Das Lager
Seit 1936 betrieb der Leipziger Rüstungskonzern Hugo-Schneider AG (HASAG) in Meuselwitz, rund 30 Kilometer südlich von Leipzig, in einer ehemaligen Porzellanfabrik ein Rüstungswerk. Es befand sich am östlichen Stadtrand zu beiden Seiten der heutigen Nordstraße. In einem an das Werk angrenzenden Barackenlager, das ursprünglich als Unterkunft für Zwangsarbeitende aus den deutsch besetzten Ländern Europas gedient hatte, richtete die SS bereits im Oktober 1944 auf Anforderung der HASAG ein Frauenaußenlager des KZ Buchenwald ein. Auf demselben Areal entstand einen Monat später, Anfang November 1944, ein Männeraußenlager. Es lag unterhalb des Frauenlagers und umfasste einige Gebäude. Die Funktionsbauten wie die Küche befanden sich im Frauenlager. Die Verpflegung holten männliche Häftlinge täglich am Eingang des Frauenlagers ab.
Die Häftlinge
Das Männerlager wurde am 3. November 1944 erstmals mit 41 Häftlingen belegt. Es waren jüdische Häftlinge aus Polen, die in Tschenstochau, dem heutigen Częstochowa, bereits in einem Arbeitslager für die HASAG Zwangsarbeit leisten mussten. Die Betriebsleitung hatte sie als Facharbeiter angefordert. Ende Oktober brachte die SS weitere 150 jüdische Häftlinge aus Auschwitz nach Meuselwitz. Einige der Männer stammten aus dem damaligen Ungarn, der Großteil jedoch aus dem heutigen Tschechien. Letztere waren Überlebende des Ghettos Theresienstadt und erst kurz zuvor nach Auschwitz verschleppt worden. Weitere jüdische Häftlinge trafen aus dem HASAG-Außenlager in Schlieben in Meuselwitz ein. Mitte Dezember 1944 schickte die SS zudem 100 nicht-jüdische, politische Häftlinge aus Buchenwald in das HASAG-Männerlager. Die meisten kamen aus der Sowjetunion, Polen und Jugoslawien. Direkt aus Buchenwald deportierte die SS auch den deutschen Häftling Johann Denkert, der fortan als Lagerältester in Meuselwitz fungierte. Die Höchstbelegung erreichte das Lager im Februar 1945 mit 334 Häftlingen.

Krankheit und Tod
Unter den aus Auschwitz kommenden Häftlingen befand sich der 42-jährige jüdische Arzt Simon de Vries aus Amsterdam. Sehr wahrscheinlich war er es, den die SS in Meuselwitz als Häftlingsarzt einsetzte. Über die Beschaffenheit der Krankenstation liegen keine Informationen vor. Durchschnittlich befanden sich im November 1944 täglich bis zu 20 Männer in Behandlung, im März 1945 waren es bis zu 30. SS-Sanitäter Anton Schwanderlik befehligte die Krankenstationen im Frauen- und Männerlager. Die Totenscheine stellte der Vertragsarzt vor Ort, Dr. Güthert, aus. Einzelne Kranke schickte die Lagerführung zurück ins Hauptlager Buchenwald. Vor Ort starben bis Ende März 1945 acht Männer an den Folgen von allgemeiner Schwäche und Tuberkulose, an Lungenentzündungen oder Blutvergiftungen. Die Toten wurden auf dem Friedhof in Altenburg beigesetzt.

Räumung
Ende März 1945 ging die Produktion zurück und die Häftlinge mussten die Maschinen demontieren. Am 4. April 1945 brachte die SS 618 Frauen aus dem geräumten Außenlager in Sömmerda nach Meuselwitz. Neben den 330 Männern befanden sich nun 2.000 Frauen in den beiden Meuselwitzer Lagern der HASAG. Die Räumung durch die SS begann am 12. April. Direkt vom Gleisanschluss im Werk fuhren die Gefangenen in vollgestopften, offenen Güterwaggons in Richtung Chemnitz ab. Bei Most im heutigen Tschechien geriet der Zug in einen Fliegerangriff; es gab Tote und Verwundete. Einige flohen, doch die SS-Männer, die Aufseherinnen und sudetendeutsche Hitlerjugend trieben die Häftlinge wieder zusammen. Der folgende Fußmarsch im Bereich der tschechisch-deutschen Grenze forderte ungezählte Opfer. Eine der Marschgruppen wurde erst am 8. Mai 1945 von der Roten Armee befreit.


Literatur:
Martin Schellenberg, Meuselwitz (Männer), in: Wolfgang Benz u. Barbara Distel (Hg.), Der Ort des Terrors. Geschichte der nationalsozialistischen Konzentrationslager. Band 3: Sachsenhausen, Buchenwald, München 2006, S. 526-529.