Billroda

20. März 1945 – 8. April 1945

Das Lager

Die Gustloff-Werke mit ihrem Hauptwerk in Weimar und einem Zweigwerk in Buchenwald begannen im Herbst 1944, die Verlagerung von Teilen ihrer Produktion in unterirdische Anlagen vorzubereiten. Verlagerungsort sollte der stillgelegte Salzschacht „Burggraf“ werden. Er lag zwischen den Ortschaften Billroda und Kahlwinkel, rund 40 Kilometer nördlich von Weimar. Verschiedene Gruppen mussten Zwangsarbeit im Rahmen des Verlagerungsprojekts leisten: polnische und sowjetische Kriegsgefangene, Männer, die als „jüdische Mischlinge“ verfolgt wurden, sowie „Arbeitserziehungshäftlinge“ der Gestapo Halle. Als letzte Gruppe trafen Mitte März 1945 KZ-Häftlinge ein. Das „SS-Sonderkommando Billroda“ war die letzte große Außenlagergründung des KZ Buchenwald. Wo sich genau die Unterkunft der KZ-Häftlinge vor Ort befand, lässt sich schwer rekonstruieren. Im Umkreis von zwei Kilometern um den Schacht gab es mehrere Lager. Berichten zufolge war ein Teil der Häftlinge in einfachen Holzbaracken direkt am Schacht untergebracht, weitere vermutlich in einem Barackenlager am Ortsausgang von Kahlwinkel in Richtung Finneland.

Die Häftlinge

Am 20. März 1945 trafen 493 Häftlinge aus dem Hauptlager Buchenwald in Billroda ein. Bis Ende März folgten vereinzelt weitere Männer, so dass insgesamt etwas mehr als 500 Personen das Lager durchliefen. Es handelte sich überwiegend um als politische Häftlinge eingestufte Männer aus dem damaligen Deutschen Reich, aus Frankreich, den Niederlanden, Polen, der Sowjetunion und der Tschechoslowakei. Fast alle hatten bereits zuvor in der Rüstungsproduktion arbeiten müssen; die meisten im Gustloff-Werk in Buchenwald oder im Außenlager beim Hauptwerk der Gustloff-Werke in Weimar, andere für den Rüstungskonzern Rheinmetall-Borsig im Außenlager in Düsseldorf-Flingern, dessen Häftlinge kurz zuvor zurück nach Buchenwald gebracht worden waren. Deutsche Häftlinge stellten die Mehrheit der in Billroda eingesetzten Funktionshäftlinge. Eine Flucht aus dem Lager ist belegt: Am 23. März 1945 flohen fünf sowjetische und ein weiterer, nicht identifizierter Häftling. Ihr Verbleib ist nicht bekannt.

Zwangsarbeit

Der Arbeitsort der Häftlinge lag vierhundert Meter unter der Erde im stillgelegten Salzschacht „Burggraf“. Dort mussten die Männer die Untertageanlage für die Aufnahme der Produktion des Gustloff-Werks III, so die Bezeichnung des geplanten Untertagewerks, vorbereiten. Hierzu gehörte nachweislich der Transport und das Aufstellen von Maschinen für die Produktion. Da die meisten der Häftlinge bereits in der Rüstungsproduktion hatten arbeiten müssen, galten viele von ihnen als Facharbeiter. Eingesetzt waren sie unter anderem als Dreher, Schlosser, Mechaniker oder Elektriker. Ob die Produktion im unterirdischen Gustloff-Werk III bis Kriegsende anlief oder ob es nur bei den Vorbereitungen hierfür blieb, ist nicht bekannt.

Krankheit und Tod

Über die medizinische Versorgung im Außenlager Billroda ist wenig bekannt. Als Häftlingsarzt schickte die SS Alexej Danilow, einen Mediziner und ehemaligen sowjetischen Kriegsgefangenen aus Moskau, nach Billroda. Sieben Häftlinge brachte die SS wegen Krankheit aus Billroda zurück nach Buchenwald. Für das Außenlager selber sind keine Todesfälle belegt.

Bewachung

Die Wachmannschaft des Außenlagers in Billroda umfasste etwa 40 SS-Männer. Als Kommandoführer des Lagers fungierte ein SS-Oberscharführer namens Hahn. Vermutlich handelte es sich um den 1894 geborenen Robert Hahn aus Groß Karzenburg in Pommern, der zuvor im Hauptlager in Buchenwald tätig gewesen war.
Ein Ermittlungsverfahren der Zentralen Stelle in Ludwigsburg wegen der Geschehnisse im Außenlager Billroda wurde 1972 ergebnislos eingestellt.

Räumung

Ende März 1945 befanden sich noch rund 490 Häftlinge vor Ort in Billroda. Am 8. April mussten die Häftlinge zurück in das Hauptlager Buchenwald marschieren. 488 aus Billroda zurückgekehrte Häftlinge wurden dort einen Tag vor der Befreiung des Lagers registriert.

Spuren und Gedenken

Die in den 1960er-Jahren geschlossene Schachtanlage diente jahrelang als Gasspeicher. Seit 2018 laufen die Arbeiten zur Stilllegung der Speicheranlage. Die Gebäude neben dem Schacht, die man vermutlich als KZ-Außenlager nutzte, wurden inzwischen abgerissen; ebenfalls das größte Barackenlager am Ortseingang von Kahlwinkel/Bernsdorf. Heute sind keine baulichen Spuren mehr zu sehen. Seit 2006 – 2019 erneuert – erinnert am ehemaligen „Schacht Burggraf“ ein Gedenkstein mit einer Informationstafel an die Geschichte des Ortes.

Link zum heutigen Standort (Schacht) auf GoogleMaps
Link zum Standort des Gedenksteins und der Infotafel auf GoogleMaps

Literatur:

Esther Neustadt, Billroda, in: Wolfgang Benz u. Barbara Distel (Hg.), Der Ort des Terrors. Geschichte der nationalsozialistischen Konzentrationslager. Band 3: Sachsenhausen, Buchenwald, München 2006, S. 393-395.