Goslar

25. November 1940 – 23. November 1941
4. Mai 1942 – 9. Oktober 1942
31. Oktober 1942 – 7. Dezember 1942

Das Lager

Das Lager in Goslar wurde als erstes Außenlager des Konzentrationslagers Buchenwald fernab des Hauptlagers eingerichtet. Die Versorgung des sogenannten Fernkommandos erfolgte nicht von Buchenwald aus. Ende November 1940 trafen die ersten Häftlinge aus Buchenwald in Goslar ein. Vor Ort wurden sie zu temporären Bauarbeiten für SS-eigene Zwecke eingesetzt. Untergebracht waren die Häftlinge in einer Baracke etwa drei Kilometer nördlich von Goslar auf dem Flurstück Magdeburger Kamp nach der Gemarkungsgrenze nach Hahndorf. Das Areal an der heutigen Straße Grauhöfer Landwehr lag unweit des damaligen Fliegerhorstes Goslar und war Berichten zufolge mit Stacheldraht umgeben. Das Lager existierte mit Unterbrechungen bis Dezember 1942.

Die Häftlinge

Am 25. November 1940 trafen die ersten 80 Häftlinge aus Buchenwald in Goslar ein. Im März und Juni 1941 folgten weitere Überstellungen aus dem Hauptlager, so dass die Belegung des Lagers auf über 135 Häftlinge stieg. Der Großteil von ihnen galt als reichsdeutsche Häftlinge, die aus politischen Gründen, als „Berufsverbrecher“ oder „Asoziale“ in das Konzentrationslager eingewiesen worden waren. Unter ihnen befanden sich auch Sinti und Roma. Rund ein Drittel der Häftlinge der ersten Lagerphase stammte aus Polen. Als Lagerältesten setzte die SS den deutschen Häftling Erich Vogel ein, einen ehemaligen Fremdenlegionär und SA-Mann. Die erste Phase des Außenlagers Goslar endete am 23. November 1941. Alle Häftlinge gingen zurück ins Hauptlager. Anfang Mai 1942 brachte die SS erneut 40 deutsche und polnische Männer nach Goslar. Sie blieben bis zum 9. Oktober 1942 vor Ort. Die letzte Lagerphase begann drei Wochen später, als die SS erneut 20 Häftlinge für Bauarbeiten nach Goslar schickte. Über ihre Zusammensetzung ist nichts bekannt.

„Der SS-Posten kam allein zurück und sagte: der Häftling habe die Flucht ergriffen, worauf er ihn erschossen habe.“
Hans Böhle
Zum Erinnerungsbericht

Zwangsarbeit

Auftraggeber der Arbeiten in Goslar war die Neubauleitung des SS-Infanterie-Ersatz-Bataillons „Nord“ (ab Frühjahr 1942 als Zentrale Bauleitung der Waffen-SS und Polizei, Goslar, dem Amt C1 des SS-Wirtschaftsverwaltungshauptamtes unterstellt). Für sie arbeiteten die Häftlinge 1940/41 im Tiefbau und bei Aufräumarbeiten im Bereich des SS-Barackenlagers Hahndorf. Daneben kamen ab Ende 1940 Häftlinge bei Privatfirmen und auf dem nahegelegenen Fliegerhorst der Luftwaffe zum Einsatz. Dort hoben sie Gräben aus, reinigten Flugzeuge und bauten Notunterstände. Ende November 1941 waren 60 Häftlinge im Kommando Fliegerhorst tätig.
Ab Mai 1942 mussten die Häftlinge wieder für SS-eigene Zwecke Zwangsarbeit leisten. Die Arbeitszeit betrug täglich über 11 Stunden – in reduzierter Form auch an Sonntagen. In der letzten Phase des Außenlagers arbeiteten die Häftlinge auf Anforderung der Hahndorfer Baufirma Heinrich Maibaum auf dem Gelände des SS-Barackenlagers Hahndorf.

Krankheit und Tod

Über die Krankenversorgung ist nichts bekannt. Belegt sind lediglich einige krankheitsbedingte Rückverlegungen in das Hauptlager. Während der ersten Belegung des Außenlagers Goslar gab es vier Tote. Am 5. Februar 1941 trieb der SS-Kommandoführer Blank den Lagerältesten Erich Vogel in den Selbstmord. Er war wegen homosexueller Handlungen denunziert worden. Im gleichen Jahr ermordete die SS drei weitere Häftlinge. Offiziell hieß es, sie seien „auf der Flucht erschossen“ worden. Tatsächlich handelte es sich in allen Fällen um vorsätzlichen Mord. Ende Oktober 1941 erschoss Blank den deutschen Häftling Eduard Rohe. Am 6. November 1941 ließ er im Auftrag des Buchenwalder Lagerkommandanten Karl Otto Koch zwei prominente politische Häftlinge ermorden: den 49-jährigen Walter Krämer, Landtagsabgeordneter der KPD, Kapo des Häftlingskrankenbaus in Buchenwald, und den 42-jährigen Karl Peix, Krämers Stellvertreter im Häftlingskrankenbau. Blank holte sie selbst in Buchenwald ab und ließ sie im Kommando Fliegerhorst hinterrücks erschießen. Über weitere Todesfälle ist nichts bekannt. Die Toten wurden im Krematorium in Buchenwald verbrannt.

Bewachung

SS-Kommandoführer des Außenlagers Goslar war in der ersten Periode bis November 1941 SS-Hauptscharführer Johann Blank (1906-1944). Seit 1939 in Buchenwald eingesetzt, kommandierte er auch die Außenlager in Prettin, Kranichfeld und Quedlinburg. Blank galt als Sadist. Seine Stellvertretung übernahm SS-Oberscharführer Josef Kestel (1904-1948). Als weitere Kommandoführer sind von September bis Oktober 1942 SS-Oberscharführer Erich Höber (1910-1987) und von Oktober bis Dezember 1942 SS-Oberscharführer Hans Masorsky (geb. 1891) belegt. Letzterer fungierte später als Kommandoführer im Außenlager Niederorschel.
Das SS-Infanterie-Ersatz-Bataillon „Nord“ stellte bis Juni 1941 die Wachmannschaft des Außenlagers. Bei der Verlegung des Bataillons übernahm Buchenwald die 75 Wachleute. Bis zur ersten vorübergehenden Auflösung des Lagers Ende 1941 blieben sie in Goslar. Über die Wachmannschaft im Jahr darauf ist nichts bekannt. Staatsanwaltschaftliche Ermittlungen zum Außenlager Goslar führten in den 1970er-Jahren zu keinem Ergebnis.

Räumung

Am 7. Dezember 1942 wurde das Außenlager Goslar geschlossen. Alle Häftlinge ließ die SS zurück in das Hauptlager Buchenwald bringen. Goslar gehörte in der Folgezeit zum regionalen Einzugsbereich des Konzentrationslagers Neuengamme.

Spuren und Gedenken

Auf Initiative des Goslarer Vereins „Spurensuche Goslar“ (heute „Spurensuche Harzregion“) wurde 2002 an der Ecke Stapelner Straße/Grauhöfer Landwehr in der Nähe des ehemaligen Lagerstandortes ein Gedenkstein eingeweiht. Auf dem Areal des ehemaligen Fliegerhorstes benannte die Stadt Goslar 2019 zwei Straßen nach den in Goslar ermordeten Buchenwald-Häftlingen Walter Krämer und Karl Peix. Seit 2021 erinnert zudem in der Walter-Krämer-Straße eine Gedenk- und Informationstafel an Walter Krämer.

Link zum heutigen Standort auf GoogleMaps
Link zum Standort des Gedenksteins auf GoogleMaps
Link zum Standort der Gedenktafel für Walter Krämer auf GoogleMaps

Kontakt:
Spurensuche Harzregion e.V.

Gedenk- und Informationstafel an Walter Krämer, 2021. Foto: Frank Jacobs
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Gedenk- und Informationstafel an Walter Krämer, 2021. Foto: Frank Jacobs ©Spurensuche Harzregion e.V.
Gedenk- und Informationstafel an Walter Krämer, 2021. Foto: Frank Jacobs
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Gedenk- und Informationstafel an Walter Krämer, 2021. Foto: Frank Jacobs ©Spurensuche Harzregion e.V.

Literatur:

Harry Stein, KZ an der Landstraße – Das Buchenwalder Außenlager in Goslar, in: Bernhild Vögel (Hg.), System der Willkür. Betriebliche Repression und nationalsozialistische Verfolgung am Rammelsberg und in der Region Braunschweig, Rammelsberger Forum 1, Goslar 2002, S. 71-82.

Wolfgang Janz, Goslar, in: Wolfgang Benz u. Barbara Distel (Hg.), Der Ort des Terrors. Die Geschichte der nationalsozialistischen Konzentrationslager. Band 3: Buchenwald und Sachsenhausen, München 2006, S. 449 ff.


Hans Böhle, ohne Datum
Hans Böhle, ohne Datum ©Gedenkstätte Buchenwald
„Der SS-Posten kam allein zurück und sagte: der Häftling habe die Flucht ergriffen, worauf er ihn erschossen habe.“

Hans Böhle

Hans Böhle wurde am 16. August 1907 in Niedervellmar bei Kassel geboren. Er stammte aus einer Arbeiterfamilie und absolvierte eine Ausbildung zum Schmied. 1926 trat er in die KPD ein, in der er verschiedene Funktionen übernahm. Wiederholt verhaftet, verurteilte ihn das Oberlandesgericht Kassel 1935 wegen Vorbereitung zum Hochverrat zu zweieinhalb Jahren Gefängnis. Die Gestapo wies ihn nach der Strafverbüßung im April 1938 in das KZ Buchenwald ein, wo er verschiedenen Arbeitskommandos zugeteilt wurde. Seit November 1940 war er zeitweise im Außenlager in Goslar. Die Befreiung erlebte er am 11. April 1945 in Buchenwald. Später lebte Hans Böhle in Erfurt, wo er 1979 starb.



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