Laurent Feldmann

(1923-2007)

Laurent Feldmann
Laurent Feldmann nach seiner Rückkehr nach Frankreich in Häftlingskleidung, 1945. Die Armbinde kennzeichnete ihn als Häftlingspfleger. ©Familie Feldmann

Laurent Feldmann wurde am 29. April 1923 geboren und wuchs in einer katholischen Familie in Straßburg auf. Während der deutschen Besatzung begann er sein Studium der Medizin. Die Gestapo verhaftete ihn mit 37 Kommilitonen im Juni 1943 in Clermont-Ferrand. Man warf ihnen eine „antideutsche Gesinnung“ vor. Über das Polizeihaftlager Compiègne bei Paris wurde er im Oktober 1943 nach Buchenwald deportiert, wo er in verschiedenen Kommandos arbeiten musste. Als Häftlingspfleger kam er im November 1944 nach Abteroda. Nach der Befreiung in Buchenwald kehrte er nach Straßburg zurück, beendete sein Studium und praktizierte als Arzt. Er starb 2007.





„Wir brachen in Richtung Buchenwald auf; wir marschierten etwa 100 Kilometer; drei Tage und drei Nächte.“

Aus den Erinnerungen von Laurent Feldmann

Häftlingspfleger in Abteroda
„Etwa Mitte Oktober 44 wurde ich dem Kommando Anton Abteroda zugeteilt. Das war ein kleines Dorf in der Nähe von Eisenach. Dort hatten die Deutschen mitten auf dem Land kleine Fabriken errichtet, um Flugzeug- und Motorenteile herzustellen. […] Dieses Kommando gab es noch nicht lange, es waren etwa 200 bis 250 Männer, und ein paar Schritte von der Fabrik, in der ich war, gab es ein anderes mit etwa 200 bis 250 Frauen, das damals Buchenwald unterstand.

Dort war ich Sanitäter; eigentlich machte ich die Arbeit eines Arztes ... und wusste nicht viel darüber! Ich hatte ein Jahr Medizin studiert!“

Die Wachmannschaft
„Der deutsche Kommandant war anfangs ein Feldwebel der Luftwaffe und hieß Jokisch, ein eingebildeter Trottel, der aber durch seine Dummheit gefährlich werden konnte.

Die Soldaten waren in Wirklichkeit Jungen aus der Luftwaffe, die zu SS-Männern verwandelt wurden. Am Anfang gab es nur einen echten SS-Mann in diesem Kommando, es war der Unterscharführer Müller, der, glaube ich, aus Berlin kam und von Beruf Bäcker war, und der sich da reingeschmissen hatte, wahrscheinlich um ein Dach über dem Kopf und etwas zu essen zu haben, als es in Deutschland nicht gut lief. Aber er war ein SS-Mann.

Später wurde der Jokisch durch einen echten SS-Mann ersetzt, einen Hauptscharführer namens John (wie das englische Wort John), der ein großer Mann war, der sich um nichts kümmerte; er kam nie in den Häftlingsblock, sondern ließ uns in Ruhe. Er hatte eine Tochter von etwa 18 Jahren, die er mir anvertraut hatte, um eine Warze zu behandeln; schließlich war er ein Mann, dem ich nichts Schlechtes wünschen kann, absolut nichts ... aber er war ein SS-Mann.

Und dann haben sie eines schönen Tages alle Luftwaffensoldaten in SS-Männer verwandelt, und das wurde im Allgemeinen fast immer sehr schlecht aufgenommen von den Kerlen der Luftwaffe, die überhaupt keine Lust hatten, als SS-Soldaten verkleidet zu werden. Einige aber haben es ernst genommen und wurden dann noch schlimmer als die echten SS-Männer, vor allem ein Mann namens LANG.

Der Anführer der Häftlinge war der Lagerälteste. Er hieß August (ich habe nie seinen Nachnamen erfahren). August war ein Kerl, der im Großen Krieg [Anm. Erster Weltkrieg] Feldwebel gewesen und schwer verwundet worden war (er hatte eine Kugel abbekommen, die ihm durch beide Wangen gegangen war, und er hatte eine völlig beschädigte Hüfte; er lief humpelnd wie eine Ente). Er war kein schlechter Kerl, aber ab und zu musste schlüpft er in seine Rolle als Feldwebel: Er wollte seine Autorität durchsetzen, nicht wahr? Na ja, so ist das eben ...

Und dann gab es die Kapos, es gab zwei Kapos, die ‚grün‘ waren, also Banditen, die harmlos waren. Und es gab einen Schreiber, einen holländischen Deportierten, der ein sehr tapferer Mann war.“

Räumung des Lagers
„Am 31. März (Karsamstag) wurde uns gegen Mittag gesagt: ‚Wir räumen das Kommando‘. Innerhalb kürzester Zeit mussten alle bereit sein. Wir brachen in Richtung Buchenwald auf; wir marschierten etwa 100 Kilometer; drei Tage und drei Nächte bis nach Buchenwald, vorwiegend durch den Wald, über Waldwege.

Es war der Tag nach Ostern, Ostermontag. Wir verbrachten die Nacht auf einem Bauernhof. Auf diesem Bauernhof gab es Schuppen, und in diesen Schuppen versteckten sich einige Häftlinge; in dem Heu, das dort noch lag; sie wollten fliehen.

Und dann am nächsten Tag, am Osterdienstag, als wir gerade den Bauernhof verlassen wollten, um weiter nach Buchenwald zu marschieren, war es der Lagerführer Radloff, der sagte: ‚Nicht so schnell, wir müssen einen Appell machen.‘ Also haben sie einen Appell gemacht, und es fehlten fünf oder sechs [Häftlinge]. Und sie schrien: ‚Ergebt Euch‘. Und dann haben sich alle ergeben. Und in dem Moment, als einer von ihnen aus dem Schuppen herauskam, indem er auf dem Bauch unter dem Tor durchrutschte – er war gerade dabei sich wiederaufzurichten –, schoss der Idiot neben mir; ein Kerl, der aussah, als ob er kein Wässerchen trüben könnte, schoss ihn nieder und tötete ihn.

Er war ein Russe, sein Name war Persiti, er war ein kräftiger Kerl, ein hübscher Junge, der alles konnte: Uhren reparieren, Fenster, Türen. Er hatte praktisch allen deutschen Soldaten, die dort waren, einen Gefallen getan, vielleicht sogar dem, der ihn getötet hatte.

Das war der einzige Mord während unserer Evakuierung nach Buchenwald.“

Aus: Erinnerungsbericht von Laurent Feldmann, 2004. (Familie Feldmann) (Übersetzung aus dem Französischen)