Kransberg

7. Dezember 1944 – 28. März 1945

Das Lager

Seit Beginn des Zweiten Weltkrieges wurde das Schloss Kransberg, oberhalb der gleichnamigen Gemeinde im östlichen Taunus gelegen, militärisch genutzt. Es war zunächst als Teilobjekt des sogenannten Führerhauptquartiers Adlerhorst ausgebaut worden. SS-Chef Heinrich Himmler ließ Ende 1944 im Zuge der Ardennenoffensive im Schloss eine Kommandostelle einrichten. Dies hatte weitere bauliche Maßnahmen zur Folge. Hierfür brachte die SS im Dezember 1944 Häftlinge aus dem Konzentrationslager Buchenwald nach Kransberg. Die Kommandostelle und auch das neue Buchenwalder Außenlager trugen die Tarnbezeichnung „Tannenwald“. Die Unterbringung der Häftlinge erfolgte außerhalb der Schlossmauern in einem eingezäunten Areal in unmittelbarer Nähe zum Kransberger Friedhof. Neben den Unterkunftsbaracken umfasste das Lager Berichten zufolge eine Küche, eine Krankenstation, einen provisorischen Waschplatz und eine Latrine.

Schloss Kransberg, Ansichtskarte 1907
Schloss Kransberg, Ansichtskarte 1907 ©Gedenkstätte Buchenwald

Die Häftlinge

Am 7. Dezember 1944 brachte die SS ein Vorkommando mit zehn Häftlingen nach Kransberg. Die Männer waren zuvor in Buchenwald als Funktionshäftlinge und Facharbeiter ausgewählt worden. Den Betonpolier Josef Wagner aus Uelzen (Hannover), als KPD-Mitglied seit Oktober 1942 in Buchenwald inhaftiert, setzte die SS als Lagerkapo ein. Durch weitere Überstellungen stieg die Zahl der Häftlinge auf einen Höchststand von 42 Männern. Der größte Häftlingstransport mit 28 Männern erreichte Kransberg am 8. Februar 1945. Die meisten von ihnen kamen erst wenige Tage zuvor aus dem Gestapogefängnis „Steinwache“ in Dortmund und aus Auschwitz nach Buchenwald. Insgesamt sind Häftlinge aus zehn Ländern in Kransberg nachzuweisen. Sowjetische, polnische und tschechische Häftlinge bildeten die größten Gruppen unter ihnen. Die Mehrheit der Männer hatte eine handwerkliche Ausbildung: Zu ihnen zählten Maurer, Zimmerer, Schlosser, Schmiede, Schuster oder Elektriker. Einem sowjetischen Häftling gelang wenige Tage vor der Räumung des Lagers die Flucht.

„Immer wenn die Glut im Ofen erlosch, bekam man sofort die Kälte zu spüren.“
Gerard Dziemba
Zum Erinnerungsbericht

Zwangsarbeit

Den Auftrag für die als „kriegswichtig“ angesehene Baumaßnahme hatte die Bauinspektion „Rhein-West“ der Waffen-SS und Polizei in Wiesbaden gegeben. Die Bauleitung lag bei der „Organisation Todt“ (OT). Der Arbeitseinsatz der Häftlinge ist ab dem 11. Dezember 1944 belegt. Nachdem das Barackenlager errichtet worden war, begann die eigentliche Tätigkeit: Die Häftlinge mussten in körperlicher Schwerstarbeit einen Fluchttunnel in den Schlossberg treiben. Ziel war es, eine Verbindung zu einer bereits bestehenden Bunkeranlage im Schloss herzustellen. Täglich brachte die SS die Häftlinge aus dem Lager hinunter zur Hauptstraße am nördlichen Ortseingang, wo sich die Baustelle befand. Den Abraum verkippten sie in der Ortsmitte in einem Teich. Der projektierte Fluchttunnel blieb unvollendet, obwohl bis zur Räumung des Lagers über 30 Meter gebohrt, geschlagen und gesprengt wurden. Neben dem Einsatz auf der Baustelle setzte die Leitung einzelne Häftlinge für Lagerdienste und für die Reparatur von Schuhen und Stiefeln ein.

Krankheit und Tod

Für eine rudimentäre Versorgung der Kranken vor Ort brachte die SS Ende Dezember 1944 den tschechischen Häftlingsarzt František Brejcha aus Buchenwald nach Kransberg. Laut einem Monatsbericht des Kommandoführers für Januar 1945 kamen Magen- und Darmerkrankungen, Verkühlungen, Zahnschmerzen und Abszesse am häufigsten vor. Dauerhaft kranke Häftlinge wurden zurück nach Buchenwald geschickt, so etwa der Tscheche Josef Pova, der an einem eitrigen Abszess am Hals litt, oder der Ukrainer Nikolaj Spuskan, bei dem ein Magengeschwür diagnostiziert worden war. Todesfälle sind für das Außenlager in Kransberg nicht belegt.

Bewachung

Die Bewachung des Außenlagers und des Arbeitseinsatzes erfolgte höchstwahrscheinlich durch die SS und Polizei-Wachkompanie der Kommandostelle Schloss Kransberg. Für Januar 1945 ist belegt, dass hierfür 25 Angehörige der Gendarmerie zur Verfügung standen. Die Buchenwalder SS stellte lediglich den Kommandoführer des Außenlagers, SS-Unterscharführer Johann Plicht (geb. 1914), und einen weiteren SS-Mann. Plicht stammte aus Danzig und war 1942 aus dem Konzentrationslager Stutthof zum Kommandanturstab des Konzentrationslagers Buchenwald versetzt worden. Bevor er nach Kransberg kam, befehligte er das Außenlager in Halle. Strafrechtliche Verurteilungen wegen Verbrechen im Außenlager Kransberg gab es nicht.

Räumung

In der Nacht vom 30. auf den 31. März 1945 erreichten amerikanische Einheiten Kransberg. Bereits am 22. März hatte die SS elf Häftlinge zurück nach Buchenwald geschickt. Um den 28. März räumte die SS das Lager endgültig. Zunächst zu Fuß und später per Bahn wurden die verbliebenen 30 Häftlinge nach Buchenwald gebracht, wo sie drei Tage später eintrafen. Wie viele von ihnen die SS kurz darauf bei der Räumung von Buchenwald auf Todesmärsche trieb, ist nicht bekannt.

Spuren und Gedenken

In der unmittelbaren Nachkriegszeit befand sich im Schloss Kransberg ein britisch-amerikanisches Verhörzentrum („Dustbin“), in dem NS-Funktionäre aus Wissenschaft, Technik und Rüstung interniert waren. Bis zur Privatisierung im Jahre 1994 wurde das Schloss militärisch und nachrichtendienstlich genutzt. Anfang der 1950er-Jahre verschwanden die letzten Reste des Barackenlagers. Heute ist das aufgeschüttete Gelände ein Parkplatz. Der exakte Standort geriet bis Ende der 1980er-Jahre weitgehend in Vergessenheit. Seit 2013 erinnern am Standort des ehemaligen Barackenlagers und am Ort des unvollendeten Tunnels Informationstafeln an das KZ-Außenlager.

Link zum heutigen Standort auf GoogleMaps
Link zum Standort der Erinnerungstafel am unvollendeten Tunnel auf GoogelMaps

Kontakt:
Arbeit und Leben (DGB/VHS) Hochtaunus

Literatur:

Bernd Vorlaeufer-Germer, Das Außenkommando „Tannenwald“. Neben Schloss Kransberg arbeiteten Häftlinge des Konzentrationslagers Buchenwald, in: Jahrbuch Hochtaunuskreis 25 (2017), S. 205-210.


Im KZ Auschwitz angefertigte erkennungsdienstliche Aufnahme von Gerard Dziemba, 1942
Im KZ Auschwitz angefertigte erkennungsdienstliche Aufnahme von Gerard Dziemba, 1942 ©The Archive of The State Museum Auschwitz-Birkenau in Oświęcim
„Immer wenn die Glut im Ofen erlosch, bekam man sofort die Kälte zu spüren.“

Gerard Dziemba

Der am 21. April 1914 im schlesischen Antonienhütte (heute Wirek) geborene Gerard Dziemba war 29 Jahre alt, als die SS ihn nach Kransberg brachte. Mitte 1942 verhaftet, deportierte ihn die SS im Juni 1942 als politischen Häftling zunächst in das Konzentrationslager Auschwitz und von dort Ende Januar 1945 nach Buchenwald. Wie auch schon sein Vater war er gelernter Bautechniker. Ende April 1945 wurde er auf einem Todesmarsch bei Stamsried in der Oberpfalz befreit und kehrte in seine Heimat zurück. Mit seiner Hilfe gelang es Lokalhistorikern Ende der 1980er-Jahre, den genauen Standort des ehemaligen Außenlagers zu rekonstruieren. Er starb 1994.



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