
Flemming Johan Hinsch wurde am 31. Juli 1918 in Kopenhagen, Dänemark, geboren. Nach dem Besuch einer Wirtschaftsschule und einer Zeit beim Militär trat er 1942 in den Polizeidienst ein. Er war einer von über 1.900 dänischen Polizisten, die von den deutschen Besatzern im September 1944 verhaftet wurden, weil sie sich geweigert hatten, die dänische Widerstandsbewegung zu bekämpfen. Aus Buchenwald kam er Ende Oktober 1944 für rund drei Wochen zur Zwangsarbeit nach Taucha. Mit den übrigen dänischen Polizisten überstelle die SS ihn Ende 1944 aus Buchenwald in ein Kriegsgefangenenlager in Mühlberg an der Elbe. Zurück in Dänemark arbeitete er wieder als Polizist. 1994 veröffentlichte er seine Erinnerungen. Sie basierten auf seinem Tagebuch und Zeichnungen, die er in den Lagern angefertigt hatte. Flemming Hinsch starb 1995 in Birkerød.
Aus den Erinnerungen von Flemming Hinsch
Ankunft in Taucha
„Wir fuhren am 25. Oktober um 20:00 Uhr los und waren am nächsten Morgen in Taucha, in der Nähe von Leipzig. Wir waren sehr müde, weil wir uns die ganze Nacht lang durch ständiges Hüpfen oder Fäuste schlagen die Kälte vom Leib gehalten hatten.
Der Transport stand unter der Leitung eines SS-Offiziers, eines älteren Mannes, der nett und freundlich wirkte. Er versprach nämlich, dass wir nach Hause kommen würden, wenn wir einen Damm von der Eisenbahn bis zu einer Waffenfabrik fertiggebaut hätten. Die Gefahr von Bombenangriffen war zwar groß, aber es gab einen sicheren Luftschutzraum im Keller der Fabrik.“
Zwangsarbeit
„Die Arbeitszeit betrug zwölf Stunden pro Tag, und wir wurden in zwei Schichten eingeteilt. […] Wir glaubten den Worten des alten Offiziers über unsere anschließende Heimsendung. Also schufteten wir und mühten uns mit Kipploren und Kies ab, um schnell fertig zu werden. Wir schoben die vollen Kipploren von der Kiesgrube unten hinauf zum Damm, der schnell Gestalt annahm.
Auf dem Weg zur Kiesgrube musste man eine Latte als Bremse benutzen, weil die Kipploren sonst zu schnell wurden. Es kam auch gelegentlich vor, dass eine Lore aus der Spur geriet, so dass man herausgeschleudert wurde, nicht ohne das Risiko, sich schwer zu verletzen. Sicher war, dass man dann von den SS-Soldaten fürchterlich angeschrien wurde; sie drohten mit Strafe, weil man die Arbeit sabotierte. Wir schufteten Tag und Nacht bei Schneeregen und Regen, nur beseelt von dem Gedanken, danach nach Hause geschickt zu werden.“
Das Frauenlager
„Das Lager war eigentlich nur für Frauen, und von denen gab es viele. Vor allem Zigeunerinnen und Polinnen. Sie liefen auf ihren nackten Füßen durch den Schlamm und Matsch des Zeltplatzes oder über gefrorenen Schnee und Eis auf den Feldern. Ich sah, wie sie versuchten, mit ihren nackten Füßen einen Spaten in den gefrorenen Boden zu rammen. Ich sah auch zwei Frauen, die zur Strafe, vermutlich für einen Diebstahl, den ganzen Tag mit den Armen über dem Kopf auf einer windigen Anhöhe stehen mussten. Außerdem hörte ich eine Frau, die stundenlang wie verrückt schrie. Sie war in einem kleinen Raum eingesperrt. Die Frauen wurden angewiesen, ihren üblichen Abort nicht mehr zu benutzen. Er bestand aus einer langen Reihe von Sitzen in einem geschlossenen Raum. Dieser Abort wurde uns überlassen. Die Frauen mussten auf dem angrenzenden Feld ein Loch graben, dort konnten sie sich auf einen Balken setzen. Sie waren damit sehr unzufrieden und benutzten daher weiterhin ihr altes, komfortableres ‚Klo‘.“
Fliegeralarm
„Oft wurde unsere Arbeit durch Fliegeralarm unterbrochen. Dann trotteten wir hinunter in einen Luftschutzraum, der aus einem riesigen Keller unter der Fabrik bestand. Früher war das mal eine Lederwarenfabrik gewesen, aber jetzt wurden dort Teile für V1-Bomber hergestellt. Daher konnte man davon ausgehen, dass die Fabrik ein bevorzugtes Ziel für die Bomber der Alliierten sein würde. Vom Luftschutzraum aus war es schwer zu hören, wo die Bomben fielen. Wenn wir jedoch nachts im Lager waren, fühlte es sich an, als würden die Bomben direkt vor den Fenstern fallen. Dann sprangen wir aus den Betten heraus und warfen uns auf den Boden. Auch die Mädchen kamen in den Luftschutzkeller. Wir hatten jeweils die strikte Anweisung, nicht miteinander zu verkehren. Die Mädchen fingen bald an, die schönen Lieder ihres Heimatlandes zu singen. Wir antworteten ihnen mit dänischen Liedern. So ging es oft mehrere Stunden, sehr oft endete es aber damit, dass die meisten auf dem Steinboden einschliefen.“
Aus: Flemming Hinsch, Ein politibetjents dagbog fra KZ-lejrene, Frihedsmuseets Venners Forlags Fond 1995, S. 36-39. (Übersetzung aus dem Dänischen)