Biografie
Karel Sperber wurde am 16. März 1910 in Tachov im heutigen Tschechien geboren. In Prag und in Wien studierte er Medizin. Nach dem deutschen Einmarsch in die Tschechoslowakei floh er nach England und heuerte als Schiffsarzt bei der britischen Handelsmarine an. Ein deutsches Kriegsschiff versenkte sein Schiff im November 1941 vor Sumatra, zusammen mit der Crew geriet Karel Sperber in Gefangenschaft. Weil er aus einer jüdischen Familie stammte, wurde er Ende 1942 nach Auschwitz deportiert. Unter anderem war er als Häftlingsarzt in Auschwitz-Monowitz eingesetzt. Mit einem Räumungstransport kam er Ende Januar 1945 nach Buchenwald und Mitte März 1945 ins Außenlager Berga, wo er erneut als Häftlingsarzt arbeitete. Er floh vom Todesmarsch, kehrte nach England zurück und war wieder als Schiffarzt tätig. Er starb 1957 in Accra in Ghana.
Aus den Erinnerungen von Karl Sperber
Von Auschwitz über Buchenwald nach Berga
„Ich traf viele meiner alten Freunde aus Auschwitz und versuchte, etwas länger im Hauptlager zu bleiben. [...] Als Neuling konnte ich im Hauptlager aber keine Beschäftigung finden, und so wurde ich am 17. März als Häftlingsarzt in eines der vielen Außenlager, nach Schwalbe fünf, geschickt, ein Tarnname für Berga an der Elster, das etwa 80 Meilen östlich von Buchenwald liegt. Der Transport bestand aus etwa 500 Personen, viele von ihnen waren Spezialmechaniker und Fabrikarbeiter, die aus einer Junkers-Flugzeugfabrik zurückgeschickt worden waren, die wegen Materialmangels geschlossen worden war. Es waren hauptsächlich Russen und Polen, ein paar Franzosen und Niederländer und ein paar Tschechen. Diesmal waren wir sechzig Personen in einem geschlossenen Güterwaggon, der von sadistischen Wächtern sehr gut bewacht wurde. Wir fürchteten nur einen Angriff der alliierten ‚Typhoons‘ [Anm.: Jagdflugzeuge], die überall im Land Züge angriffen, wie wir gehört hatten.“
In Berga
„Es war wieder ein furchtbar schmutziger Ort. Die Wohnräume befanden sich in einer stillgelegten Werkstatt. 300 ausgewählte, halbtote Körper lagen und saßen in dem improvisierten Waschraum und warteten darauf, ins Hauptlager zurückgeschickt zu werden. Die meisten von ihnen konnten nicht einmal mehr die wenigen Meter vom Lager zum Bahnhof kriechen oder gehen.
Der Lagerkommandant SS-Hauptsturmführer Rohr, ein ehemaliger Hauptmann der deutschen Wehrmacht, galt als guter Mensch. [...]
Über 1.800 Häftlinge waren mit der Errichtung einer unterirdischen Fabrik im nahe gelegenen Berghang beschäftigt, die zur Herstellung von synthetischem Benzin dienen sollte. Mit Bohrmaschinen und Dynamit wurden 15 Stollen gegraben. Die Belüftung war sehr schlecht, und die Häftlinge mussten die Steine und das Erdreich, die aus den Tunneln entfernt wurden, auf kleine Loren laden, die das Erdreich usw. an die Außenseite der Tunnel beförderten. Das war eine sehr schwere Arbeit, zumal die Häftlinge nur 250 Gramm Brot pro Tag bekamen, was etwa drei Scheiben entspricht. Außerdem durften sie einen halben Liter Steckrübensuppe zu sich nehmen und mussten bei dieser Kost täglich 17 Stunden arbeiten. Natürlich wurden sie bei ihrer Arbeit angetrieben und geschlagen, um sie zu schnellerer Arbeit zu bewegen.
Das ganze Lager war voller Läuse, und es gab keine Waschgelegenheiten und einige Monate lang keine Ausräucherungsanlage, so dass sich die Läuse natürlich vermehrten, bis wir buchstäblich Millionen von ihnen hatten. Glücklicherweise gab es keinen Typhus. Der SS-Führungsstab drängte auf eine rasche Errichtung der Fabrik, und der befehlshabende SS-Offizier Hack, ein alter brutaler Nazi, griff zu extremen Maßnahmen, um den Bau fertigzustellen, da es in ganz Deutschland nur drei weitere große Fabriken für die Herstellung von synthetischem Benzin gab, von denen zwei bereits in russischer Hand waren. Es gab also reichlich zu tun, und Material und Werkzeuge schienen im Überfluss vorhanden zu sein. Täglich gab es mindestens 11 Tote, und ein fitter Mann konnte normalerweise 3-5 Wochen durchhalten.“
Die Krankenstation
„Die Krankenstation, wenn man sie als solche bezeichnen kann, war in einem schrecklichen Zustand. Es gab nur einen Raum mit etwa 25 Betten, praktisch keine Instrumente oder Medikamente, letztere mussten wir uns von der örtlichen Apotheke erbetteln. Gott sei Dank war ich nur 3 Wochen dort, denn unter diesen Bedingungen konnte kein Mensch auf der Welt hoffen, als Arzt zu praktizieren. Ich konnte meinen Patienten wenig oder gar nicht helfen, und meine einzige Arbeit schien das Unterschreiben von Totenscheinen zu sein. Es gab auch einige ungarische Ärzte, die keine Erfahrung mit Konzentrationslagern hatten und sich völlig nutzlos und hoffnungslos fühlten.
Ich konnte die Stelle eines polnischen Arztes einnehmen, der sich in einem sehr schlechten Gesundheitszustand befand, aber ich muss sagen, dass ich selbst mit den besten Absichten der Welt und dem stärksten Willen die Bedingungen nicht wesentlich verbessern konnte. Das Material war unzureichend und die Chancen standen gegen mich. Es waren täglich 400-500 Kranke, und ich durfte nur 80 von ihnen von der Arbeit befreien.“
Aus: Augenzeugenbericht von Karel Sperber, 1946. (Courtesy of the Vancouver Holocaust Education Center) (Übersetzung aus dem Englischen)