
Henri Sautereau stammte aus Saint-Igny-de-Vers im Département Rhône in Frankreich. Er hatte im Ersten Weltkrieg gekämpft und arbeitete später als Versicherungsagent. Seit 1941 war er im Widerstand aktiv, in der Gruppe „Le Coq Enchainé“. Anfang November 1943 verhaftete ihn die Gestapo. Im Januar 1944 wurde er nach Buchenwald deportiert. Über die Außenlager in Langenstein-Zwieberge und Halle kam er im Januar 1945 nach Annaburg. Im Geheimen führte er im Lager ein Tagebuch, das er bis zur Befreiung bei sich behielt. Ende April 1945 kehrte er nach Frankreich zurück. Er starb 1948 an den Spätfolgen seiner Inhaftierung.
Aus dem Tagebuch von Henri Sautereau
„8. Januar 1945
Abfahrt nach Annaburg, wir kommen erst am nächsten Tag an. Wir haben anderthalb Brote bekommen, allerdings für drei Tage. Da uns dies niemand gesagt hat, aßen wir alles auf, so dass ich genau 70 Stunden lang ohne Essen geblieben bin (ich war übrigens nicht der Einzige). Endlich ist es vorbei. – Wir werden unser Lager drei Kilometer vom Dorf entfernt aufschlagen. – Das wird nicht sehr lustig.
10. bis 13. Januar (Samstag)
Ich arbeite in einer Schreinerei, ich weiß nicht wie, aber ich bin sehr zufrieden – gutes Essen und Kontakt zu einem französischen Kriegsgefangenen. Leider hält das nicht lange an.
14. Januar bis zum 28. Januar (Sonntag)
Wir transportieren Material für den Bau von Baracken von der Straße aus mit einem Lorenwagen. Es ist nicht allzu anstrengend, aber der Schnee und die große Kälte sind gekommen, ich habe viele Risse in den Fingern, ich glaube aber, dass ich mich noch halten kann – Mit meiner Brille warte ich, bis alle gekommen sind – Mir ist schwindelig und meine Ohren klingeln. Die rechte Seite ist verstopft. Wir arbeiten im Schnee, aber die Nachrichten von der russischen Front sind gut, und wir warten ungeduldig auf eine Lösung.
1. bis 18. Februar 1945 (Sonntag)
Das schöne Wetter ist gekommen. Es ist nicht mehr so kalt. Wir halten durch, aber ich werde immer dünner. Glücklicherweise erhalte ich am 11. Februar zwei Pakete vom Roten Kreuz. Sie sind willkommen und ich esse und rauche. Auch an diesem Tag habe ich das Gefühl, fett geworden zu sein, jedenfalls geht es mir körperlich viel besser. Wir hatten Beziehungen zu den Kriegsgefangenen des Kommandos J. 48. Ich hatte die Hoffnung, eine Brille kaufen zu können, aber sie haben in Halle keine gefunden. Aber die Nachrichten sind gut, und ich hoffe, in zwei oder drei Monaten in Lyon zu sein – das Ende ist absehbar. Ich habe 2 rote Postkarten und den Brief von Valentine vom 23. Oktober zurückgeschickt, in dem sie um Pakete aus Neuchâtel bat – dies am 11. Februar. Wir sollen wegen des russischen Vormarsches nach Halle und Buchenwald zurückgeschickt werden, aber es heißt, dass wir hierbleiben werden. Wir sehen Flüchtlinge aus Dresden und Breslau und Königsberg vorbeikommen. Die Zivilisten von Annaburg bilden eine enge Verteidigungslinie – es gibt ständig Alarm und man spürt, dass es nicht mehr lange so weitergehen kann. Ich warte nun mit einer gewissen Ungeduld, denn niemand weiß, was passieren wird.





18. Februar bis 4. März 1945 (Sonntag)
Wir haben herrliches Wetter, die Arbeit ist nicht zu schwer, aber trotzdem bin ich auf den Knien und schwach, vor allem in den Knien. Am 24. Februar verstauche ich mir den Knöchel, Samstag und Sonntag ruhe ich mich aus, aber Montagmorgen humpele ich zur Arbeit (Schweinehund von Krankenpfleger). Die Brotrationen wurden gekürzt. Das geht nicht mehr. Halle arbeitet nicht mehr. Hier sind wir privilegiert im Vergleich zu ihnen. Vielleicht gehen sie zurück nach Buchenwald. Ich ziehe mein Schicksal vor. Reynal und ein Russe gehen als Strafe zurück. Wir haben alles gesehen. Wir haben keine Nachrichten, außer einer französischen Zeitung vom 20. Februar – wir können die Front noch ziemlich gut lokalisieren, aber es ist leider noch nicht vorbei. Tag und Nacht Luftalarm. Seit zwei Samstagen und Sonntagen haben wir nicht gearbeitet. Übrigens, wenn sie es wollten, gäbe es in zwei Tagen keine Arbeit mehr für uns.
Freitag, 2. März, gegen 10 Uhr.
Wir waren auf dem Dach und setzten Ziegelsteine bei fürchterlichem Orkanwetter während eines Angriffs, ein deutscher Jäger wurde abgeschossen und ging 500 m von den Baracken entfernt in Flammen auf. Rette sich, wer kann. Seitdem gehen wir während des Alarms in den Block. Eine Reihe von kleinen Bomben fiel nicht weit von Annaburg entfernt. Man spürt, dass der Krieg hierherkommt, was ich nicht [unleserlich]. Wann wird es für uns vorbei sein? Ich werde langsam müde und wünschte, ich wäre nach Frankreich zurückgekehrt – Aber wann?
5. bis 11. März 1945 (Sonntag)
Keine herausragenden Ereignisse, außer dass wir am Montag, den 12. März, nach Buchenwald zurückkehren müssen – Ach ja! Am 7. morgens habe ich einen schweren Schlag mit dem Katzenfisch [wahrscheinlich der Spitzname eines Wachmanns] erlebt. Schläge mit einem Lebel [Gewehr] auf das Schienbein, die Nieren und die Oberschenkelspitze – Ich dachte, es ginge mir schlecht – Schließlich ging es nach drei Tagen wieder. Zum Glück hatte ich schwere [unleserlich] und einen dicken Flanellgürtel!
Am Montag fahren wir nach Buchenwald […]. Schließlich werden wir sehen – Ich für meinen Teil denke, dass es die letzte Fahrt vor der Ankunft sein wird.“
Aus: Tagebuch von Henri Sauterau, 1945. (Centre d’Histoire de la Résistance et de la Déportation, Lyon) (Übersetzung aus dem Französischen)