben. Über Erkrath und Hochdahl (wo die Kolonne in einen Luftangriff geriet) ging es zu Fuß nach Wermelskirchen und von dort, auf Güterzüge verladen, nach Buchenwald. Am 10. März registrierte die SS die Ankunft von 603 Häftlingen aus dem Lager „Berta“ und 249 Häftlingen aus dem Lager „Borsig“ im Hauptlager. Wie viele Männer den Todesmarsch nicht überlebten und wie vielen unterwegs die Flucht gelang, ist nicht bekannt.

Spuren und Gedenken

Ein Teil des Werksareales befindet sich heute noch im Besitz der Rheinmetall AG und fungiert als Geschäftsstelle. Das gesamte Gelände wurde stark überbaut, so dass nur noch wenige Überreste aus der Lagerzeit existieren. Die Bezirksvertretungen 1, 2, 3 und 5 der Stadt Düsseldorf beauftragten 2014 die Mahn- und Gedenkstätte Düsseldorf, die Geschichte der Düsseldorfer KZ-Außenlager aufzuarbeiten. In einem nächsten Schritt erarbeiteten Schülerinnen und Schüler bis 2017 in einem stadtweiten Schulprojekt zusammen mit der Mahn- und Gedenkstätte Düsseldorf Erinnerungszeichen, die an den ehemaligen Lagerstandorten im Düsseldorfer Stadtgebiet errichtet wurden. An der Rather Straße steht ein Erinnerungszeichen für das KZ-Außenlager „Borsig“.

Link zum heutigen Standort auf GoogleMaps
Link zum Standort des Erinnerungszeichens auf GoogleMaps

Kontakt:
Mahn- und Gedenkstätte Düsseldorf

Literatur:

Peter Henkel, Die Düsseldorfer KZ-Außenlager. Der Einsatz von KZ-Häftlingen in Düsseldorf zwischen 1942 und 1945, Düsseldorf 2016.

Rafael R. Leissa, Düsseldorf-Derendorf („Berta“), in: Wolfgang Benz u. Barbara Distel (Hg.), Der Ort des Terrors. Geschichte der nationalsozialistischen Konzentrationslager. Band 3: Sachsenhausen, Buchenwald, München 2006, S. 426-428.