Erling Hansen

(1909-2008)

Erling Hansen mit seiner Frau Marie-Josephine, 1941
Erling Hansen mit seiner Frau Marie-Josephine, 1941 ©Yann Hansen

Erling Hansen kam am 13. März 1909 im französischen Plérin zur Welt. Er war Arzt. Unter der deutschen Besatzung half der Familienvater französischen Jugendlichen, sich dem Arbeitsdienst in Deutschland zu entziehen. Er wurde denunziert und im November 1943 verhaftet. Zwei Monate später ließ die Gestapo ihn nach Buchenwald deportieren. Im Mai 1944 kam er als Häftlingsarzt in das Außenlager Mühlhausen. Die Befreiung erlebte er am 11. April 1945 in Buchenwald. Er kehrte nach Frankreich zurück und engagierte sich unter anderem für die Gründung einer Lagergemeinschaft Schönebeck-Mühlhausen. Für seine Widerstandstätigkeit wurde er offiziell ausgezeichnet. Erling Hansen starb 2008.





„Am Nachmittag ist das ganze Kommando in Alarmbereitschaft. Überall wurden die Wächter verdoppelt. In der Schreibstube werden die Archive verbrannt und die Abreise organisiert.“

Aus den Erinnerungen von Erling Hansen

Das Lager
„Die Häftlinge waren in einer Ecke der Fabrik untergebracht, mit einem kleinen Raum, der ,Krankenstationʼ genannt wurde und ebenerdig in die Schlafräume mündete. Der Lärm der Maschinen, vor allem der Pressen, erschwerte den Schlaf. Viele Fragen standen zur Diskussion: Die Schläge mit dem Schlagstock, die Häftlinge bei schweren Vergehen (insbesondere Sabotage von Teilen oder Maschinen) erhielten, die Anzahl der Ruhetage bei Krankheit oder Unfall, die Organisation der Transporte von Häftlingen nach Buchenwald aus gesundheitlichen oder disziplinarischen Gründen, die manchmal schwierigen Beziehungen zwischen den Nationalitäten (neben Franzosen gab es Russen, Tschechen, Polen, Italiener, Belgier, Holländer und Luxemburger).“

Die Errichtung der Krankenstation
„Samstag, 17. Juni 1944. Nach langem Bitten habe ich die neue Krankenstation erhalten, die mir von der Direktion von Buchenwald versprochen wurde: 3 Zimmer im Erdgeschoss, um anzufangen. Aber noch kann kein Kranker dort schlafen.
Sonntag, 18. Juni 1944. Gestaltung des Warteraums und des Behandlungsraums. Wir vermeiden den Lärm der Maschinen und bekommen Luft und Sonne durch die Fenster. Endlich eine normalere Situation.“

Die Beschaffung zusätzlicher Medikamente
„Mehrmals seit meiner Ankunft hatten mich SS-Soldaten gebeten, sie zu behandeln. Zuerst der Kommandant, dann sein Stellvertreter und mehrere andere. Normalerweise war es ihnen nicht erlaubt, sich an einen Häftlingsarzt zu wenden. Aber sie bevorzugten wohl meine Behandlung? Ich fand schnell einen Vorteil darin, sie zu pflegen und tat dies auch. Denn als Gegenleistung konnte ich in der Stadt Medikamente kaufen, theoretisch für sie, aber in Wirklichkeit für die inhaftierten Kranken. Die vom Revier in Buchenwald gelieferten Medikamente waren begrenzt und in ihrer Auswahl oft nicht auf die Krankheiten der Häftlinge abgestimmt. Bei der Behandlung von SS-Männern stellte ich die Bedingung, dass ich die notwendigen Medikamente von einem Apotheker in der Stadt erhalten konnte. So gelang es mir, Medikamente für die Krankenstation zu bekommen! Dieser Trick ermöglichte es mir, kranke Häftlinge besser zu behandeln und Todesfälle während meines elfmonatigen Aufenthaltes in Mühlhausen zu verhindern.“

Die Räumung des Lagers
„Sobald er zurückkam, berief der Kommandant seinen Stab ein. Wir werden in unseren Räumen festgehalten und dürfen sie nicht verlassen. 60 Lastwagen stünden für eine schnelle Evakuierung bereit. Seit zwei Tagen spüren wir, dass etwas passieren wird, wir arbeiten nicht mehr und alle SS-Männer sind da, um uns zu überwachen. Ihr Verhalten ist ungewöhnlich. Ein Unbehagen bemächtigt sich uns. Gaillard hat böse Vorahnungen, kann sie aber nicht genau beschreiben... Was wird mit uns passieren? Was wird man mit uns machen, wenn die Amerikaner kommen? Arzt [Anm.: SS-Sanitäter Friedrich Arzt] ist nervös und traurig. Vor seiner Abreise nach Buchenwald hatte der Kommandant allen SS-Männern Anweisungen gegeben: ‚Wenn Sie Mühlhausen plötzlich ohne die Häftlinge verlassen müssen, müssen Sie sie alle liquidieren. Die Zivilbevölkerung verlangt das. Sie hat Angst vor ihnen.‘ Jeder SS-Mann erhielt einen bestimmten Posten um den Befehl auszuführen. Arzt wurde beauftragt, alle im Krankenrevier zu liquidieren, die Kranken, den Arzt, den Krankenpfleger, den Lagerältester und nicht zuletzt den polnischen Dolmetscher. Als Arzt davon erfuhr, stellte er sich vor dem Kommandanten stramm: ‚Mein Kommandant, rechnen Sie nicht damit, dass ich einen solchen Befehl ausführe. Ich könnte niemals das Leben der Kranken, des Arztes, des Krankenpflegers, des Lagerältesten und des Dolmetschers gefährden.‘ Der Kommandant wagte es nicht, Arzt zu erschießen: Die meisten SS-Soldaten waren damit auch nicht einverstanden, da die Gefangenen ihnen das Leben versprochen hatten, wenn sie uns gegenüber menschlich bleiben würden. Gegen 9.30 Uhr kam Hubert zu mir und informierte mich heimlich über unsere bevorstehende Evakuierung nach Buchenwald. Am Nachmittag ist das ganze Kommando in Alarmbereitschaft. Überall wurden die Wächter verdoppelt. In der Schreibstube werden die Archive verbrannt und die Abreise organisiert. In der Küche werden die Rationen für die Reise vorbereitet. Jeder packt sein eigenes Paket.“

Aus: Erling Hansen, Médecin du kommando « Martha » à Mühlhausen : Novembre 1943-Avril 1945. Le « matricule n°42679 », ohne Ort und ohne Jahr. (Übersetzung aus dem Französischen)