Braunschweig

16. September – 4. November 1941 / 18. Februar – 5. September 1942

Das Lager

In Braunschweig, der Hauptstadt des gleichnamigen Freistaates, richtete die SS 1935 im früheren Residenzschloss eine sogenannte Junkerschule ein und nannte den Schlossvorplatz in „Platz der SS“ um. Nach Bad Tölz in Bayern war die Schule in Braunschweig die zweite Einrichtung dieser Art in Deutschland. In Junkerschulen sollte die zukünftige Führung der SS militärisch und weltanschaulich ausgebildet werden. 1941 erfolgte der Anschluss einer Musikschule der Waffen-SS, wo 14- bis 16-jährige Jungen unterrichtet wurden. Diese befand sich gut 2,5 km westlich vom ehemaligen Schloss im Pippelweg 12. Für Instandsetzungs- und Bauarbeiten auf dem Gelände der SS-Junker- und Musikschule mussten von Mitte September bis Anfang November 1941 und von Mitte Februar bis Anfang September 1942 Häftlinge aus dem KZ Buchenwald Zwangsarbeit leisten. Das neue Außenlager wurde von der Verwaltung in Buchenwald als „SS-Junkerschule Braunschweig“ geführt (Abkürzung JB bzw. Bg.). Die SS-Junkerschule stellte Unterkunft, Verpflegung und (teils) die Bewachung. Wo genau die Häftlinge untergebracht waren, ist nicht bekannt.

Sehenswürdigkeiten der Stadt Braunschweig, darunter die SS-Junkerschule (rechts oben), Ansichtskarte, vermutlich um 1938.
Sehenswürdigkeiten der Stadt Braunschweig, darunter die SS-Junkerschule (rechts oben), Ansichtskarte, vermutlich um 1938. ©Gedenkstätte Buchenwald

Die Häftlinge

Am 16. September 1941 brachte die SS 17 Häftlinge aus Buchenwald nach Braunschweig. Bereits Anfang November endete ihr Einsatz in der SS-Junkerschule und die Rücküberstellung nach Buchenwald erfolgte. Mitte Februar 1942 kamen erneut 20 Häftlinge aus Buchenwald nach Braunschweig. Die Männer waren gelernte Handwerker, unter anderem Maler, Tapezierer, Tischler oder Maurer. Mehrheitlich stammten sie aus Deutschland, aber auch aus der Tschechoslowakei und Polen. Unter ihnen befanden sich viele als politisch oder als „Berufsverbrecher“ kategorisierte Häftlinge, weitere wurden als „Asoziale“ und Zeugen Jehovas verfolgt. Die Gesamtzahl der Häftlinge erhöhte sich durch weitere Transporte bis Anfang Mai 1942 auf 58. Der KPD-Funktionär und ehemalige Abgeordnete des Preußischen Landtages Albert Kuntz (1896-1945) war einer von ihnen, ein anderer Heinrich Sieberg aus Bochum, von der SS als Lagerkapo eingesetzt. Ebenso lässt sich ein Niederländer als Inhaftierter nachweisen. Ab Sommer 1942 wurde das Außenlager nach und nach aufgelöst. Nur ein Restkommando von sechs Facharbeitern blieb bis zur endgültigen Räumung Anfang September 1942 zurück. Insgesamt durchliefen 79 Männer das Außenlager in Braunschweig.

Zwangsarbeit

Die Errichtung des Außenlagers Mitte September 1941 vereinbarten der Kommandeur der SS-Junkerschule Lothar Debes (1890-1960) und der Kommandant des KZ Buchenwald Karl Otto Koch (1897-1945). Die Häftlinge aus Buchenwald wurden für Instandsetzungsarbeiten in den Kasernen und Unterkünften der SS-Junkerschule angefordert. Ausbesserungen und Renovierungen gehörten auch zu den Aufgaben des zweiten Häftlingseinsatzes ab Februar 1942, nun in den Unterkunftsräumen der SS-Musikschule. Waren die bisherigen Häftlinge ausschließlich Facharbeiter, änderte sich dies Anfang Mai bis Mitte Juni 1942. In diesem Zeitraum wurden nun mehr als die Hälfte der Häftlinge als Hilfsarbeiter geführt. Der Aufbau von Baracken war als neue Tätigkeit hinzugekommen. In beiden Lagerphasen galten der Sonntag und die Feiertage als arbeitsfrei.

Krankheit und Tod

Aus Buchenwald wurden weder Lagerarzt, Pfleger oder SS-Sanitäter nach Braunschweig gebracht. Vermutlich lag eine ambulante Versorgung in der Zuständigkeit der SS-Junkerschule. Krankheitsbedingte Rücküberstellungen von Häftlingen in das Hauptlager waren die Ausnahme. So kam der Niederländer Leendert Vogel aus Den Haag im Mai 1942 mit der Diagnose Magen- und Darmkatarrh in das Krankenrevier von Buchenwald. Todesfälle gab es in Braunschweig nicht.

Bewachung

Für beide Lagerphasen wurde ein Kommandoführer von Buchenwald nach Braunschweig abkommandiert. Jedoch ist nur für die Zeit ab Februar 1942 der SS-Unterscharführer Heinrich Melzer (geb. 1906) namentlich bekannt. Melzer, 1940 aus dem KZ Sachsenhausen nach Buchenwald versetzt, war bereits in Buchenwald Blockführer. Bis November 1941 stellte die SS-Junkerschule die Wachmannschaft. Vermutlich wurden im Februar 1942 zeitweise acht SS-Männer auf Wunsch der SS-Junkerschule von Buchenwald nach Braunschweig gebracht, um das Außenlager zu bewachen. Strafrechtliche Ermittlungen wegen Vorkommnissen im Außenlager Braunschweig sind bisher nicht bekannt.

Räumung

Am 5. September 1942 löste die SS das Außenlager Braunschweig endgültig auf. Die verbliebenen sechs Häftlinge brachte sie zurück in das Hauptlager.

Spuren und Gedenken

Das im Krieg stark beschädigte ehemalige Residenzschloss wurde 1960 vollständig abgerissen und ein Park angelegt. Anfang der 2000er-Jahre beschloss der Rat der Stadt den Wiederaufbau des Schlosses und die Errichtung eines Einkaufszentrums im direkten Umfeld. In dem rekonstruierten Schloss mit teils historischen Elementen befinden sich heute Kultureinrichtungen der Stadt. Im Schlossmuseum wird die Geschichte der SS-Junkerschule thematisiert. Für Schüler, Schülerinnen und Studierende gibt es die Möglichkeit, an einem Workshop mit dem Titel „Die Vereinnahmung des Braunschweiger Schlosses durch die Nationalsozialisten“ teilzunehmen. An die Existenz des Außenlagers erinnert vor Ort nichts.

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Kontakt:
Schlossmuseum Braunschweig

Literatur:

Hans-Christian Harten, Himmlers Lehrer. Die Weltanschauliche Schulung in der SS 1933-1945, Paderborn 2014.

Christine Schmidt van der Zanden, Braunschweig, in: Geoffrey P. Megargee (Hg.), Encyclopedia of Camps and Ghettos 1933 – 1945. Volume I, Part I, Bloomington 2009, S. 321 f.