
Aleksandra Pawlowna Lawrik wurde am 18. Juli 1918 im ukrainischen Dnipropetrowsk geboren. Sie stammte aus einer armen Familie, heiratete früh und bekam einen Sohn. Als Mitglieder der kommunistischen Partei verhaftete die Gestapo sie und ihren Vater im Sommer 1943. Über das Konzentrationslager Ravensbrück kam sie nach Wolfen. Bei der Räumung des Lagers gelang ihr die Flucht. Sie schlug sich bis in ihre Heimat durch. Weil sie in Deutschland war, galt sie in ihrer Heimat als Verräterin. Für einige Zeit musste sie in ein Arbeitslager, und man verweigerte ihr eine Anstellung. Nach dem frühen Tod ihres Mannes sorgte sie allein für ihre nunmehr drei Kinder. Aleksandra Lawrik starb 2009 in ihrer Heimatstadt.
Aus den Erinnerungen von Aleksandra Lawrik
Verpflegung
„Man konnte z. B. die Verpflegung in Ravensbrück und Wolfen nicht miteinander vergleichen. In Wolfen wurden wir viel besser verpflegt, damit wir besser arbeiten konnten. Wir bekamen Wurst, Margarine, Zucker. Vor Feiertagen haben wir das immer etwas abgetrennt und aufgespart, z. B. Kartoffeln. So, dass wir sogar eine richtige Torte machen konnten. Aus bestimmten Anlässen haben wir so etwas gemacht. Sogar unsere Aufseherinnen haben davon etwas bekommen.“
Gewalt
„Einmal wurde ich geschlagen. Ich weiß nicht mehr richtig. Die Schicht war beinahe zu Ende. Meine Freundin – unsere Nummern waren ähnlich – sie sollte die Wanne mit Zellulose vollladen. Die Hälfte hatte sie schon gemacht. Ich ging zu ihr, um ihr zu helfen, damit sie es noch schafft. Wir sollten, nachdem unsere Schicht zu Ende war, den Arbeitsplatz sauber verlassen. Das haben wir nicht geschafft, denn der Inhalt dieser Wanne war voller Staub und das hatte sich etwas verschüttet. Der Meister kam zu uns und sagte, dass das nicht gut ist, wie wir den Platz verlassen haben. Wir gingen nach Hause, ohne dass uns jemand etwas gesagt hatte. Am nächsten Tag kommen wir und ich wurde geschlagen. Richtig zusammengeschlagen. Ich fiel auf den Fußboden, wurde mit Füßen getreten. Wir hatten zwei Aufseherinnen, aber die eine hat mich nur getreten mit den Stiefeln. Die Mädchen haben mir dann geholfen, denn alleine hätte ich es nicht nach Hause geschafft. Ich weiß zwar nicht, ob das stimmt oder nicht, dass diese Aufseherin dafür mit einem Monat Haft bestraft wurde. Sie war aber einen Monat nicht im Lager. Es soll angeblich eine Strafe für sie gewesen sein.“
Zwangsarbeit
„Wir haben Zellulose in die Wannen geladen und mit kaustischer Soda übergossen. So entstand eine Lösung, die zwei Stunden gären sollte. Dieses Gemisch wurde gepresst und weiter an Mühlen übergeben. Wir sollten zusehen, dass diese Mühlen zwei Stunden lang funktionierten. Wir haben auf einen Knopf gedrückt, dann ging alles nach unten. Die weitere Verarbeitung der Lösung – es war ja wattiges Zeug – war meine Aufgabe. […]
Unser Bereich, in dem wir arbeiteten, war wohl keine so qualifizierte Arbeit. Wir haben kein Geld dafür bekommen, wie manche es taten. Es waren Bons mit einem Stempel von Buchenwald, 50 Pfennige, 20 Pfennige usw. Die Webhalle und die Schneider bekamen dieses Geld. Sie waren sehr gütig und teilten das mit uns. Zum Kaufen wurden uns z. B. Kämme angeboten, die Innereien von Heringen. Wir waren schon froh, das war eine Abwechslung. Für dieses interne Geld konnten wir unseren Speiseplan etwas erweitern. Marinierte Rote Beete zum Beispiel, aber das war nicht oft.“
Aus: Interview mit Aleksandra Pawlowna Lawrik, 12. April 1998. (Gedenkstätte Buchenwald)