Rehungen (SS-Baubrigade I)

9. September 1944 – 28. Oktober 1944

Das Lager

Im September 1944 verlegte die SS-Führung die SS-Baubrigade I aus ihren bisherigen Standorten in Kortemark und Proven in Belgien nach Thüringen. Neuer Standort wurde das Gelände des stillgelegten Kalischachtes Neusollstedt nahe der Ortschaft Rehungen, heute ein Ortsteil der Gemeinde Sollstedt. Für die Unterbringung der über 400 aus Belgien eintreffenden Häftlinge ließ die SS auf dem Gelände des Schachtes zwei umzäunte Holzbaracken und eine Abortanlage errichten. Die Wachmannschaft bezog eine steinerne Baracke direkt neben dem Häftlingslager. Die SS führte das Außenlager in Rehungen mitunter auch unter den Bezeichnungen „Sollstedt“ oder „Neusollstedt“. Dem KZ Buchenwald unterstand das Lager Rehungen nur einige Wochen. Ende Oktober 1944 wurde es durch das verselbstständigte KZ Mittelbau übernommen.

Die Häftlinge

Am 9. September 1944 trafen 441 Häftlinge aus Belgien in Rehungen ein. Der weitaus größte Teil von ihnen stammte aus der Sowjetunion. Die zweitgrößte Gruppe bildeten politische Häftlinge aus Polen, gefolgt von Männern aus der Tschechoslowakei, Jugoslawien, den Niederlanden, Frankreich und dem damaligen Deutschen Reich. 46 von ihnen waren als Zeugen Jehovas in das Konzentrationslager eingewiesen worden. Als Lagerältesten setzte die SS den deutschen Häftling Adolf Fehrenbacher ein. Berichten zufolge behandelte er seine Mitgefangenen äußerst brutal.

Zwangsarbeit

Die Häftlinge mussten im stillgelegten Kalibergwerk Neusollstedt arbeiten. Die Grube, die bis in die 1920er-Jahre der Gewinnung von Kalisalz gedient hatte, sollte zu einem unterirdischen SS-Material- und Bekleidungslager umgebaut werden. Unter Tage betonierten die Häftlinge unter anderem Böden und Wände. Außerhalb des Schachts wurden sie zudem zum Straßenbau und zur Errichtung von Baracken eingesetzt.

Krankheit und Tod

Über die medizinische Versorgung vor Ort ist wenig bekannt. Als Häftlingspfleger war der deutsche Zeuge Jehovas Helmut Knöller eingesetzt. Ob ihm weitere Häftlingsärzte oder Krankenpfleger zur Seite standen, ist nicht bekannt. Die Kranken wurden vermutlich in die Krankenstation des Außenlagers Dora gebracht. Für den Zeitraum der Unterstellung des Außenlagers Rehungen unter das KZ Buchenwald sind keine Todesfälle belegt.

Bewachung

Wie bereits in Kortemark und Proven fungierte der gelernte Vermessungstechniker SS-Obersturmführer Georg Braun (geb. 1911) nach der Verlagerung nach Thüringen als Führer der SS-Baubrigade I und somit auch als Kommandoführer des Lagers in Rehungen. SS-Hauptscharführer Otto Högelow (geb. 1895) kommandierte die Wachmannschaft der Baubrigade und war Brauns Stellvertreter. Über die Größe der Wachmannschaft in Rehungen liegen bisher keine Informationen vor. Eine strafrechtliche Verurteilung von SS-Angehörigen wegen der Geschehnisse in Rehungen hat es nicht gegeben. Ermittlungsverfahren gegen Georg Braun und Otto Högelow wurden in den 1950er- und 1960er-Jahren ergebnislos eingestellt. Das Landgericht Freiburg verurteilte jedoch 1955 den ehemaligen Lagerältesten Adolf Fehrenbach wegen Verbrechen im Außenlager Rehungen zu einer siebenjährigen Haftstrafe.

Übernahme durch das KZ Mittelbau

Am 28. Oktober 1944 wurde die SS-Baubrigade I und somit auch das Außenlager Rehungen dem neu verselbstständigten Konzentrationslager Mittelbau zugeordnet. Fortan war es kein Außenlager des Konzentrationslagers Buchenwald mehr. Zunächst als Außenlager des Konzentrationslagers Mittelbau und ab Januar 1945 als Außenlager des Konzentrationslagers Sachsenhausen existierte das Lager in Rehungen weiter bis zu seiner Räumung im April 1945.

Spuren und Gedenken

Auf dem Gelände des ehemaligen Außenlagers Rehungen gibt es heute keine baulichen Spuren mehr und auch keine Gedenkzeichen. Auf dem Friedhof von Rehungen wurde 1959 ein Gedenkstein über einem nicht gekennzeichneten Grab errichtet, in dem die SS sieben tote Häftlinge des Außenlagers hatte verscharren lassen. Sie waren vermutlich Anfang 1945 in Rehungen ums Leben gekommen.

Link zum heutigen Standort auf GoogleMaps
Link zum Standort des Gedenksteins auf GoogleMaps

Gedenkstein auf dem Friedhof Rehungen, 2025. Foto: Joachim Schmutzer
Gedenkstein auf dem Friedhof Rehungen, 2025. Foto: Joachim Schmutzer ©Ortschronist Rehungen

Literatur:

Jens-Christian Wagner, Rehungen (SS-Baubrigade I), in: Wolfgang Benz u. Barbara Distel (Hg.), Der Ort des Terrors. Die Geschichte der nationalsozialistischen Konzentrationslager. Band 7, München 2006, S. 328 f.