Tonndorf

vermutlich Oktober 1938 – 29. März 1945

Das Lager

Seit August 1938 arbeiteten Häftlinge des KZ Buchenwald in der Nähe der Gemeinde Tonndorf im Ilmtal, rund 18 Kilometer vom Lager entfernt. Für die „Bauleitung der Waffen-SS und Polizei“ mussten sie dort eine Wasserleitung mit zwei Tiefbrunnen-Pumpwerken für die Versorgung des Konzentrationslagers Buchenwald bauen. Zunächst kehrten die Häftlinge nach Arbeitsende zurück in das Lager auf dem Ettersberg. Vermutlich ab Oktober 1938 erfolgte die Unterbringung vor Ort, anfänglich in fünf Mannschaftszelten. An der Verbindungsstraße zur Ortschaft Tiefengruben entstand später eine Baracke, die als Lager diente. In der durch eine Trennwand geteilten Baracke waren sowohl die Häftlinge als auch die Männer der Wachmannschaft untergebracht. In dem vermutlich durch einen Zaun eingegrenzten Areal gab es nur noch ein Küchen- bzw. Werkstattgebäude und Schuppen. Das Außenlager Tonndorf bestand bis Ende März 1945, unterbrochen von teils längeren Phasen, in denen sich zwischen 1942 und 1944 keine Häftlinge vor Ort befanden.

Die Häftlinge

Die Zahl der in Tonndorf eingesetzten Häftlinge schwankte stark. Anfang Februar 1939 erreichte sie mit 212 Männern ihren Höchststand. Die Arbeiten vor Ort waren im Herbst 1942 zunächst beendet. Einige der Häftlinge hatte die SS bereits im August 1942 aus Tonndorf in das Außenlager Kranichfeld verlegt. In den folgenden Monaten hielten sich vermutlich keine Häftlinge mehr dauerhaft vor Ort auf. Nur gelegentlich scheinen Wartungs- oder Hilfsarbeiten durchgeführt worden zu sein. Ab dem Frühjahr 1944 stieg die Zahl der Häftlinge vor Ort wieder an, um die Wasserversorgungsanlagen auszubauen. Am 11. April 1944 war das Lager mit 55 und Ende 1944 mit 46 Männern belegt. Für Arbeitskommandos in Bad Berka und Blankenhain wurden im März 1945 weitere Häftlinge nach Tonndorf gebracht. Die Lagerbelegung bestand anfangs vor allem aus deutschen, österreichischen und tschechoslowakischen Häftlingen. Später kamen Männer u.a. aus Polen und der Sowjetunion hinzu. Die meisten galten als politische Häftlinge, andere kategorisierte die SS als „Asoziale“ und „Berufsverbrecher“. Als Funktionshäftlinge setzte sie Deutsche ein.

„Wir kamen nach Tonndorf und wir wohnten in einer Baracke, die von vier SS-Männern, tschechischer und rumänischer Nationalität, sogenannten Posten bewacht wurde.“
Stanisław Benda
Zum Erinnerungsbericht

Zwangsarbeit

Die Häftlinge arbeiteten in erster Linie auf den Baustellen für die entstehenden Wasserversorgungsanlagen. Nach deren Fertigstellung im Herbst 1942 wurden die Arbeiten im größeren Ausmaß erst im Frühjahr 1944 wieder aufgenommen. In der Nähe des Barackenlagers waren Häftlinge nun beim Bau einer weiteren Pumpstation tätig. Seit April 1944 ist eine große Anzahl von Facharbeitern im Außenlager nachzuweisen: Maurer, Steinmetze, Einschaler, Betonbauer und später angelernte Rohrleger. Es wird berichtet, dass das Bauprojekt jedoch unvollendet blieb. Ein Arbeitskommando aus Tonndorf musste seit März 1945 in Bad Berka in einer Wassermühle, ein weiteres in einer Sandgrube in Blankenhain Zwangsarbeit leisten. Ob die Häftlinge in diesen Orten untergebracht waren oder täglich nach Tonndorf zurückkehrten, ist nicht bekannt. Auch in der Frühphase des Lagers arbeiteten Häftlinge zeitweise bereits in naheliegenden Steinbrüchen oder für örtliche Bauern.

Krankheit und Tod

Nach den Berichten des Krankenpflegers Willy Voß gab es in Tonndorf zumindest zeitweise (ab Frühjahr 1942) eine behelfsmäßige Krankenstation. Diese war in einem kleinen abgetrennten Bereich innerhalb der Unterkunftsbaracke eingerichtet und bestand aus vier Betten. Bei schwereren Erkrankungen oder Arbeitsunfällen wurden Häftlinge vermutlich zur Behandlung in das Krankenrevier von Buchenwald gebracht. Todesfälle sind für das Außenlager Tonndorf nicht belegt.

Bewachung

Es liegen nur wenige Informationen über die Bewachung des Außenlagers Tonndorf vor. Wenn auch mit Unterbrechungen, lässt sich von Herbst 1938 bis Herbst 1942 Erhard Brauny (1913-1950) als Kommando- bzw. Postenführer nachweisen. Brauny war zu diesem Zeitpunkt SS-Oberscharführer. Zeugen beschreiben ihn als gewalttätig. Später wurde er in das Außenlager Dora versetzt. Ab November 1944 fungierte er als Kommandoführer im Außenlager Rottleberode, das bis Oktober 1944 dem KZ Buchenwald unterstanden hatte und danach zum KZ Mittelbau gehörte. Ende Oktober 1938 umfasste das Kommando in Tonndorf 60 SS-Posten. Ende Februar 1945 bestand die Wachmannschaft vor Ort aus 22 SS-Männern.
Ein amerikanisches Militärgericht in Dachau verurteilte Erhard Brauny wegen Verbrechen im KZ Mittelbau 1947 zu einer lebenslangen Haftstrafe. Strafrechtliche Ermittlungen wegen der Vorgänge in Tonndorf verliefen in den 1970er-Jahren ergebnislos.

Räumung

Am 29. März 1945 löste die SS das Außenlager auf. 112 Häftlinge wurden an diesem Tag zurück nach Buchenwald gebracht. Bereits drei Tage vorher begann die Räumung, als 20 Häftlinge in das Hauptlager auf dem Ettersberg verlegt worden waren.

Spuren und Gedenken

In Tonndorf und Umgebung gibt es keine Gedenkzeichen, die an das Außenlager und die Zwangsarbeit der KZ-Häftlinge erinnern.

Literatur:

Bauhaus-Universität Weimar, Buchenwald-Spuren. Verflechtungen des Konzentrationslagers mit Weimar und Umgebung, Weimar 2017.

Christine Schmidt van der Zanden, Tonndorf, in: Geoffrey P. Megargee (Hg.), Encyclopedia of Camps and Ghettos 1933-1945. Volume I, Part I, Bloomington 2009, S. 427 f.


Im KZ Auschwitz angefertigte erkennungsdienstliche Aufnahme von Stanisław Benda, 1942
Im KZ Auschwitz angefertigte erkennungsdienstliche Aufnahme von Stanisław Benda, 1942 ©The Archive of The State Museum Auschwitz-Birkenau in Oświęcim
„Wir kamen nach Tonndorf und wir wohnten in einer Baracke, die von vier SS-Männern, tschechischer und rumänischer Nationalität, sogenannten Posten bewacht wurde.“

Stanisław Benda

Stanisław Benda kam am 4. Juni 1912 im polnischen Błaszki zur Welt. Der Beamte wurde bei einer Razzia im März 1942 in Warschau festgenommen und als politischer Häftling in das KZ Auschwitz verschleppt. Ein Jahr später deportierte ihn die SS von dort nach Buchenwald. In Tonndorf musste er mit Unterbrechungen von Ende August 1943 bis Ende März 1945 Zwangsarbeit leisten. Anfang Mai 1945 nach eigenen Angaben auf einem Todesmarsch bei Ismaning nahe München befreit, kehrte er in seine Heimat zurück. Im Zuge von Ermittlungen zum Außenlager Tonndorf trat Stanisław Benda im November 1971 als Zeuge auf.



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