Das Lager
Die Mittelwerk GmbH, die ihr Hauptwerk in den unterirdischen Stollen des Kohnsteins bei Nordhausen betrieb, ließ im Sommer 1944 aus Platzmangel Außenstellen schaffen. Eine davon befand sich in Roßla im Südharz, rund 25 Kilometer östlich von Nordhausen im heutigen Sachsen-Anhalt. Hier fungierte eine ehemalige Zuckerfabrik als Materiallager. In zwei benachbarten Baracken eines ehemaligen Reichsarbeitsdienstlagers richtete die SS im August 1944 ein neues Außenlager ein. Es war ein Nebenlager des Lagers Dora. Offiziell unterstand es bis zur Verselbstständigung des KZ Mittelbau Ende Oktober 1944 jedoch der Buchenwalder Lagerverwaltung. Eine der beiden Baracken wurde mit Stacheldraht umzäunt und als Unterkunft für die Häftlinge genutzt. Die zweite Baracke war nicht umzäunt. In ihr befanden sich Lagerküche und Krankenstation. Berichten zufolge diente sie zudem als Unterkunft für die SS. Der Appell fand auf einem zehn Meter breiten Platz zwischen den Baracken statt.

Die Häftlinge
Bereits vor der Einrichtung des Außenlagers in Roßla brachte die SS täglich Häftlinge aus dem Außenlager Dora zur Arbeit in das Materiallager in der Zuckerfabrik. Erstmals als Außenlager wird Roßla in den Akten der SS am 31. August 1944 erwähnt. 82 Häftlinge befanden sich zu diesem Zeitpunkt vor Ort. Bis Ende Oktober 1944, als das Außenlager dem neuen KZ Mittelbau zugeordnet wurde, stieg die Zahl der Häftlinge auf 112. Sie kamen aus Belgien, Deutschland, Frankreich, Italien, Polen, der Sowjetunion und der Tschechoslowakei und waren zwischen 19 und 56 Jahre alt. Die meisten von ihnen galten als politische Häftlinge. Berichten zufolge setzte die SS in erster Linie deutsche Häftlinge, die als „Berufsverbrecher“ in das Konzentrationslager eingewiesen worden waren, als Funktionshäftlinge in Roßla ein.
Zwangsarbeit
In Roßla wurden für die Mittelwerk GmbH die Teilmontage, Wartung und Instandhaltung von Teilen der A4-Rakete, der sogenannten V2, durchgeführt. Die beladenen Güterwaggons kamen zur Zwischenlagerung in der Zuckerfabrik in Roßla an. Die Häftlinge mussten die Waggons ent- und beladen. Unter der Aufsicht von Vorarbeitern variierte der Arbeitsrhythmus je nach Materialanlieferung und -abholung. Berichten zufolge konnte nur bei Tageslicht gearbeitet werden, so dass die Häftlinge entsprechend kürzere Arbeitstage hatten. Einzelne von ihnen galten als Facharbeiter. Sie waren für die Qualitätskontrolle der Aluminiumtanks verantwortlich.
Bewachung
Während der Unterstellung unter das Konzentrationslager Buchenwald fungierte vermutlich der SS-Unterscharführer Martin Dötsch (geb. 1901) als Kommandoführer in Roßla. Über die Größe der SS-Wachmannschaft ist bisher nichts bekannt. Eine juristische Verfolgung der Verantwortlichen im Außenlager Roßla fand nicht statt.
Übernahme durch das KZ Mittelbau
Das Außenlager Roßla wurde ab dem 28. Oktober 1944 dem neuen KZ Mittelbau unterstellt und war seitdem kein Buchenwalder Außenlager mehr. Als Außenlager des KZ Mittelbau existierte es weiter bis zu seiner Räumung Anfang April 1945.
Spuren und Gedenken
Das Gebäude der ehemaligen Zuckerfabrik ist noch erhalten und dient heute als Einkaufszentrum. Die beiden Reichsarbeitsdienstbaracken wurden abgerissen. Vor Ort erinnert nichts an die Existenz des Außenlagers.
Link zum heutigen Standort auf GoogleMaps
Literatur:
Jens-Christian Wagner, Roßla, in: Wolfgang Benz u. Barbara Distel (Hg.), Der Ort des Terrors. Die Geschichte der nationalsozialistischen Konzentrationslager. Band 7, München 2006, S. 329 f.