Armand Roux

(1886-1960)

Armand Roux. Zeichnung von Camille Delétang, 17. Januar 1945
Armand Roux. Zeichnung von Camille Delétang, 17. Januar 1945 ©KZ-Gedenkstätte Mittelbau-Dora

Armand Roux wurde am 1. Februar 1886 im französischen Thouarcé geboren. Der Mediziner war seit 1929 Bürgermeister der Landgemeinde Latillé (Département Vienne). Unmittelbar nach dem deutschen Einmarsch schloss er sich der Résistance an. Unter anderem half er Flüchtlingen und versteckte abgeworfene Waffen und Güter. Anfang 1944 verraten, verhaftet und im April nach Auschwitz deportiert, überstellte ihn die SS im Mai nach Buchenwald und im September in das Außenlager Holzen. Dort war er als Häftlingsarzt eingesetzt. Die Befreiung erlebte er im April 1945 in Bergen-Belsen. Nach der Rückkehr nach Frankreich arbeitete er wieder als Arzt und Bürgermeister. 1949 schrieb er seine Erinnerungen für seine Familie auf. Armand Roux starb 1960 in Latillé.





„Unser Hügel war ein Ausflugsziel für die Eingeborenen des Landes geworden, die sich mit ihrer Familie ein sonntägliches Vergnügen gönnten ... Wir machten auf sie den Eindruck von Zoo-Tieren.“

Aus den Erinnerungen von Armand Roux

Camping … und langsamer Tod
„In dieser ganzen Zeit mussten wir in Zelten wohnen. Wir schliefen auf dem Stroh, das niemals gewechselt wurde. Schmutz beherrschte die Sträflinge. Das Wasser, das aus einer Quelle herangeführt wurde, wurde über einen einzigen Wasserhahn verteilt. […] Es war ein brackiges Wasser, von brauner Farbe, in dem Luftblasen aufstiegen. Man musste sich hüten, es zu trinken. Uns wurden große Kübel geliefert, um dies Wasser aufzufangen. […] Aber was konnte man mit diesen Dutzend Kübel angesichts von 300 Männern ausrichten? Wie sollte man sich ohne Seife von dem Dreck befreien, der uns noch während der Nacht auf unseren Strohsäcken bedeckte? Unsere größten Sorgen waren die Abszesse und Entzündungen, die ihre Träger tagelang gefährdeten und die wir nicht mit chirurgischen Mitteln behandeln konnten, weil wir keine Mittel zur Desinfektion nach dem Ausräumen der fürchterlichen eitrigen Flüssigkeit hatten.“

Arbeitskommandos
„Um den schlechten Zustand des Reviers auszugleichen baten wir darum, die Verbände vor Ort anlegen zu können, auf den Arbeitsstellen, zur Zeit der Mittagssuppe. Das wurde zugestanden, und wir gingen mit Verbandsmaterial und Hilfsmitteln durch den Wald […], überwacht von zwei SS-Männern, die über diesen Zusatz-Wachdienst alles andere als erfreut waren. [...] Während dieser Ausflüge sahen wir, wie die Baracken errichtet wurden [...]. Wir konnten auch feststellen, unter welch schändlichen Bedingungen einige der unsrigen arbeiteten, den ganzen Tag bis zum Knie im Wasser, in Schuhen ohne Sohlen, ohne Strümpfe, verfroren, erschöpft unter der Fuchtel einiger Meister, die die Knüppel gern tanzen ließen. Wir sahen auch Soldaten, die den Gewehrkolben benutzten, um den Fleiß deren wiederzubeleben, die zusammenbrachen.
Ein einziges Kommando besuchten wir nie. Das war das Waldkommando, das sieben Kilometer entfernt arbeitete. Es musste bald auf dem Lastwagen dorthin gebracht werden, weil die Erschöpfung der Holzfäller derartig groß war, dass sie – angekommen an der Arbeitsstelle – nicht die geringste Leistung erbrachten. Es war erbarmungswürdig, abends diese armen Unglücklichen sich auf den Pfad herausschleppen zu sehen, der zum Lager führte.“

Zoo-Tiere
„Bald wurde es nötig, sich an das Aufspüren und Bekämpfen der Läuse zu machen […]. Das war auch Bestandteil der Buchenwaldschen Vorschriften für das Revier. Es war ein echtes Schauspiel, als wir eines Sonntags alle zusammenrufen mussten. Die Männer mussten alle total nackt an mir und Bailleul vorüberziehen, während die Einwohner des benachbarten Dorfes ihren Spaziergang um das Lager herum machten. Unser Hügel war ein Ausflugsziel für die Eingeborenen des Landes geworden, die sich mit ihrer Familie ein sonntägliches Vergnügen gönnten und sich das Schauspiel ansahen, das die Banditen in den gestreiften Anzügen aufführten, die das große Reich zum Ruhme Hitlers hierher gebracht hatte. Wir machten auf sie den Eindruck von Zoo-Tieren“.

Baracken
„Das Leben in den Baracken unterschied sich vom Leben in den Zelten. Die Essensversorgung änderte sich nicht, aber sie wurde regelmäßiger und sauberer. Wir hatten jetzt eine eigene Küche mit großen Kochtöpfen […]. Die Köche wurden von uns gestellt. Jeder hatte seinen eigenen Strohsack auf einer Ebene der Etagenbetten. Es gab nur einen Mann pro Bett. Die Baracke wurde von mehreren Öfen geheizt, die entlang des Mittelgangs aufgestellt waren. Das Fehlen der Decken machte sich weniger bemerkbar. […]
Die Küche war zusammen mit den Vorratsräumen gebaut worden. Zum Schluss wurde aus sich überlappenden Brettern ein Häuschen errichtet, das einen großen zweigeteilten Zementgraben überdachte und uns als WC diente. […] Es gab im WC sogar ein abgetrenntes Klosett, das den Lagerältesten vorbehalten war, denn der Hintern dieser Herren konnte sich nicht auf die gleichen Zementränder setzen wie der Hintern der gemeinen Gefangenen, einfaches Vieh ohne Bedeutung.“

Inspektion
„Damit die Chefs der SS sich einen Eindruck über die allgemeine Schwäche der Häftlinge machen konnten, ließen wir vor den Inspektoren eine gewisse Anzahl von diesen Unglücklichen aufmarschieren, wandelnde Skelette mit Ödemen an den Beinen, mit schwarz verfärbter Haut, tiefen Augenhöhlen, bleichen Lippen. […] Sie konnten sich kaum aufrecht halten. Es waren Lungenkranke darunter, solche mit Rippenfellentzündung, Verletzte mit imposanten Verbänden, die vor Fieber zitterten. Dem SS-Offizier wurde übel. Er wandte sich angewidert ab und wollte niemanden mehr sehen.“

Aus: Armand Roux, Im Zeichen des Zebras. Aufzeichnungen eines Überlebenden über das KZ-Außenlager Holzen und den Todesmarsch in das KZ Bergen-Belsen, Holzminden 2015 [Latillé 1949], S. 44 ff.