Annaburg

8. Januar 1945 – 16. März 1945

Das Lager

Die Siebel Flugzeugwerke A.G. in Halle an der Saale verlegte im Januar 1945 Teile ihrer Produktion in eine Fabrik in das rund 100 Kilometer östlich von Halle gelegene Annaburg. Wie schon in Halle wurden auch in Annaburg Häftlinge aus dem Konzentrationslager Buchenwald als Arbeitskräfte eingesetzt. Die am 8. Januar 1945 eingetroffenen Häftlinge waren in einem abgelegenen Lager abseits der Straße von Annaburg nach Schweidnitz, am Rande eines Waldgebiets, untergebracht. Es lag auf einem flachen Sandhügel, etwa drei Kilometer von der nächsten Ortschaft entfernt. Berichten zufolge mussten die Häftlinge das Lager selbst aufbauen. Das hierfür benötigte Baumaterial wurde mit einer Feldbahn herangeschafft. Das Lager bestand aus drei Holzbaracken für die Häftlinge und einer Steinbaracke für die SS-Wachmannschaft. Gesichert war es durch einen Stacheldrahtzaun und drei Wachtürme. Zu ihrem Arbeitsort in Annaburg mussten die Häftlinge täglich rund drei Kilometer marschieren.

Die Häftlinge

100 Häftlinge brachte die SS am 8. Januar 1945 aus dem Außenlager bei den Siebel Flugzeugwerken in Halle nach Annaburg. Die Mehrheit von ihnen waren politische Häftlinge aus Polen und der Sowjetunion. Die übrigen Männer stammten aus Jugoslawien, Frankreich, Belgien und der Tschechoslowakei. Der als „Berufsverbrecher“ verfolgte Karl Reich war der einzige deutsche Häftling. Vermutlich setzte ihn die SS als Funktionshäftling ein. Als Jüngster unter den Häftlingen wurde der fast 16-jährige Leszek Przyłuski aus Warschau gemeinsam mit seinem Vater Władysław nach Annaburg gebracht. Der Vater überlebte nicht. An der Belegung des Lagers veränderte sich in den folgenden Monaten nur wenig.

„Die Zivilisten von Annaburg bilden eine enge Verteidigungslinie – es gibt ständig Alarm und man spürt, dass es nicht mehr lange so weitergehen kann.“
Henri Sautereau
Zum Erinnerungsbericht

Zwangsarbeit

Das für die Verlagerung von Teilen der Produktion der Siebel Flugzeugwerke in Annaburg eingerichtete Werk war in einigen Hallen der seit 1883 bestehenden Annaburger Steingutfabrik untergebracht. Es trug den Namen Annaburger Gerätebau. Über den Arbeitseinsatz der Häftlinge ist bekannt, dass sie in der Produktion von Zulieferteilen eingesetzt wurden. Rund die Hälfte der Häftlinge galt als Facharbeiter, alle übrigen führte die SS als ungelernte Hilfsarbeiter. Vermutlich gab es zwei Schichten zu je zwölf Stunden. Lediglich alle vier Wochen hatten die Häftlinge einen arbeitsfreien Sonntag.

Krankheit und Tod

Im Lager in Annaburg gab es keine Krankenstation. Für die Krankenversorgung war der sowjetische Häftling Leonid Orlow, ein ausgebildeter Sanitäter, zuständig. Einzelne kranke Häftlinge wurden nach Halle überstellt und durch andere Häftlinge ersetzt. Sieben kranke Männer ließ die SS am 5. März 1945 über Halle zurück nach Buchenwald bringen. Einer von ihnen, der 48-jährige Walenty Pelka aus Warschau, starb im Kleinen Lager in Buchenwald an einem Lungenödem. Für Annaburg selbst sind keine Todesfälle dokumentiert.

Bewachung

20 SS-Angehörige bildeten in Annaburg die Wachmannschaft. SS-Hauptscharführer Franz Noll (1905-1945), der Kommandoführer des Außenlagers in Halle, befehligte gleichzeitig auch die Wachmannschaft in Annaburg. Ermittlungen der Zentralen Stelle in Ludwigsburg gegen Franz Noll wurden 1975 aufgrund des Todes des Beschuldigten ergebnislos eingestellt.

Räumung

Bereits Mitte Februar 1945 wurde die Produktion in den Siebel-Werken in Halle eingestellt. Am 10. März brachte die SS die Häftlinge des Außenlagers in Halle zurück nach Buchenwald und ließ einige Tage später, am 16. März 1945, auch das Lager in Annaburg räumen. Die dort noch befindlichen Häftlinge wurden per Bahn nach Buchenwald transportiert, wo sie im Kleinen Lager unterkamen.

Spuren und Gedenken

Laut Zeugenaussage wurden die Baracken unmittelbar nach dem Krieg abgebaut und das Baumaterial weitergenutzt. Am ehemaligen Standort des Barackenlagers erinnert heute nichts mehr an die Existenz des Außenlagers.

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Annaburger Ortschronisten