Trude Levi

(1924-2012)

Gertrude Mosonyi, 1943
Gertrude Mosonyi, 1943 ©Wiener Holocaust Library Collections

Trude Levi wurde am 23. April 1924 als Gertrude Mosonyi in Szombathely, Ungarn, als Tochter einer Österreicherin und eines Ungarn geboren. Im Mai 1944 mit ihrer sozialistischen jüdischen Familie in ein Ghetto gezwungen und im August nach Auschwitz deportiert, brachte die SS sie im September zur Zwangsarbeit in das Buchenwald-Außenlager Hessisch Lichtenau. Bei der Evakuierung des Lagers kam sie nach Leipzig-Schönau, wo sie am 23. April 1945 auf einem Marsch aus dem Lager bei Klingenhain zurückblieb. Nach der Befreiung ging Mosonyi zur Erholung nach Frankreich. 1946 heiratete sie den Musiker Stephan Deak, mit dem sie im April 1948 nach Südafrika übersiedelte. 1949 emigrierte sie mit ihrem sechs Monate alten Sohn nach Israel, 1957 wanderte die Familie nach England aus, wo sie in London als Archivarin, Bibliothekarin und Pädagogin arbeitete. 1970 heiratete sie Franz Levi. Nach ihrer Pensionierung schrieb sie zwei Bücher über ihre Kriegserlebnisse. Trude Levi starb am 5. Dezember 2012 in London.





„Eine Granate wog 20 Kilo, und wir mussten lernen, mit zwei Granaten gleichzeitig umzugehen.“

Aus den Erinnerungen von Trude Levi

Baracken
„Drei Tage später kamen wir in einem Ort namens Hessisch-Lichtenau an, der nicht weit von Kassel entfernt war. Im Lager befanden sich kleine Baracken mit jeweils 6 Räumen, mit gepflegten Rasen- und Baumstreifen sowie einem schönen Duschraum, der uns zur Verfügung stand und in dem wir uns einmal am Tag waschen konnten. Wir hatten Stockbetten mit Strohballen zum Schlafen und obwohl es ziemlich warm war, gab es in jedem Zimmer einen Heizkörper und wir hatten Zentralheizung. […] Wir erhielten jeweils eine Decke und einen Mantel und eine Nummer auf einem riesigen weißen Quadrat, das fast den Rücken bedeckte und an alle Kleider genäht werden musste.“

Hygiene
„Während der ersten vier Tage konnten wir nach Herzenslust schlafen, essen, waschen und singen. Das Leben schien ein Paradies zu sein. Doch am fünften Tag wurden die Duschräume verschlossen, und man sagte uns, dass wir, da wir Schweine seien, sie nicht sauber genug hielten und es daher nicht verdienten, überhaupt zu duschen. Die Baracken waren überhitzt und in den Strohstapeln tauchten Wanzen auf. An Schlaf war kaum noch zu denken.“

„Eine Zeit lang hatten wir noch einige Wasserhähne mit kaltem Wasser zur Verfügung, dann wurde diese Waschmöglichkeit auf eine halbe Stunde pro Woche reduziert, in der man seine Kleidung und sich selbst in jeweils etwa 2 oder 3 Minuten waschen musste; aber auch das wurde später eingestellt. Nach Einbruch der Dunkelheit durften wir die Baracken nicht mehr verlassen, es sei denn, wir waren auf Arbeit; aber einige von uns riskierten trotzdem ihr Leben, um sich wenigstens nachts im Schnee waschen zu können.“

Zwangsarbeit
„Am sechsten Tag begannen wir mit der Arbeit: Wir wurden in vier Gruppen eingeteilt. Die erste Gruppe arbeitete völlig getrennt von uns in einer nahegelegenen Fabrik für Schwefelprodukte. Ihre Arbeit war sehr leicht; sie wurden sehr gut ernährt; innerhalb von zwei Wochen bekamen sie eine gelbe Haut und gelegentlich brach einer von ihnen plötzlich in Schreie aus – offensichtlich aufgrund von schrecklichen Schmerzen die 3-4 Tage und Nächte lang zu hören waren – und dann verstarb die Person an einer Schwefelvergiftung.

Die anderen drei Gruppen, zu denen auch ich gehörte, wurden in eine Munitionsfabrik gebracht, die etwa 6 Kilometer vom Lager entfernt war. Wir hatten 8-Stunden-Schichten: von 6 Uhr bis 14 Uhr, von 14 Uhr bis 22 Uhr und von 22 Uhr bis 6 Uhr. Am Sonntag wurden wir mit dem Zug gebracht, aber hauptsächlich sind wir zu Fuß zur Fabrik gegangen. Den Rückweg mussten wir immer zu Fuß gehen. Die Arbeit bestand darin, die Mischung für die Granate oder, in einem anderen Teil der Fabrik, für die Minen vorzubereiten. Danach mussten wir die Mischung in die Schalen gießen und danach kamen die Schalen auf ein Band und wurden durch verschiedene Phasen versiegelt. Schließlich wurden die Granaten in einen flachen, vierrädrigen Eisenwagen geladen, der durch eine Eisentür auf Schienen geführt wurde; diese Schienen führten etwa 100 Meter einen Hügel hinunter, wo sich eine weitere Eisentür nach außen öffnete, die aber immer geschlossen war und jedes Mal geöffnet werden musste. Der Waggon führte in den Lagerraum, wo er entladen wurde; ein paar Tage später wurde er dann wieder in Eisenbahnwaggons verladen. Das alles musste mit großer Geschwindigkeit geschehen. Eine Granate wog 20 Kilo, und wir mussten lernen, mit zwei Granaten gleichzeitig umzugehen. Die ersten beiden Tage gehörte ich zu den Glücklicheren, denn meine Aufgabe war es, mit zwei Zangen am Band zu sitzen und jede Schraube an den ankommenden Granaten festzuziehen.

[…] Ich hielt mich nicht für glücklich und bat den deutschen Vorarbeiter, der mir sympathisch zu sein schien, mir eine andere Arbeit zuzuweisen, mich aber nicht auf dem Band zu lassen; er erfüllte meine Bitte und setzte mich wie ein Pferd auf den Waggon. […]

Man musste den Wagen im Dunkeln führen; er wog 40 Tonnen, plus die abgeladenen 50 Granaten. Ich musste vor dem Wagen laufen, und hinten war eine weitere Person, die den Wagen mit einer Bremse ein wenig steuern konnte. Aber man musste sich sehr genau bewegen, um nicht durch die Eisentür, das Gewicht des Wagens oder die herabfallenden Körner eingeklemmt zu werden, wenn man das Beladen nicht richtig anstellte. Bald fing es an zu schneien, meine Schuhe waren abgenutzt und ich musste meine Arbeit barfuß verrichten.“

Luftangriffe
„Die Bombardierungen wurden immer häufiger; gelegentlich kam das eine oder andere notwendige Material nicht rechtzeitig an: Die Produktion musste eingestellt werden; für uns war das eine Hoffnung, aber es machte uns das Leben noch schwerer. Die Deutschen rächten sich an uns für solche Verzögerungen: Sie zwangen uns, Steinhaufen zu sammeln, sie an einem anderen, weit entfernten Ort aufzutürmen, sie dort in gleichmäßige Haufen zu legen, und wenn alle Steine abgelagert waren, mussten wir sie zurücktragen, und diese Prozedur mussten wir gelegentlich 5-6 Mal am Tag durchführen. An anderen Tagen, wenn es keine Arbeit gab, mussten wir die Fabrik putzen, dann den Dreck wieder verteilen, und die Arbeit wieder von vorne anfangen. Eine weitere unregelmäßige Aufgabe bestand darin, riesige Säcke mit feuchtem Salz zu tragen und wieder zurückzuschleppen. […]

Die Luftangriffe häuften sich, und bei mehreren Gelegenheiten, wenn wir mit dem Zug zur Arbeit fuhren, gab es eine Bombardierung mit sehr niedrig fliegenden Flugzeugen, und zwei- oder dreimal wurde der Motor des Zuges in Brand gesetzt, während wir im Zug saßen. Die deutschen Wachen wurden in der Fabrik immer unruhiger: Es fehlte an Material und die Produktion wurde für immer längere Zeit eingestellt. Inzwischen bekamen wir kaum noch etwas anderes zu essen als einmal am Tag eine Suppe, in der sogar das Salz und eine Art Gemüse (eine Art Rübe, die man normalerweise an Ochsen verfüttert) fehlten.“

Aus: Erinnerungsbericht von Gertrude Deak/Trude Levi, Wiener Holocaust Library Collections, 1958. (Übersetzung aus dem Englischen)