Nüxei (SS-Baubrigade III)

19. Juni 1944 – 28. Oktober 1944

Das Lager

Im Mai 1944 verlegte die SS die in Köln-Deutz und Duisburg stationierte SS-Baubrigade III in den Südharz. Die Häftlinge mussten am Bau der Helmetalbahn arbeiten, einer neuen Eisenbahnlinie, die Nordhausen mit Osterhagen verbinden sollte. In der kleinen Ortschaft Wieda, heute ein Ortsteil von Walkenried in Niedersachsen, entstand der neue Hauptstandort der SS-Baubrigade III. Die SS gründete im Sommer 1944 entlang der Baustelle Nebenlager in Mackenrode, Nüxei und Osterhagen. In dem Dorf Nüxei bei Bad Sachsa erfolgte die Unterbringung der Häftlinge ab Juni 1944 zunächst in der Scheune des Landwirts Wilhelm Walter. Auf dem gegenüberliegenden Grundstück mussten Häftlinge dann ein kleines Barackenlager errichten. Es bestand aus zwei mit Stacheldraht und Wachtürmen umzäunten Baracken, einer Schlafbaracke mit Stockbetten und einer Aufenthaltsbaracke. Außerhalb des Stacheldrahts war die Wachmannschaft in einer Baracke untergebracht. Da es keinen Wasseranschluss gab, kamen täglich Lastwagen mit Wasser. Auch das Essen wurde jeden Tag aus dem Lager in Wieda nach Nüxei geliefert.

Die Häftlinge

Die ersten 100 Häftlinge trafen am 19. Juni 1944 aus Wieda in Nüxei ein. Einige Tage später folgten weitere Männer. Anfang Juli 1944 befanden sich rund 300 Häftlinge vor Ort. Bei einem Großteil von ihnen handelte es sich um politische Häftlinge aus Frankreich, die erst im Mai und Juni 1944 nach Buchenwald verschleppt worden waren, wo sie sich nur kurze Zeit aufhielten und dann in das Außenlager Wieda und anschließend nach Nüxei gebracht wurden. Die übrigen Häftlinge stammten aus Belgien, Deutschland, den Niederlanden, Polen und der Sowjetunion. Einige kamen aus dem verlagerten Standort der SS-Baubrigade III in Köln nach Wieda. Andere schickte die SS direkt aus Buchenwald oder dem Außenlager Dora nach Nüxei. Als Blockälteste setzte die SS zwei deutsche Häftlinge ein.

„Im Laufschritt wurde mit Schubkarren die Erde abgetragen. Die Häftlinge brachen zusammen unter der Last der herangetragenen Eisenbahnschwellen und Schienen. Sie wurden wieder hochgerissen und schleppten ächzend weiter.“
Albert van Dijk
Zum Erinnerungsbericht

Zwangsarbeit

Die Häftlinge wurden zur Zwangsarbeit entlang der geplanten Trasse der Helmetalbahn eingesetzt und leisteten hauptsächlich körperlich schwere Bau- und Gleisarbeiten. Sie gingen täglich zu Fuß zu den unterschiedlichen Einsatzorten in der Umgebung, wo sie 12 Stunden am Tag arbeiteten. Unter der Aufsicht von SS-Männern und Kapos mussten sie beispielweise mit einfachsten Geräten Erdarbeiten verrichten, was die Arbeit noch erschwerte: mit Spitzhacken und Schaufeln lockerten sie den Boden oder schoben mit Schubkarren die Erde über weite Strecken. Einige wenige Häftlinge waren auch für andere Arbeiten eingesetzt, etwa als Heizer in Eisenbahnloks. Durch die Unterbringung in unmittelbarer Nachbarschaft zu einem Bauernhof und die täglichen Arbeitswege kamen die Häftlinge regelmäßig mit der lokalen Bevölkerung in Kontakt.

Krankheit und Tod

Für das Lager Nüxei war als Häftlingsarzt der Arzt Iwan Pojtschenko aus der Ukraine zuständig. Ihm zur Seite stand der Häftlingspfleger Paul Wiewiora aus Braunschweig. Als improvisierte Krankenstation diente vermutlich ein Raum neben dem Schlafsaal der Häftlinge. Dauerhaft Kranke oder Verletzte ließ die SS in das Hauptlager der SS-Baubrigade III nach Wieda und von dort in den Krankenbau des Außenlagers Dora bringen. Für den Zeitraum bis Ende Oktober 1944 sind keine Todesfälle für das Außenlager Nüxei dokumentiert.

Bewachung

Der Führer der SS-Baubrigade III kommandierte gleichzeitig die Lagerstandorte der Baubrigade. Für den Zeitraum der Stationierung in Nüxei war dies zunächst kurzzeitig ein SS-Oberscharführer namens Freys und ab Juli 1944 SS-Obersturmführer Fritz Behrens; über beide liegen keine weiteren Informationen vor. Wen das Lager vor Ort in Nüxei befehligte, ist nicht bekannt. Berichten zufolge soll die Wachmannschaft in Nüxei aus rund 25 SS-Männern bestanden haben – vermutlich ältere Wehrmachtssoldaten, die zur Bewachung der Lager an die SS überstellt worden waren. Ermittlungen der Staatsanwaltschaft Braunschweig in den 1970er-Jahren gegen mehrere Angehörige der Wachmannschaften der SS-Baubrigade III wurden im Januar 1973 eingestellt.

Übernahme durch das KZ Mittelbau

Das Außenlager Nüxei und die übrigen Lager der Baubrigade III wurden Ende Oktober 1944 dem nun selbstständigen Konzentrationslager Mittelbau unterstellt. Somit waren sie keine Buchenwalder Außenlager mehr. Im Januar 1945 ging die Verwaltung der Außenlager in die Zuständigkeit des Konzentrationslagers Sachsenhausen über. Das Lager in Nüxei existierte weiter bis zu seiner Räumung Anfang April 1945.

Spuren und Gedenken

Unmittelbar nach Kriegsende wurde das Barackenlager abgerissen. Am ehemaligen Standort befinden sich seit 1999 ein Gedenkstein und eine Informationstafel zur Erinnerung an das KZ-Außenlager Nüxei mit Resten des Lagerzaunes.

Link zum heutigen Standort und zum Standort des Gedenksteins auf GoogleMaps

Literatur:

Jens-Christian Wagner, Nüxei (SS-Baubrigade III), in: Wolfgang Benz u. Barbara Distel (Hg.), Der Ort des Terrors. Die Geschichte der nationalsozialistischen Konzentrationslager. Band 7, München 2006, S. 322 f.

Firouz Vladi (Hg.), Der Bau der Helmetalbahn. Ein Bericht von der Eisenbahngeschichte, den KZ-Außenlagern der SS-Baubrigaden, Zwangsarbeit im Südharz in den Jahren 1944-45 und den Evakuierungsmärschen im April 1945, Duderstadt 2000, S. 67-79.


Albert van Dijk, um 1942
Albert van Dijk, um 1942 ©KZ-Gedenkstätte Mittelbau-Dora
„Im Laufschritt wurde mit Schubkarren die Erde abgetragen. Die Häftlinge brachen zusammen unter der Last der herangetragenen Eisenbahnschwellen und Schienen. Sie wurden wieder hochgerissen und schleppten ächzend weiter.“

Albert van Dijk

Albert van Dijk kam am 5. Juli 1924 im niederländischen Kampen zur Welt. Er absolvierte eine kaufmännische Ausbildung. Nachdem er sich an anti-deutschen Krawallen in seiner Heimatstadt beteiligt hatte, wurde er im November 1942 zur Zwangsarbeit nach Allendorf bei Marburg deportiert. Nach einer misslungenen Flucht kam er im Januar 1943 in das KZ Buchenwald. Ein Jahr später schickte ihn die SS in das Außenlager Dora und von dort nach Nüxei, wo er bis zur Räumung des Lagers blieb. Er floh von einem Todesmarsch, kehrte in seine Heimat zurück, gründete eine Familie und arbeitete bis zur Pensionierung im Verwaltungsdienst. Albert van Dijk starb 2021 in Kampen.



weiterlesen