
Paul Le Goupil kam am 12. Dezember 1922 in Connerré zur Welt und wuchs in der Nähe von Rouen auf. Der junge Lehrer engagierte sich ab 1942 im Widerstand. Im Jahr darauf nahm ihn die Gestapo fest und inhaftierte ihn im Lager Compiègne bei Paris. Über das KZ Auschwitz wurde er im Mai 1944 nach Buchenwald deportiert. Vier Monate später brachte die SS ihn nach Halberstadt und später nach Langenstein-Zwieberge. Er überlebte den Todesmarsch und kehrte nach Frankreich zurück, wo er wieder als Lehrer arbeitete. 1991 veröffentlichte Paul Le Goupil seine Erinnerungen über die Zeit im Konzentrationslager. Er starb 2017 mit 95 Jahren.
Aus den Erinnerungen von Paul Le Goupil
Arbeit in den Junkerswerken
„Vom nächsten Morgen an wurden wir in die große Halle der Fabrik geführt, wo Flugzeugflügel der Junkers 88 gebaut wurden. Die Zivilleitung der Fabrik gliederte uns in Gruppen ein, die aus ausgemusterten oder untergetauchten deutschen Zivilisten, freiwilligen ausländischen Arbeitern, Zwangsarbeitern und Kriegsgefangenen, vor allem Italienern, bestand. All dieses Personal wurde durch deutsche Meister beaufsichtigt. Die riesige Fabrikhalle war kurz vor unserer Ankunft bombardiert und mit Blechen notdürftig und lückenhaft repariert worden.
Mehrere Fließbänder liefen gleichzeitig, und jedes brachte alle vier Stunden einen Flügel hervor. Später gab die Fabrikleitung den Arbeitern einen Essenszuschlag, wenn sie es schafften, alle drei Stunden einen Flügel zu fertigen, und da nun bewiesen war, dass es möglich war, mussten sich nach einigen Tagen alle Fließbänder auf diese Norm einstellen, ohne Essenszuschlag. In der Mittagspause teilte die Firma jedoch an das ganze Personal eine dicke, gehaltvolle Extrasuppe aus.
Jede Gruppe aus zwei Arbeitern musste einen Teil des Flügels anbringen, immer den gleichen. Ich arbeitete mit einem Belgier aus Flandern zusammen, einem freiwilligen Arbeiter, der nach Deutschland gekommen war, um Geld zu verdienen. Er hielt die Druckluftpistole, auf der sich ein flacher Ring befand, und ich das Gegenstück aus Metall oder umgekehrt, und so mussten wir 350 Nieten in drei Stunden anbringen.“
Fliegeralarme
„Glücklicherweise gab es die Fliegeralarme, während der wir uns ausruhen konnten; sie wurden immer häufiger. Wenn dies tagsüber geschah, führten uns die Aufseher zur Straße nach Quedlinburg, außerhalb der Stadt. […] Nachts wurden wir in der Fabrik eingesperrt, ohne jeden Strom, wogegen die Zivilarbeiter und andere Arbeiter in die Luftschutzkeller hinuntergingen. Glücklicherweise waren wir nie Opfer eines Bombenangriffs. Die Nachtalarme waren für uns interessanter, denn dann konnten wir schlafen. Leider wurden die Heißluftgeneratoren mit dem Strom ausgeschaltet, und die Kälte drang durch die Lücken zwischen den schlecht zusammengeschweißten Blechen, so dass wir nach einer halben Stunde völlig durchgefroren waren.“
Weihnachten
„Als Weihnachten näherrückte, erhielten die Franzosen mehrere Rot-Kreuz-Pakete, und wir entschieden uns, an unserem Sechzehnertisch einen Teil davon für eine Weihnachtsfeier zusammenzulegen. In einigen Paketen befanden sich Dosenerbsen, Sardinen, Nudeln, Schokolade, Fruchtpaste und Tabak. Rodriguez, der Tischvorsitzende, kümmerte sich um das Kochen. […]
Am Weihnachtstag gewährte uns das Werk einen freien Tag. Alle Tische hatten eine besondere Mahlzeit zubereitet, und nach dem Essen gab es eine Revue. Die Russen führten Tanz- und Singnummern vor, die sehr gut ankamen. Einer der Sänger hatte eine sehr warme, tiefe Stimme. Er wurde durch ein kleines Balalaika-Orchester begleitet. Wie kamen bloß die Musikinstrumente ins Lager? Ich könnte es nicht sagen. Und woher kam das chromatische Akkordeon, das Hugo anschleppte? Er spielte ziemlich gut. Ich löste ihn länger als eine Stunde ab und fand mein Fingerspiel und meine Lieblingsmelodien wieder. Es gab auch eine Boxveranstaltung. Jo hatte sich zwei Paar Boxhandschuhe besorgt und gewann mit Leichtigkeit die drei Matchs, darunter eines gegen Hugo.“
Arbeit im Außenkommando
„Die Arbeit in der Fabrik war verlangsamt worden, und selbst bei diesem Rhythmus war sie auf ein Minimum reduziert worden. Es gab keine Nachtschicht mehr, und so hingen wir im Block herum und traten uns gegenseitig auf die Füße, vor allem abends. Es wurde auch eine Sanitäterstelle gestrichen; Hugo behielt die seine. Die Gerüchte über einen Abmarsch zur anderen Seite des Berges wurden immer lauter.
Eines Morgens wurde ich mit mehreren anderen Nummern einer Arbeit außerhalb der Fabrik zugeteilt. In Begleitung von Posten durchquerten wir einen Teil der Vororte in Richtung der Hügel. In einer großen Halle gruben dort viele Zivilarbeiter und Deportierte aus verschiedenen Ländern einen abfallenden unterirdischen Gang. Große dampfbetriebene Winden zogen kleine, mit Erde und Steinen gefüllte Loren hoch, die wir zum Ausgang schieben mussten. Dann weiß ich nicht, was mit ihnen geschah, denn dann wurden sie von einer anderen Gruppe in Empfang genommen. Es war eine titanische Arbeit, denn man musste die Loren leer wieder zurückbringen. Es gab einen Weg zum Hoch- und einen zum Herunterschieben der Loren, mit nur wenig Platz zwischen beiden. All dies lief in einer Stimmung voller Lärm, Gebrüll und Geprügel ab. Bei der Mittagspause war ich erschöpft und niedergeschlagen, vor allem weil keiner meiner Freunde für diese Arbeit eingeteilt worden war. Außerdem gab es hier auch keine Extrasuppe wie in der Fabrik.“
Aus: Paul Le Goupil, Erinnerungen eines Normannen 1939-1945, Paris 1995 [Paris 1991].