
Das Lager
Im März 1935 eröffnete die Junkers Flugzeug- und Motorenwerke AG ein neues Zweigwerk in Leopoldshall, heute ein Stadtteil von Staßfurt in Sachsen-Anhalt, zwischen Magdeburg und Halle (Saale) gelegen. An vielen Standorten setzte das Unternehmen KZ-Häftlinge in der Flugzeugproduktion ein. Auch die Werksleitung in Leopoldshall forderte Ende 1944 Häftlinge von der SS an. Das „Kommando Leopoldshall“, so die offizielle Bezeichnung, war eines von elf KZ-Außenlagern, die die Buchenwalder SS gemeinsam mit der Junkers AG einrichtete. Die ersten Häftlinge trafen am 28. Dezember 1944 in Leopoldshall ein. Wo genau sie auf dem Werksgelände in der heutigen Industriestraße untergebracht waren, ist nicht bekannt. Jüdische Häftlinge, die im Februar 1945 zusätzlich nach Leopoldshall kamen, mussten ein Barackenlager errichten. Wo genau dieses lag und ob es noch für die KZ-Häftlinge genutzt wurde, ist ebenfalls nicht bekannt.
Die Häftlinge
Am 21. Dezember 1944 musterte die SS in Buchenwald Häftlinge für den Einsatz in Leopoldshall. Ausgewählt wurden 106 Männer im Alter von 19 bis 48 Jahren, die erst kurz zuvor aus Dachau und Auschwitz nach Buchenwald gekommen waren. Die meisten stammten aus der Sowjetunion und Polen, die übrigen aus Frankreich, Jugoslawien, Deutschland, Italien, der Tschechoslowakei oder Spanien. Gemäß den Forderungen der Junkers AG handelte es sich ausschließlich um gelernte oder angelernte Schlosser, Dreher, Fräser, Bohrer, Mechaniker oder Elektriker. 100 von ihnen brachte die SS eine Woche später nach Leopoldshall. Eine zweite große Gruppe Häftlinge – als jüdische Häftlinge kategorisierte Männer unterschiedlicher Nationalität – überstellte die SS Mitte Februar 1945 aus dem Außenlager Schönebeck, ebenfalls ein Junkers-Lager, nach Leopoldshall. Zuvor hatten sie die Lager in Auschwitz oder das Zwangsarbeitslager für Juden in Tschenstochau (Częstochowa) durchlaufen. Auch sie galten alle als Facharbeiter und waren entsprechend ausgewählt worden. Die Belegung des Lagers blieb relativ konstant. Anfang März 1945 flohen sechs sowjetische Häftlinge. Kurz vor der Räumung befanden sich noch 157 Männer im Lager.

Zwangsarbeit
Die Häftlinge mussten in der Flugzeugproduktion Zwangsarbeit leisten. Sie alle galten als Facharbeiter, weshalb die Werksleitung den höheren Satz von sechs Reichsmark pro Häftling und Arbeitstag an die SS zahlen musste. Details über die Arbeiten und Arbeitsbedingungen sind bisher nicht bekannt. Belegt ist lediglich, dass im März 1945 ein Teil der Häftlinge in einer nahegelegenen unterirdischen Schachtanlage arbeitete, wohin Teile der Produktion des Junkerswerks verlagert worden waren. Eine zweite Gruppe wurde vermutlich im oberirdischen Werk eingesetzt, während die übrigen Häftlinge zeitweise das Barackenlager aufbauten. Auch sie wechselten später in die Produktion. In der unterirdischen Fabrik scheinen 12-stündige Tag- und Nachtschichten üblich gewesen zu sein. Die Sonntage waren entweder arbeitsfrei oder es wurde kürzer gearbeitet.
Bewachung
Die Buchenwalder Lagerverwaltung setzte einen SS-Hauptscharführer namens Binger als Kommandoführer in Leopoldshall ein. Zu ihm liegen bisher keine weiteren Informationen vor. Zur Bewachung des Lagers unterstanden ihm 20 SS-Männer. Die Geschehnisse im Außenlager Leopoldshall und während der Räumung des Lagers wurden nie gerichtlich geahndet.
Räumung
Vermutlich um den 11. April 1945 räumte die SS das Lager in Leopoldshall und brachte die Häftlinge in das Außenlager nach Schönebeck. Zu Fuß trieb die SS sie von dort in Richtung des Konzentrationslagers Sachsenhausen bei Berlin. Da sich dieses bereits in Auflösung befand, mussten die Häftlinge weiter in Richtung Schwerin marschieren. Unterwegs wurden sie von amerikanischen Soldaten befreit. Das genaue Datum der Befreiung und die Zahl der Opfer während des Todesmarsches sind nicht bekannt.
Spuren und Gedenken
Von den Junkers-Werken und den Schachtanlagen, in denen die Häftlinge arbeiten mussten, sind heute bis auf vereinzelt erhaltene Gebäude in der Industriestraße in Staßfurt-Leopoldshall keine Spuren mehr vorhanden. Vor Ort erinnert nichts an das Außenlager des Konzentrationslagers Buchenwald.
Link zum heutigen Standort des ehemaligen Junkers-Werkes auf GoogleMaps
Literatur:
Charles-Claude Biedermann, KZ-Außenlager Leopoldshall, in: Wolfgang Benz u. Barbara Distel (Hg.), Der Ort des Terrors. Die Geschichte der nationalsozialistischen Konzentrationslager. Band 3: Sachsenhausen, Buchenwald, München 2006, S. 506.