Eisenach

14. März 1944 – 16. Februar 1945

Das Lager

Die Bayerische Motoren Werke (BMW) beuteten bereits seit Anfang des Krieges Kriegsgefangene sowie Zwangsarbeiter und Zwangsarbeiterinnen an verschiedenen Produktionsstandorten als Arbeitskräfte aus. Ende 1944 mussten insgesamt 29.000 Zwangsarbeiterinnen und Zwangsarbeiter für BMW arbeiten, was rund der Hälfte der Gesamtbelegschaft des Unternehmens entsprach. 1942 richtete die SS für die BMW Flugmotorenfabrik in München-Allach ein erstes KZ-Außenlager ein, das dem Konzentrationslager Dachau unterstand. Von dort brachte die SS ab März 1944 auch Häftlinge in das BMW-Werk in Eisenach, das sich im Stadtteil Dürrerhof, nordöstlich des Stadtzentrums, befand. Das hierfür eingerichtete Außenlager des Konzentrationslagers Buchenwald trug den Tarnnamen „Emma“. Untergebracht waren die Häftlinge in einer Werkhalle (M1) im Werk 3, wo sie auch arbeiten mussten. Berichten zufolge befand sich die Unterkunft im ersten Stock des Gebäudes. Zeitweise waren Häftlinge auch in einem Prüfstandgebäude neben der Halle M1 untergebracht.

Die Häftlinge

Am 14. März 1944 brachte die SS die ersten 39 Häftlinge aus dem Dachauer Außenlager in Allach nach Eisenach. Weitere Transporte aus Allach folgten bis Anfang Juli, als das Lager mit 630 Häftlingen seine Höchstbelegung erreichte. Ab August 1944 sank die Zahl der Häftlinge, da die SS im nahegelegenen Abteroda ein neues Außenlager für BMW einrichtete, wohin Teile der Produktion verlagert werden sollten. Viele Häftlinge schickte die SS in den folgenden Monaten aus Eisenach nach Abteroda. Danach schwankte die Belegung des Lagers in Eisenach zwischen 350 und 500 Häftlingen. Wiederholt überstellte die SS kleinere Gruppen zurück nach Buchenwald und tauschte sie gegen andere Häftlinge aus. Die größte Gruppe in Eisenach bildeten Häftlinge aus der Sowjetunion. Hinzu kamen Männer aus Polen, Frankreich, Jugoslawien, der Tschechoslowakei, Italien, Ungarn, den Niederlanden, Belgien, Spanien, Österreich und Deutschland. Die überwiegende Mehrheit von ihnen trug den roten Winkel der politischen Häftlinge. Mindestens neun Häftlinge versuchten aus Eisenach zu fliehen, von denen drei nicht wiederergriffen wurden.

„In diesem Sommer habe ich mir an diesem ungesunden, ja sogar schmutzigen Ort lediglich eine Art Krätze eingefangen, die sich auf den Oberschenkeln und dem Unterbauch ausbreitete.“
Roland Chopard
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Zwangsarbeit

Die Häftlinge wurden in Produktionshallen im sogenannten Werk 3 in Eisenach-Dürrerhof in der Fertigung von Flugzeug- und Motorenteilen eingesetzt. Angelernt in der BMW-Produktion in Allach, waren die meisten von ihnen dort bereits tätig gewesen. Mit den Berufsbezeichnungen als gelernte oder angelernte Dreher, Fräser, Bohrer, Schlosser oder Prüfer erkannte die Werksleitung viele von ihnen als Facharbeiter an. Im Werk mussten die Häftlinge kleine Serienteile für die Flugzeuge und Motoren fertigen, Bohrmaschinen oder Drehbänke bedienen oder die fertiggestellten Teile auf Mängel überprüfen. Seite an Seite mit deutschen Zivilisten und unter der Aufsicht von deutschen Meistern und SS-Wachen arbeiteten die Häftlinge in 12-stündigen Tag- und Nachtschichten mit jeweils einer einstündigen Pause. Sonntags wurde im Werk nicht gearbeitet.

Krankheit und Tod

Im Lager existierte eine Krankenstation. Dort kümmerte sich der von der SS eingesetzte tschechoslowakische Medizinstudent Norbert Každan aus Prag als Häftlingsarzt um die Kranken. Der Apotheker Jacques Waltz aus Paris und der deutsche Häftling Karl Reuter aus Berlin standen ihm als Pfleger zur Seite. Ein SS-Sanitäter namens Carl und ein ziviler Vertragsarzt namens Dr. König überwachten sie. Schwerer erkrankte Häftlinge schickte die SS zur Behandlung in das Krankenrevier nach Buchenwald. Im August 1944 waren im Durchschnitt täglich 15 bis 20 Häftlinge wegen Krankheit nicht arbeitsfähig. Mindestens zwei Häftlinge starben vor Ort an den Folgen von Krankheiten. Die drei sowjetischen Häftlinge Wiktor Bobrow, Wasilij Dukijenko und Eugen Berdakow ließ die SS nach einem gescheiterten Fluchtversuch am 11. Mai 1944 vor den Augen ihrer Mitgefangenen im Lager erhängen. In mindestens einem Fall wurde der Leichnam eines verstorbenen Häftlings im städtischen Krematorium von Eisenach eingeäschert.

Bewachung

Als Kommandoführer in Eisenach setzte die SS den SS-Hauptscharführer Jans Andreas Janssen (1913-1968) ein. Nach der Beteiligung an verschiedenen Feldzügen als Mitglied der sogenannten SS-Totenkopfdivision war er seit 1941 als Blockleiter im KZ Buchenwald tätig. Dort soll er auch an der Ermordung sowjetischer Kriegsgefangener beteiligt gewesen sein. In Eisenach blieb er bis zur Räumung des Lagers. Im August 1944 bestand die Wachmannschaft des Lagers aus 48 Männern. Luftwaffensoldaten – zur Bewachung des Lagers abgestellt und später auch offiziell in die SS überführt – bildeten den größten Teil von ihnen. Jans Andreas Janssen wurde nach dem Krieg verhaftet. Unter anderem wegen Verbrechen in Eisenach sollte er vor ein amerikanisches Militärgericht gestellt werden. Trotz einer Anklage kam es nicht mehr zum Prozess. Nachforschungen der zentralen Stelle in Ludwigsburg gegen KZ-Häftlingstötungen im Außenlager Eisenach des KZ Buchenwald wurden wegen nicht Ermittlung oder Tod im Jahre 1975 eingestellt.

Räumung

Die Alliierten bombardierten mehrmals die BMW-Werke in Eisenach. Die letzte Bombardierung fand am 9. Februar 1945 statt und traf einen Teil der Fabrik. Eine Woche später, am 16. Februar 1945, räumte die SS das Außenlager und schickte die Häftlinge zurück in das Hauptlager Buchenwald. Den Großteil von ihnen brachte die SS kurz darauf in andere Außenlager, zum Beispiel nach Schönebeck (NARAG).

Spuren und Gedenken

Nach dem Krieg ließ die Sowjetische Militäradministration in Thüringen die Werkshallen der BMW-Flugmotorenfabrik demontieren bzw. sprengen. Heute stehen auf dem ehemaligen Werkareal eine Gartenanlage und Bungalows. 2006 weihte die Stadt Eisenach einen Gedenkstein am Eingang des ehemaligen Werkareals im heutigen Ortsteil Hötzelsroda in Erinnerung an die KZ-Häftlinge des Außenlagers „Emma“ in Eisenach und an die Zwangsarbeitenden der BMW-Flugmotorenfabrik ein. Der BMW-Konzern beteiligte sich an den Kosten.

Link zum heutigen Standort auf GoogleMaps
Link zum Standort des Gedenksteins auf GoogleMaps

Kontakt:
Museum Automobile Welt Eisenach

Literatur:

Jessica Elsner, Das KZ Außenlager „Emma“ in Eisenach – Zur Geschichte und Rolle des Lagers im Nationalsozialismus und dessen öffentlicher Wahrnehmung in der Wartburgstadt Eisenach, Masterarbeit, Universität Erfurt 2015.

Christian Wussow, Eisenach, in: Wolfgang Benz u. Barbara Distel (Hg.), Der Ort des Terrors. Die Geschichte der nationalsozialistischen Konzentrationslager. Band 3: Buchenwald und Sachsenhausen, München 2006, S. 433-434.


Roland Chopard, 1953
Roland Chopard, 1953 ©Imperial War Museums/Familie Pullen
„In diesem Sommer habe ich mir an diesem ungesunden, ja sogar schmutzigen Ort lediglich eine Art Krätze eingefangen, die sich auf den Oberschenkeln und dem Unterbauch ausbreitete.“

Roland Chopard

Roland Chopard wurde am 21. April 1917 in der Stadt Oujda in Marokko geboren. Dort verbrachte er einen Teil seiner Kindheit, bevor er in Frankreich zur Schule ging. 1943 schloss er sich in Fumel im Südwesten Frankreichs der Résistance an. Mitglieder der SS-Division „Das Reich“ verhafteten ihn und weitere Widerstandskämpfer bei einer Razzia am 21. Mai 1944 in der kleinen Gemeinde Lacapelle-Biron. Über das Lager Compiègne bei Paris in das KZ Dachau deportiert, kam er im Juli 1944 nach Eisenach. Nach der Befreiung kehrte er nach Frankreich zurück, lebte mit seiner Familie einige Jahre in Westafrika und seit 1969 wieder in Frankreich. Roland Chopard starb 2006 in Feytiat.



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