
Margaret Guiness wurde am 3. Februar 1930 als Margita Wohlová in Košice in der heutigen Slowakei in eine jüdische Familie geboren. Nach dem deutschen Einmarsch floh sie im Frühjahr 1944 mit ihrer Schwester Božena nach Budapest, wo sie unter falschem Namen lebten. Wegen Spionageverdachts verhaftet, kamen die Schwestern über Auschwitz und Ravensbrück nach Dortmund. Ihre jüdische Herkunft hielten sie weiter geheim. Die 14-jährige Margita lebte in den Lagern als 17-jährige Maria Karolcsik. Nach der Befreiung kamen die beiden nach Schweden, wo Božena an den Folgen der Haft starb. 1949 ging Margita Wohlová in die USA. Dort heiratete sie Herbert Guiness und gründete eine Familie. Sie starb 2011 in Kalifornien.
Aus den Erinnerungen von Margaret Guiness
Luftangriffe
„Ende Dezember 1944 und Anfang Januar 1945 nähert sich der Krieg seinem Ende. Das ist für uns klar. Die Bomber der Royal Air Force und die amerikanischen Bombenangriffe treffen das Fabrikgelände in Dortmund, wohin wir geschickt wurden und wo wir arbeiten. Mit einer rätselhaften Zuversicht hören wir die heranfliegenden Granaten, während Bombardierungen fast jeden Tag und jede Nacht zunehmen. Die V-2-Raketenbombenfabrik ist ein wichtiges strategisches Ziel. Mitte Januar verbringen wir mehr Zeit im Luftschutzkeller als in der Fabrik.
Eine Bombennacht ist für uns Deportierte in den Baracken und Luftschutzkellern ein festliches Feuerwerk. Die Angriffe geben uns die Hoffnung, dass die Befreiung nicht mehr fern ist. Es ist traurig für mich, den Zustand unserer Mitdeportierten zu sehen. Innerhalb weniger Wochen nach unserer Ankunft in Dortmund verschlechtert sich ihr Zustand. Die 12-Stunden-Arbeitszeit, der Schlafmangel, manchmal die ganze Nacht im Luftschutzkeller zu verbringen, fordern von jedem seinen Tribut. Wir können uns dort nirgends hinlegen und müssen immer noch eine Hungerkur machen. Wir sind am Ende. […]
Die Westfront ist nur noch etwa hundert Kilometer von der Munitionsfabrik in Dortmund entfernt, wo wir immer noch versuchen zu arbeiten. Die zunehmenden Bombardierungen und die ständigen Angriffe auf die Fabrik zeigen uns, dass die Alliierten näherkommen. Wir verbringen nun längere Stunden im Luftschutzkeller. Die Leute werden sehr mutlos, und ich versuche sie aufzumuntern. […] Sie tun mir leid. Kinder wie ich haben nicht die gleiche Angst vor dem Tod wie Erwachsene. Für mich ist das alles nicht so beängstigend.“
Bevölkerung
„Ich hatte Zahnschmerzen, und einer der SS-Wachen entschied, dass mir der Zahn gezogen werden sollte. Ich wurde von zwei Bewachern durch Dortmund begleitet, einer mit einer Maschinenpistole, der andere mit einem auf mich gerichteten Gewehr, bis wir die Zahnarztpraxis erreichten. Ich trug die gestreifte Häftlingsuniform, Holzschuhe und sonst nicht viel. Leute, die auf der Straße an mir vorbeigingen, spuckten mich an.
Ich wollte immer wissen, was sie in mir gesehen hatten. Sah ich wirklich wie ein Feind aus? Sah ich aus wie ein Mörder? Als man mich ins Lager zurückbrachte, war ich eigentlich erleichtert, wieder im Gefängnis zu sein. An die Feindseligkeit der Wachen hatte ich mich gewöhnt, aber der offene Hass der Zivilbevölkerung beunruhigte mich zutiefst. Ehrlich gesagt, war ich am Boden zerstört. Ich hatte erwartet, dass die deutsche Bevölkerung im Januar 1945 ihres Regimes überdrüssig geworden wäre. Stattdessen stellte ich fest, dass sie mit ihrer Regierung mehr denn je im Einklang zu stehen schienen, indem sie mir ihren Hass entgegenbrachten. Warum sonst sollten sie mich, ein 14-jähriges, mageres, unschuldiges Kind, anspucken? Ich weinte, als ich meiner Schwester erzählte, dass ich nie jemandem etwas zuleide getan hatte. Wie können die Menschen mich hassen und anspucken?“
Hunger
„Die Menschen interessieren sich nicht mehr für ihr Schicksal. Wir alle wissen, dass das Ende unserer Versklavung nicht mehr lange auf sich warten lässt, aber wir haben alle unsere Lebenskraft verloren und sterben langsam. Das Gedächtnis der Menschen verblasst. Sie verlieren die Fähigkeit, sich zu konzentrieren. Das alles merke ich, wenn ich abends bei der Essensausgabe helfe. Die Deportierten stehen Schlange, um ihre Rationen zu erhalten, doch sie haben längst vergessen, worauf sie gewartet haben, wenn ich ihnen ihr Brot gebe.“
Aus: Margret Guiness, When the Sky Rained Umbrellas, Laguna Niguel 2001. (Übersetzung aus dem Englischen)