Das Lager
Das ursprünglich im Stahlbau tätige Unternehmen Gollnow und Sohn aus Stettin baute im Krieg unter anderem Fahrzeuge zu mobilen Startanlagen für Raketen um. Teile dieser Produktion wurden ab 1944 in bestehende Tunnel zwischen Ahrweiler und Rech im heutigen nördlichen Rheinland-Pfalz, 25 Kilometer südlich von Bonn, verlagert. Für die Untertagefertigung forderte das Unternehmen von der SS KZ-Häftlinge an. Die im August 1944 eintreffenden Häftlinge brachte die SS in drei Baracken in einem bereits bestehenden Barackenlager oberhalb der beiden Eisenbahntunnel Trotzenbergtunnel und Kuxbergtunnel in Marienthal bei Dernau unter. Berichten zufolge waren diese mit Stacheldraht und Wachtürmen gesichert. Täglich marschierten die Häftlinge unter den Augen der Bevölkerung zu den verschiedenen Arbeitsstätten. Nachdem zwei Baracken bei einem Luftangriff zerstört worden waren, mussten Häftlinge ab Mitte November 1944 in einem der Tunnel leben. Das Untertageverlagerungsvorhaben und das Außenlager erhielten den Tarnnamen „Rebstock“. Seit September 1944 existierte in Dernau kurzzeitig ein zweites KZ-Außenlager unter dem Namen „Rebstock (Stephan)“. Es unterstand jedoch dem Konzentrationslager Natzweiler und zählte nicht zu den Buchenwalder Außenlagern. Die 300 jüdischen Häftlinge dieses Lagers arbeiteten für das Volkswagenwerk.
Krankheit und Tod
Für die medizinische Versorgung setzte die SS zwei aus Frankreich stammende Häftlinge ein, den Mediziner Marcel Dubois und den Arzt Dr. Marcellin Verbe. Ob es im Lager eine Krankenstation gab, ist nicht bekannt. Im Oktober 1944 waren täglich bis zu 17 Häftlinge wegen Krankheit nicht einsatzfähig. Durch den Umzug der Häftlinge vom Barackenlager in den Tunnel verschlechterten sich ab Mitte November die Lebensbedingungen. Untertage hatten die Häftlinge vor allem mit Feuchtigkeit, Staub, Wassermangel und Ungeziefer zu kämpfen. In wenigen Fällen schickte die SS Schwerkranke zurück nach Buchenwald. Drei Männer starben Anfang Dezember 1944 im Hauptlager Buchenwald an Tuberkulose und Herzschwäche. Zwei Wochen zuvor waren sie als Kranke aus Dernau zurückgebracht worden. Für das Lager Dernau selbst sind keine Todesfälle dokumentiert.
Bewachung
Das Außenlager stand unter der Leitung des SS-Oberscharführers Karl Schmidt (1892-1962). Er war Angehöriger des SS-Totenkopf-Sturmbanns Thüringen und wurde im April 1942 in die Abteilung III des Kommandanturstabes des KZ Buchenwald versetzt. Seit September 1943 im Außenlager Laura in Thüringen eingesetzt, übernahm er Ende August 1944 die Leitung des Außenlagers in Dernau. Die Bewachung bestand im Oktober 1944 aus 26 SS-Wachposten. Der Kommandant Karl Schmidt blieb nach dem Krieg verschollen und wurde 1962 für tot erklärt. Ein Ermittlungsverfahren der Staatsanwaltschaft Koblenz wegen Tötungen von Häftlingen im Außenlager Dernau wurde 1992 aus Mangel an Beweisen eingestellt.
Räumung
Aufgrund der herannahenden alliierten Truppen begannen im November 1944 die Vorbereitungen für die Verlagerung der Produktion von Gollnow und Sohn nach Artern im Harz. Mit den Maschinen wurden auch die Häftlinge nach Artern verlegt, wo ein neues Außenlager des Konzentrationslagers Mittelbau entstand. Die ersten 100 Häftlinge verließen Dernau am 27. November 1944 in Richtung Artern. Die übrigen 99 Männer folgten am 14. Dezember 1944. Erst zwei Wochen später unterstand das Lager offiziell dem KZ-Mittelbau.
Spuren und Gedenken
Zwischen 1960 und 1972 wurden die Tunnelanlagen nahe Dernau als Regierungsbunker der Bundesrepublik Deutschland genutzt. Anfang der 2000er-Jahre zurückgebaut, blieb nur ein 200 Meter langer Abschnitt der Anlage erhalten. Am Eingang des ehemaligen Kuxbergtunnels befindet sich seit 2008 die Dokumentationsstätte Regierungsbunker. Seit 2013 setzt sich der Bürgerverein Synagoge e.V. Bad Neuenahr-Ahrweiler für die Errichtung einer Gedenkstätte ein. Im November 2017 wurde am ehemaligen Eingang des Trotzenbergtunnels eine Erinnerungsstätte an das Lager „Rebstock“ mit einer Informationstafel errichtet.
Link zum heutigen Standort auf GoogleMaps
Link zum Standort der Erinnerungsstätte auf GoogleMaps
Literatur:
Manfred Grieger, „Rebstock“ und „Rebstock (Stephan)“ – zwei Außenlager im Konzentrationslager-System bei Marienthal und Dernau, August bis Dezember 1944, Mainz 2021.