Engelbert Oberhauser wurde am 12. Januar 1910 in München geboren. Wegen angeblicher Sabotage des Vierjahresplanes im August 1938 in Berchtesgaden verhaftet, wies die Gestapo München den gelernten Tischler einen Monat später in das Konzentrationslager Buchenwald ein. Die SS teilte ihn dort in die Haftgruppe der „Asozialen“ ein, weshalb er einen schwarzen Winkel auf seiner Häftlingskleidung tragen musste. 1943 wurde er zeitweilig in das Außenlager nach Duisburg gebracht, später in das Außenlager in Mühlhausen. Er überlebte einen Todesmarsch und ließ sich in der Nachkriegszeit in Jena nieder.
Aus den Erinnerungen von Engelbert Oberhauser
Das Lager Duisburg
„Das Lager Köln (10 000 Häftlinge) hatte in Duisburg ein Zweiglager mit 200 Häftlingen. Das Lager war in einem durch Bombenabwurf ausgebrannten Krankenhaus, einem ehemaligen Nonnenkloster des Zisterzienserordens mit äußerst stabilen Mauerwerk untergebracht. Völlig ausgebrannt stand es inmitten von Ruinen im Stadtkern. In den noch erhaltenen Wirtschaftsbauten war das Duisburger KZ untergebracht. Die Häftlingsunterkunft war nur notdürftig mit Pappmaché und Brettern zugedeckt. Der Dachstuhl war restlos verbrannt. Die Häftlinge, unter ihnen einige deutsche Funktionshäftlinge, in Zebra und zum größten Teil schon in Zivillumpen gekleidet, bestanden vor allem aus sowjetischen und polnischen SS-Sklaven. […] Verlaust, verdreckt und halb verhungert lernten wir sie beim Abendappell kennen. […] Sie kamen vom Arbeitseinsatz – Enttrümmerungs-, Aufräumungs- und Bombenentschärfungskommando. Als wir zwei uns zum Zählappell einreihten, hoben wir uns mit unserer neuen Zebrakleidung, mit der wir auf Transport geschickt worden waren, wie zwei Lords unter Landstreichern hervor.“
Im Luftschutzbunker
„Vor dem Appell sah ich Schorsch Thoma [Anm: Georg Thomas], unseren jüngsten Münchner, wieder. Wir kannten uns gut von Buchenwald. […] Schorsch organisierte sofort, dass ich in seine Stube kam, 3 Genossen Roter Winkel und ich. Sie waren beim Bombenentschärfungskommando, hatten wenig unter Lagerzwang zu leiden, dafür waren sie im ‚Himmelfahrtskommando‘.
Schorsch und die Stubengenossen gaben mir gleich die ersten Verhaltensmaßregeln: um 20 Uhr musste das Licht ausgemacht werden, wegen Fliegeralarm geht man bekleidet zu Bett, da man erst schlafen kann, wenn die Bomber gegen vier Uhr leer zurück fliegen, wichtig ist das ständige Entlausen. Aber ich glaubte nicht an ihre Erfahrung. Während Schorsch und die zwei Kumpel jede Nacht schon angezogen am Tisch saßen, fuhr ich erst in Hose, Schuhe und später auch in alle warme Sachen, um dann in den Keller zu laufen. Das alte Klostergemäuer, ein Spitzbogengewölbe, war mit meterhohem Bombenschutt überlagert und bombensicher. Wir Deutschen hatten eine eigene Ecke. Ich hatte gleich den Keller durchstöbert. Die SS-Leute saßen am zweiten Ausgang, hinten, durch eine Tür von den übrigen getrennt. Nur am großen Eingang saßen zwei Posten. Es durfte doch keine Nummer entlaufen, denn beim Zählappel wurden auch hier nur die Nummern aufgerufen. In den ersten Tagen strich ich während des Alarms durch die meterhohen Kellergewölbe des alten Klosters. 200 zerlumpte Kumpel standen eng gedrängt in den Bogengängen herum und warteten auf die Entwarnung, um schlafen zu dürfen. Ich bin Deutscher, gut gekleidet und werde aus Hass oder Angst respektiert.“
Läuse
„Unsere Stube war eine der wenigen ohne ständige Mitbewohner, da auch die Strohsäcke jeden Tag nach Wanzen abgesucht wurden und der Läuseappell nach dem Aufstehen, nach dem Zählappell und nach der Entwarnung zum Stubendienst gehörte. Wir waren allerdings nur vier auf einer Stube. Andere Kumpel brauchten nur unter ihre Kleiderfetzen zu greifen, um das Ungeziefer zu finden. Sie mussten auch in dreistöckigen Betten in Sälen kampieren.“
Bewachung
„Die Bewachung bestand nur aus sechs SS-Leuten. Der Lagerführer, ein Oberscharführer und Schlesier, verstand ausgezeichnet Polnisch. Er traf mich später im Lager Mühlhausen/Thüringen wieder, was für mich nicht gut war. Zur Wache gehörten 14 – nach Bedarf bis zu 28 – Zivilisten mit Armbinden und langen Gewehren. Sie waren im Großen und Ganzen keine bissigen Kleinkrämer. Es war schon 1943 und Duisburg ein Trümmerhaufen. Die zivilen Bewacher kamen beim Morgengrauen mit Armbinde und Flinte von zu Hause und gingen mit ihrem SS-Mann, meistens ein Rottenführer, und seinem Häftlingshaufen zum Einsatzort, d.h. Enttrümmerungs- bzw. Aufräumungskommando. Der Schorsch und die Bombenkommandos wurden von ihren Feuerwerkern abgeholt.
Mein Kommando: Ich bekam drei Häftlinge, von denen keiner Deutsch verstand, und musste mit drei Zivilbewachern eine Stunde zu einem Bauplatz marschieren. Dort sollten wir Verschalungen für einen runden ‚Zigarrenbunker‘ ausschneiden und zusammennageln. Nach drei Tagen waren bloß noch 2 Zivilisten bei mir. Die Frau des einen hatten einen Viktualienladen. Er riet mir, ja nicht aufzufallen, damit er nicht an die Front käme.“
Aus: Bericht Engelbert Oberhauser vom 29. Juni 1971. (Gedenkstätte Buchenwald)