
Jean Soyeux wurde am 11. Oktober 1917 im französischen Vaison-la-Romaine geboren. Er absolvierte eine Ausbildung als Polizist. Während des Krieges schloss er sich einer Widerstandsgruppe an. Die Gestapo verhaftete ihn im September 1943. Nach Monaten in den Gefängnissen von Nîmes und Marseille wurde er Mitte Mai 1944 aus dem Durchgangslager Compiègne bei Paris nach Buchenwald und kurz darauf nach Ellrich und später noch nach Günzerode deportiert. Als Beruf gab er bei seiner Ankunft in Buchenwald Landarbeiter an. Auf einem Todesmarsch gelang ihm im April 1945 die Flucht. Nach seiner Rückkehr nach Frankreich gründete er eine Familie und schrieb seine Erinnerungen an die Zeit im Lager nieder. Jean Soyeux starb 1999 in Alès.
Aus den Erinnerungen von Jean Soyeux
Abfahrt aus Buchenwald
„Am 4. Juni werden 300 Nummern (darunter auch ich) aufgerufen. Aber es ist unmöglich zu wissen, in welche Gegend wir geschickt werden. Am Nachmittag verabschiedeten wir uns von den Kameraden aus unserer Gegend und am nächsten Tag verließen wir Buchenwald frühmorgens mit unbekanntem Ziel. Ich muss zugeben, dass ich Angst hatte, als ich den Zug sah, der uns fortbringen sollte, weil ich an die letzte Fahrt [Anm.: nach Buchenwald] dachte. Aber diese Fahrt war nicht vergleichbar. Wir waren 60 Mann pro Waggon mit jeweils zwei Wachen und die Türen waren geöffnet. Auf dieser Fahrt erfuhren wir von der Landung der Angloamerikaner in der Normandie. Von nun an konnten wir mit einem baldigen Ende des Krieges rechnen.“
Ellrich-Bürgergarten
„Wir sind in einem Theatersaal nicht schlecht untergebracht. Wir schlafen in vierstöckigen Bettgestellen aus Holz auf Strohsäcken. Wir haben einen Hof mit Kiesboden, der von einer Art Park und selbstverständlich von einem elektrisch geladenen Stacheldraht umgeben ist. Waschen können wir uns an Wasserhähnen im Freien. Die Verpflegung in diesem Lager ist dieselbe wie in Buchenwald. Geweckt wird um 3.30 Uhr mit lauten Trillerpfeifen. Es wird ein Viertelliter Kaffeeersatz ausgegeben, natürlich ohne Zucker. Der Appell zieht sich bis 4.45 Uhr hin. Dann marschieren wir im Gleichschritt aus dem Lager und durchqueren die Stadt in Richtung Bahnhof, wo wir Güterwagen besteigen, die uns nach Nordhausen bringen. Dort legen wir mitten in der Stadt Wasserspeicher an, sicher für den Fall eines Bombenangriffs. Jedem wurde eine Aufgabe zugeteilt. Wer sie bis Feierabend nicht erledigt hatte, erhielt die vorgeschriebenen 25 Schläge mit dem Stock. Wir hatten nur 15 Minuten Mittagspause. Der Tag war zwölf Stunden lang. Am Abend stiegen wir wieder in den Zug und trotz der Müdigkeit stimmten wir vom Bahnhof bis zum Lager die Marseillaise oder die Madelon [Anm.: populäres französisches Lied] an.“
Die Wachmannschaft
„Der Lagerleiter war ein junger SS-Leutnant, der ziemlich ‚nett‘ war. Wir fürchteten aber seine Stellvertreter, einen Oberfeldwebel und einen Adjutanten, aber vor allem den ersten, dem wir den Spitznamen Bulldogge gegeben hatten. Den ganzen Tag war er damit beschäftigt, Schläge zu verteilen. Man konnte an ihm eine hasserfüllte Brutalität erkennen. Er war ein echter Nazi. Wir arbeiteten jeden zweiten Sonntag und am freien Sonntag mussten wir uns den Bart und den Kopf rasieren lassen. An diesem Tag machten wir uns ein wenig frisch. Die Moral bei uns war nicht schlecht, aber in Ellrich-Bahnhof [Anm.: im Außenlager Ellrich-Juliushütte] war sie sehr niedrig. Die Lagerleitung und die Wachen dort waren noch schlechter als bei uns, und wir hörten viel von Todesfällen unter den Franzosen.“
Aus: Jean Soyeux, J’étais déporté politique, Vaison-la-Romanie, ohne Jahr (1946/47), S. 24 ff., wiederabgedruckt in: Roger Henry, Souvenirs en vrac 1936-1945, Aix-en-Provence 2014. (Übersetzung aus dem Französischen)