Iby Knill kam am 25. November 1923 als Ibolya Kaufmann in Košice in der heutigen Slowakei in einer jüdischen Familie zur Welt. 1942/43 floh ihre Familie aus Bratislava nach Ungarn, wo Ibolya als Kindermädchen nahe Budapest arbeitete. Nach dem deutschen Einmarsch wurde sie Mitte Juni 1944 verhaftet und nach Auschwitz deportiert. Sechs Wochen später brachte die SS sie Ende Juli 1944 nach Lippstadt. Dort war sie zunächst als Krankenpflegerin und später in der Fabrik tätig. 1946 kehrte sie nach Bratislava zurück. Ihren Vater hatte die SS in Auschwitz ermordet. Sie heiratete einen britischen Offizier. 1947 gingen sie nach England und gründeten eine Familie. Mit 98 Jahren starb Iby Knill 2022 in Leeds.
Aus den Erinnerungen von Iby Knill
Geburtstag
„Ich habe meinen einundzwanzigsten Geburtstag im Lager verbracht. Es war ein denkwürdiger Tag, den ich nie vergessen werde. Ich durfte nicht nur nicht arbeiten und sollte mich ausruhen, sondern bekam auch Geschenke. Einige der Mädchen, die in der Aluminiumabteilung der Fabrik arbeiteten, fertigten aus Resten eine Halskette mit einem Medaillon an, auf dem mein Name stand. Sie schnitten und gravierten auch ein kleines dickes Buch mit Spiralbindung, dessen Seiten aus Temperaturtabellen bestanden, dem einzigen Papier, das wir bekommen konnten. Darin befand sich die Unterschrift aller Personen im Lager. Das Buch war nur etwa drei mal zwei Zentimeter groß und man brauchte eine Lupe, um die Namen und Botschaften zu lesen. Abends gab es ein Fest, viel Gesang und einen Geburtstagskuchen aus Brotscheiben, bestrichen mit Margarine und Marmelade – viele müssen ohne ihre Sonderrationen ausgekommen sein – und mit entsprechender Anzahl von Kerzen aus Aluminium. Keiner, aber auch keiner, nicht einmal der reichste Mensch der Welt, hätte einen schöneren Geburtstag haben können.“
Schwangerschaften
„Wir haben alle innerhalb kurzer Zeit nach unserer Ankunft in Auschwitz aufgehört zu menstruieren. Es war daher nicht möglich herauszufinden, ob jemand schwanger war. Jede Frau, die in Auschwitz ankam und offensichtlich schwanger war, wurde direkt in die Gaskammer geschickt.
Bei der Ankunft im Zwangsarbeitslager in Lippstadt wurde deutlich, dass einige Frauen schwanger waren. Wir wussten nicht, ob dies auch hier ein lebensbedrohlicher Zustand sein würde, also wurde alles getan, um eine Schwangerschaft zu verbergen. Zwei der Frauen wünschten einen Schwangerschaftsabbruch, der mit Hilfe der Ärztinnen durchgeführt wurde.
Da eine oder zwei der Frauen in jeder Baracke die Aufgabe hatten, die Waschräume sauber zu halten, und nicht in der Fabrik arbeiteten, wurde diese Aufgabe einvernehmlich den beiden verbleibenden hochschwangeren Frauen zugewiesen, die beim Appell immer in die mittlere Reihe gestellt wurden.
Als der Zeitpunkt der Entbindung gekommen war, entschied die Ärztin, dass es besser sei, wenn diese nicht im Krankenhaus stattfände. Ellas Zimmer sollte der Kreißsaal sein und nur die Ärztinnen sollten anwesend sein. Jede Frau wurde mit einem gesunden Kind entbunden. Es war nicht möglich, vor den Deutschen zu verheimlichen, dass es im Lager plötzlich Babys gab. Der Kommandant war erstaunt, wie wir es schafften, dies vor ihm zu verbergen. Er stimmte zu, dass die Mütter im Lager weiterarbeiten konnten, anstatt in die Fabrik zu gehen; schließlich machte es keinen Unterschied, wer zurückblieb, solange die richtige Anzahl von Menschen in der Fabrik arbeitete.“
Selektion
„Dass ich in der Fabrik arbeiten musste, war Teil eines verzweifelten Versuchs, die Effizienz zu verbessern. Am Tag bevor ich in der Fabrik anfangen sollte, kamen einige Viehwaggons an der Bahnstrecke außerhalb des Lagers an, wo normalerweise Flachwagen die Gussstangen anlieferten. Mit den Viehwaggons kam auch ein Trupp Soldaten, der nicht zu der entspannten Art unserer Lagerwachen gehörte.
Alle chronisch Kranken, Schwachen und Arbeitsunfähigen, zu denen auch die beiden stillenden Mütter gehörten, sollten an einen geeigneteren Ort transportiert werden – nach Bergen-Belsen. Bei dieser Gelegenheit kam der Kommandant in die Krankenstation und wählte unter den Patientinnen diejenigen aus, die ihm entweder verletzt oder in den nächsten Tagen wahrscheinlich nicht arbeitsfähig erschienen. Er verlangte auch Einsicht in die Krankenakten, um festzustellen, ob eine der Patientinnen länger als eine Woche dort lag.
Wir hatten immer versucht, die Patienten nach einer Woche zu entlassen und sie etwa einen Tag später wieder aufzunehmen, um zu zeigen, dass wir keine schwer kranken Patienten hatten. Dies war nicht immer praktikabel, insbesondere bei schweren Arbeitsunfällen. Die Gefahr, dass Kranke nach Bergen-Belsen abtransportiert wurden, war sehr real. Bei dieser Gelegenheit war der Kommandant viel strenger als sonst, offensichtlich wollte er die Besucher beeindrucken oder er wurde gemaßregelt.“
Räumung
„Am Abend gab es den üblichen Appell. Die Wachen brachten einen großen Handkarren, auf dem sie ihre Habseligkeiten und auch einige Lebensmittelvorräte sowie einen Heizkessel verstaut hatten. Zwölf Frauen wurden ausgewählt, sechs zum Ziehen und sechs zum Schieben des Wagens. Uns wurde gesagt, dass dies im Schichtbetrieb geschehen würde.
Die Ärzte hatten einige medizinische Hilfsgüter in eine Tasche gepackt und diese ebenfalls auf den Handkarren gelegt. Niemand schien zu bemerken, dass sie dies getan hatten. Wir fuhren los. Ich weiß nicht, in welche Richtung wir gingen, aber nachdem wir die mit Trümmern übersäten Straßen der Stadt verlassen hatten, liefen wir die ganze Nacht über flaches, landwirtschaftlich genutztes Land. Der Heizkessel wurde aufgestellt und mit Wasser gefüllt und wir bekamen trockenes Brot und Ersatzkaffee, gebraut aus getrockneten Eicheln. Wir waren fußkrank und müde, schliefen im Heu ein und den ganzen Tag durch.
Als es dunkel wurde, brachen wir wieder auf. Wenn eine Person zurückblieb und nicht mehr mithalten konnte, löste sich einer der Wachmänner von uns und blieb bei diesem Nachzügler. Wenig später ertönte ein Schuss und der Wachmann tauchte wieder auf.“
Aus: Iby Knill, The Woman without a Number, Leeds 2010, S. 98 ff. (Übersetzung aus dem Englischen)