Düsseldorf-Flingern

1. November 1943 – 3. März 1945

Das Lager

Die Rheinmetall-Borsig AG (heute Rheinmetall AG) war während der NS-Zeit eines der größten deutschen Rüstungsunternehmen. In Düsseldorf unterhielt sie verschiedene Produktionsstandorte. 1942 pachtete das Unternehmen die Werkhallen des sogenannten Hohenzollernwerks, einer ehemaligen Lokomotivfabrik im Düsseldorfer Arbeiterviertel Flingern-Nord, und richtete dort ein Leichtmetall-Presswerk ein. Zunächst mussten in dem Werk vor allem Zwangsarbeitende und Kriegsgefangene arbeiten. 1943 vereinbarte das Unternehmen mit der SS, zusätzlich KZ-Häftlinge einzusetzen. Die im November 1943 eintreffenden Häftlinge wurden in einer Fabrikhalle auf dem Werksgelände im Bereich der heutigen Neumannstraße 2 untergebracht. Dort schliefen sie in dreistöckigen Etagenbetten. Die SS führte das neue Außenlager unter dem Tarnnamen „Berta“. Bis Mai 1944 war es ein Unterlager der in Köln-Deutz stationierten SS-Baubrigade III, danach ein eigenständiges Außenlager des KZ Buchenwald. Ab September 1944 existierte in Düsseldorf-Derendorf ein zweiten Außenlager für die Rheinmetall-Borsig AG. Administrativ wurde es dem Lager „Berta“ unterstellt. Die Lebensmittel für die Häftlinge bezog die SS von Geschäften aus der Umgebung des Lagers.

Die Häftlinge

Am 1. November 1943 brachte die SS die ersten 94 Häftlinge aus dem Lager der SS-Baubrigade III in Köln-Deutz nach Düsseldorf-Flingern. Ihre Aufgabe war es zunächst, das Lager einzurichten. In den folgenden Wochen trafen weitere Häftlinge aus Köln-Deutz, Duisburg und dem Hauptlager Buchenwald ein. Zur Jahreswende 1943/44 befanden sich 438 Häftlinge im Lager „Berta“. Durch Überstellungen aus und in andere Lager und Fluchten und Todesfälle schwankte die Zahl der Häftlinge in der Folgezeit zwischen 350 und 440. Nach dem Eintreffen von 300 Männern aus Buchenwald stieg sie im September 1944 auf ihren Höchstwert von über 660. 80 Prozent der Männer im Lager „Berta“ stammten aus der Sowjetunion und aus Polen, die übrigen kamen aus der Tschechoslowakei, Italien, den Niederlanden, Frankreich, Jugoslawien, Deutschland, Litauen, Luxemburg und anderen Ländern. Fast alle galten als politische Häftlinge. Als Lagerältesten setzte die SS zunächst den deutschen politischen Häftling Max Schönwald ein. Auf ihn folgte im April 1944 der deutsche Häftling Hugo Bern[dt], der als Sinto in das Konzentrationslager eingewiesen worden war.

Zwangsarbeit

Die Männer mussten im Leichtmetall-Presswerk der Rheinmetall-Borsig AG Zwangsarbeit leisten. Zu ihren Aufgaben in der Produktion zählte das Schweißen und Wachsen von Behältern, die u.a. in der Raketenfertigung zum Einsatz kamen. Daneben errichteten die Häftlinge weitere Werkhallen auf dem Gelände und legten fünf Splitterschutzgräben aus Stampfbeton für 600 Personen an, von denen nur zwei fertiggestellt wurden. Die Häftlinge galten zunächst alle als Hilfsarbeiter, für die die Werksleitung 4 Reichsmark pro Tag an die SS zahlte. Für den Zeitraum von September 1944 bis Februar 1945 sind in SS-Unterlagen auch bis zu 140 Facharbeiter mit einer Leihgebühr von 6 Reichsmark pro Tag verzeichnet. Über die Arbeitszeit ist lediglich bekannt, dass nachdem die Sonntage anfänglich einsatzfrei waren, ab 1944 in begrenztem Umfang sonntags gearbeitet wurde. Mit Prämien versuchte das Werk, die Einsatzbereitschaft der ausgehungerten Häftlinge zu steigern.

Krankheit und Tod

Berichten zufolge sollen die hygienischen Verhältnisse in der Anfangszeit sehr schlecht und die Unterkunft mit Ungeziefer verseucht gewesen sein. Anfang 1944 wurde in der zur Unterkunft umfunktionierten Werkhalle eine improvisierte Krankenstation eingerichtet. Als Häftlingsarzt setzte die SS den französischen Mediziner Georges Schoengrun ein, dem einige Pfleger zur Seite standen – alle unter der Aufsicht eines SS-Sanitäters namens Verheyen. Als Vertragsarzt fungierte ein Arzt namens Dr. Kaupert. Im April 1944 und November 1944 schickte die Lagerführung in zwei Transporten 70 kranke Häftlinge zurück nach Buchenwald. Vor Ort im Lager in Flingern starben nachweislich mindestens 21 Häftlinge. Vier von ihnen erschossen die Wachen bei Fluchtversuchen. Drei Häftlinge kamen durch Vergiftungen ums Leben, nachdem sie vor Hunger Blumenzwiebeln gegessen hatten, die übrigen mehrheitlich durch Tuberkulose. Die Toten wurden im Krematorium der Stadt Köln eingeäschert; die Urnen in der Regel auf dem Kölner Westfriedhof beigesetzt. Belegt sind zudem einzelne Bestattungen auf Düsseldorfer Friedhöfen.

Bewachung

Als Kommandoführer setzte die Buchenwalder SS zunächst einen SS-Oberscharführer namens Sieghardt ein. Vermutlich handelte es sich um Josef Sieghardt (geb. 1896), der zuvor das Außenlager in Suhl kommandierte. Er wurde im März 1944 von SS-Oberscharführer Walter Knauf (1914-1977) abgelöst. Die Bewachung des Lagers übernahmen vorerst 60 Schutzpolizisten. Für den Wachdienst vom Düsseldorfer Polizeipräsidenten abgeordnet, wurden sie später durch Angehörige des Sicherheits- und Hilfsdienstes (1940 als Teil der Schutzpolizei gegründet, meist aus Männern, die für den Frontdienst zu alt waren) unter Aufsicht des Polizeimeisters Martin Ludwig ersetzt.
Lediglich Knauf, der später noch ein Außenlager in Bad Salzungen befehligte, wurde wegen seiner Verbrechen im Lager „Berta“ 1950 von einem Düsseldorfer Schwurgericht zu zehn Jahren Zuchthaus verurteilt. Weitere Ermittlungen führten in der zweiten Hälfte der 1940er-Jahre und in den 1970er-Jahren zu keinem Ergebnis.

Räumung

Am 2. März 1945 gab Oberstleutnant der Schutzpolizei Karl Brumshagen wegen der herannahenden amerikanischen Truppen den Befehl, die Lager in Flingern und Derendorf zu räumen. Am nächsten Tag trieb die Wachmannschaft die Häftlinge in Richtung Osten. Über Erkrath und Hochdahl (wo der Transport in einen Luftangriff geriet) ging es zu Fuß nach Wermelskirchen. Dort wurden die Häftlinge in Güterzüge verladen, die sie nach Buchenwald brachten. Am 10. März registrierte die SS die Ankunft von 603 Häftlingen aus dem Lager „Berta“ im Hauptlager. Wie viele Männer den Räumungstransport nicht überlebten und wie vielen unterwegs die Flucht gelang, ist nicht bekannt.

Spuren und Gedenken

Die einstige Hauptverwaltung des Presswerkes ist das einzige Gebäude aus der Lagerzeit, das noch steht. Der Rest des ehemaligen Werksgeländes ist überbaut. In unmittelbarer Nähe des ehemaligen Lagerstandortes befinden sich heute Dienstleistungsbüros. Die Bezirksvertretungen 1, 2, 3 und 5 der Stadt Düsseldorf beauftragten 2014 die Mahn- und Gedenkstätte Düsseldorf, die Geschichte der Düsseldorfer KZ-Außenlager aufzuarbeiten. In einem nächsten Schritt erarbeiteten Schülerinnen und Schüler bis 2017 in einem stadtweiten Schulprojekt zusammen mit der Mahn- und Gedenkstätte Düsseldorf Erinnerungszeichen, die an den ehemaligen Lagerstandorten im Düsseldorfer Stadtgebiet errichtet wurden. An der Schlüterstraße steht ein Erinnerungszeichen für das KZ-Außenlager „Berta“.

Link zum heutigen Standort auf GoogleMaps
Link zum Standort des Erinnerungszeichens auf GoogleMaps

Kontakt:
Mahn- und Gedenkstätte Düsseldorf

 

Literatur:

Peter Henkel, Die Düsseldorfer KZ-Außenlager. Der Einsatz von KZ-Häftlingen in Düsseldorf zwischen 1942 und 1945, Düsseldorf 2016.

Rafael R. Leissa, Düsseldorf („Berta“), in: Wolfgang Benz u. Barbara Distel (Hg.), Der Ort des Terrors. Geschichte der nationalsozialistischen Konzentrationslager. Band 3: Sachsenhausen, Buchenwald, München 2006, S. 424-426.