Josef Procházka kam am 2. November 1901 in Protivanov im heutigen Tschechien zur Welt. Weil er Mitglied einer Organisation war, die sich der Annexion der Tschechoslowakei widersetzte, verhaftete ihn die Gestapo Ende Mai 1940. Über Dachau im September 1942 nach Buchenwald deportiert, wurde er einen Monat später nach Köln zur Zwangsarbeit gebracht. Aus unbekannten Gründen entließ ihn die SS im August 1943. Josef Procházka kehrte nach Olomouc zurück, wo er vor seiner Festnahme mit seiner Frau gewohnt hatte. 1945 veröffentlichte er einen Bericht über seine Hafterfahrungen, den er bereits vor dem Ende der NS-Herrschaft verfasste. Über sein Leben danach ist nichts bekannt.
Aus den Erinnerungen von Josef Procházka
Ankunft am Bahnhof in Köln-Deutz
„Als wir auf dem Bahnsteig ankamen, schauten wir uns um, ob wir etwas Zerstörtes entdecken konnten. Wir sahen mehrere stark beschädigte Häuser in der Nähe des Bahnhofs und dachten, dass sie wohl zum Bahnhof gehören, die Flieger aber ihr Ziel verfehlt hatten. Als wir in unseren Abteilen auf dem Bahnsteig standen, kamen deutsche Fahrgäste und sahen uns an, als wären wir eine exotische Erscheinung. Ein Lächeln umspielte ihre Münder. Einer der Gaffer erklärte seinen Begleiterinnen, dass wir englische Piloten und Fallschirmjäger seien. Eine der Damen entgegnete ihm, sie habe gehört, wir seien amerikanische Truppen, die beim Versuch, in Nordfrankreich zu landen, gefangen genommen worden seien.“
Das Lager
„Wir stolperten, geschlagen und angeschrien, mit unseren Lasten zu dem improvisierten Lager. Einige der Gebäude waren nach dem vorherigen Bombardement wieder instand gesetzt und mit Stacheldraht umgeben worden, hinter dem starke Einheiten postiert waren. Konzentrationslager Köln ... und die Patrouillen wurden verstärkt. Es handelte sich jedoch nicht um SS-Patrouillen, sondern um deutsche Polizisten und Gendarmen. Die SS-Männer waren nur für die interne Verwaltung des Lagers zuständig und fungierten als ‚Kommandoführer‘. Wir dachten, dass es hier besser sein würde, aber sie bereiteten uns einen sehr unangenehmen Empfang. Wir waren 1 400 Menschen in einem Raum, dem sogenannten ‚Kongressaal‘, eingepfercht. An Schlaf war nicht zu denken, denn wir mussten auf die Zuteilung unserer Betten warten. Endlich, kurz vor 11 Uhr nachts, wurden uns die Betten zugewiesen. Es handelte sich um die üblichen drei Etagenbetten. Jeder, dem ein Bett zugewiesen wurde, erhielt einen Schlag mit einem Stock auf den Kopf. Diese Exekution wurde ohne ersichtlichen Grund von einem Haudegen, einem Sudetendeutschen aus Ústí, durchgeführt. An seinem Ärmel trug er ein Band mit der Aufschrift ‚Aussig‘. Er bereitete den SS-Männern, die bei der Zuteilung der Betten und den Schlägen zusahen, Vergnügen und Belustigung.“
Zwangsarbeit und Sabotage
„Wir mussten nach Köln gehen, um ‚Bunker‘ oder Festungen gegen die Engländer und Amerikaner zu bauen, damit sie nicht in das ‚Paradies‘ des Dritten Reichs eindringen konnten. Wir waren Betonarbeiter, Zimmerleute, Maurer, also Handwerker aller Art, obwohl wir eigentlich Intellektuelle waren. Aber wir konnten jede Arbeit machen. Wenn wir nicht zufällig beobachtet wurden, ließen wir unsere Arbeit immer schlecht aussehen. So haben wir beispielsweise Papiersäcke mit Zement in das Mauerwerk einer Betonfestung gestopft. Das haben wir so gemacht, dass man von außen nichts sehen konnte, wenn man sie entfernte. Außerdem haben wir neue Häuser gebaut: unten aus Beton und oben ein Stockwerk aus Holz für die von den Luftangriffen betroffenen Deutschen. Wir sabotierten, so gut wir konnten, obwohl uns die Todesstrafe drohte. Wir mussten Sand aus dem Rhein schaufeln und ihn in Marmeladeneimern die Treppe hinauftragen. Die mit nassem Sand gefüllten Eimer hatten keine Griffe und wogen bis zu 30 Kilogramm. Mit dieser Last musste der Häftling den ganzen Tag über 60 Stufen hinaufsteigen. Keiner würde glauben, wozu ein Mann fähig ist, selbst wenn er hungrig und erschöpft ist. Die Kölner brauchten uns. Wir mussten Möbel aus ihren beschädigten Häusern transportieren. Sogar große und schwere amerikanische Öfen mussten aus dem 6. Stock auf Autos verladen und dann in einem Lagerhaus neben unserem gestapelt werden. Die Deutschen gaben uns dafür nicht einmal ein Stück Brot. Es gab keine Anerkennung oder Sympathie.“
Die Wachmänner
„Wir dachten, die Polizisten und Gendarmen, die uns bewachten, wären besser als die SS. Ja, es waren die älteren Deutschen, die einst Hindenburgs ‚Deutsche Republik‘ bildeten. Mit einigen von ihnen konnten wir Kontakt aufnehmen. Der Kontakt war freundlicher, wenn keine SS oder andere deutsche Zivilisten in der Nähe waren. Diese Polizisten und Gendarmen schickten uns dann heimlich ‚schwarze‘ Briefe, d. h. ohne die Zensur des Lagers, und brachten uns Zigaretten oder sogar ein Stück Brot. In ihren Gesprächen mit uns verfluchten sie das Regime, doch sie taten ihre Pflicht, wie ihnen befohlen wurde. Sie waren sehr vertraulich und taten alles, was wir wollten. Wenn jedoch einer von uns versucht hätte, aus dem Konzentrationslager oder dem Arbeitskommando zu fliehen, wäre er leider umgebracht worden. In diesem Moment hörte der deutsche Gendarm oder Polizist auf, ein Freund zu sein, zückte sein Gewehr und ‚liquidierte‘ den Deserteur kaltblütig.“
Bomberangriff auf Köln
„Eines Nachts, noch bevor der Fliegeralarm ausgelöst worden war, gab es ein furchtbares Grollen, ein Dröhnen, das Bellen von Maschinengewehren und das Dröhnen von Flakgeschützen. Die Erde bebte, als ob das Ende der Welt gekommen wäre. Die Engländer setzten 5-Tonnen-Bomben und Luftminen ein. Außerdem wurden Phosphor-Brandbomben zweier Arten in großem Umfang abgeworfen. Die Stadt verwandelte sich in eine Hölle mit einem gewaltigen Schmelzofen. Nach etwa einer Viertel- bis halben Stunde wurde der Befehl gegeben, die Lastwagen, Schlepper, Traktoren und Jitneys zu besteigen, um diejenigen zu retten, die dezimiert und zerstört wurden. Die englischen Flieger nahmen ein Viertel nach dem anderen ein. Das war ziemlich organisiert und sparsam. Während meines Aufenthalts in Köln erlebte ich acht größere und vier kleinere Angriffe auf dem Rückweg nach England. Ganze Stadtteile wurden durch Luftminen weggefegt. Häuserblocks und sechsstöckige Paläste verschwanden völlig unter 5-Tonnen-Bomben. Was noch stand, wurde verbrannt. Die Brandbomben drangen bis in die Keller ein, egal wie hoch das Haus war, und explodierten dort. Alle Häuser brannten von unten her. Keines vom Dach aus. Hunderte von Deutschen starben in den Luftschutzkellern, meist an Erstickung.“
Nach einem Unfall
„In Köln wurde ich bei der Arbeit zweimal schwer verletzt und war bis zu 24 Stunden lang bewusstlos. Bei einem Sturz erlitt ich eine schwere Gehirnerschütterung. Ich konnte weder gehen noch sprechen und sah alles mehrfach, als ich das Bewusstsein wiedererlangte. Ich war ein Krüppel, der nicht einmal alleine aufstehen konnte. Sie ließen mich im Krankenrevier ohne medizinische Hilfe zurück, zusammen mit anderen Unglücklichen. Dank meiner guten körperlichen Verfassung und meines Willens erwachte ich und erholte mich langsam. Am zweiten Tag nach meinem Unfall, als ich bereits wieder bei Bewusstsein war, kam Lagerkommandant Völkner ins Revier und fragte den Flegel, ob ich schon tot sei. Er antwortete: ‚Noch nicht! ‘ Am nächsten Tag kam er wieder, um nachzufragen. Als er sah, dass ich noch lebte, kam er nicht wieder. Nach drei Wochen, als ich noch nicht vollständig genesen war, musste ich zur Arbeit gehen und arbeitete wie ein Krüppel. Meine Freunde drohten mir, mich aus dem ‚Krankenrevier‘ zu schicken, damit ich so bald wie möglich arbeiten konnte.“
Aus: Josef Procházka, Německý koncentrační tábor, Olomouc 1945. S. 70 ff. (Übersetzung aus dem Tschechischen)