Essen (Schwarze Poth)

13. Dezember 1943 – 17. März 1945

Das Lager

Durch Luftangriffe war die Essener Innenstadt Ende 1943 weitgehend zerstört. Um Trümmer und Schutt zu räumen und zu verwerten, richtete die SS hier Mitte Dezember ein Außenlager ein. Betrieben wurde es durch das SS-eigene Unternehmen Deutsche Erd- und Steinwerke (DESt). Die ersten Häftlinge waren zunächst übergangsweise beim Essener Polizeipräsidium untergebracht. Das eigentliche Lager ließ die SS in der teilzerstörten Gaststätte „Grinzing“ in der Adolf-Hitler-Straße 90 (heute Viehofer Straße) und in einem angrenzenden, zweistöckigen Gebäude in der damaligen Königstraße 35 einrichten. Der Arbeitsort lag direkt an den mit Stacheldraht gesicherten Gebäuden. Das improvisierte Lager befand sich mitten in der Stadt und war für die Bevölkerung gut sichtbar. Eingerichtet wurde es als Unterlager der in Köln ansässigen SS-Baubrigade III. Ab Mai 1944 erhielt es den Status eines eigenständigen Außenlagers. Offiziell trug es die Bezeichnung „DESt Essen, Bauschuttverwertung Essen“ oder „SS-Arbeitskommando Essen“. Bekannt ist es heute unter dem Namen „Schwarze Poth 13“ – der Adresse der örtlichen DESt-Verwaltung, unweit des Lagers gelegen.

 

Die Häftlinge

Am 13. Dezember 1943 brachte die SS die ersten 25 Männer aus dem Außenlager Duisburg der SS-Baubrigade III nach Essen. Anfang Februar und im Mai 1944 folgten weitere Häftlinge aus Duisburg, wodurch die Belegung des Lagers auf über 150 Männer stieg. Kranke, flüchtige oder verstorbene Häftlinge wurden regelmäßig durch neue ersetzt, so dass sich für gewöhnlich 140 bis 150 Männer in Essen befanden. Insgesamt durchliefen bis zur Räumung über 180 Häftlinge das Lager. Mehr als die Hälfte von ihnen stammte aus der Sowjetunion. Nach ihnen bildeten polnische Männer die zweitgrößte Gruppe. Hinzu kamen Italiener, Jugoslawen, Deutsche sowie einige Franzosen, Niederländer, Tschechen, ein Belgier, ein Däne und ein als staatenlos eingestufter Armenier. Fast alle von ihnen trugen den roten Winkel und galten somit als politische Häftlinge. Als Lagerältesten setzte die SS zeitweilig den langjährigen deutschen Häftling Werner Betzold aus Leipzig ein.

 

„Sobald wir uns innerhalb dieser Umzäunung befinden, können wir von auẞen nicht mehr gesehen werden.“
Michel van Ausloos
Zum Erinnerungsbericht

Zwangsarbeit

Das Außenlager lag in einem stark bombengeschädigten Gebiet, das größtenteils nur noch aus Bauruinen bestand. Die Aufgabe der Häftlinge war es, Häuserruinen einzureißen und die hierbei geborgenen Ziegelsteine und den Bauschutt zu neuen Baustoffen aufzubereiten. Auf dem Lagergelände standen entsprechende Baumaschinen, mit denen Bauschutt gemahlen und weiterverarbeitet wurde. Die Ziegelsteine und die aus Bauschutt hergestellten sogenannten Betonsteine verkaufte die DESt an die Stadt Essen. Darüber hinaus bargen die Häftlinge im Stadtgebiet um das Lager Blindgänger oder mussten bei der Bergung von Hausrat in zerstörten Häusern helfen. Lediglich rund ein Dutzend von ihnen galt als Facharbeiter, alle anderen waren als ungelernte Hilfsarbeiter eingestuft. Arbeiten mussten die Männer in der Regel tagsüber von montags bis samstags. Sonntags war für gewöhnlich arbeitsfrei.

Krankheit und Tod

In den ersten Monaten gab es keine Krankenstation im Lager. Zunächst setzte die SS den 22-jährigen Apothekengehilfen Maxime Gabrion aus Frankreich als Sanitäter ein, der die Kranken notdürftig versorgte. Ihm folgte ab Sommer 1944 der Belgier Michel von Ausloos, der von Beruf Polizist war und lediglich rudimentäre medizinische Kenntnisse besaß. Unter ihm wurde eine improvisierte Krankenstation mit einigen Betten eingerichtet. Berichten zufolge nahm die Zahl der Kranken vor allem in den Wintermonaten 1944/45 zu. Schwer oder langfristig erkrankte Männer ließ die Lagerführung zurück nach Buchenwald bringen. Belegt sind mindestens neun Todesfälle. Zwei Männer starben an Verbrennungen, die sie sich bei lebensgefährlichen Trümmerräumungen zuzogen. Todesursachen der übrigen Häftlinge waren nach Angaben der SS unter anderem Rippenfellentzündungen und Magen- und Darmerkrankungen. Während der Unterstellung des Lagers unter die SS-Baubrigade III ließ die SS die Toten im Krematorium des Kölner Westfriedhofs einäschern.

Bewachung

Die Überwachung des Lagers übernahmen Polizisten. Hierbei handelte es sich vornehmlich um bereits ältere Polizei-Reservisten. Aus Buchenwald schickte die SS lediglich zwei SS-Männer nach Essen, darunter den Kommandoführer des Lagers Unterscharführer Reinhard Sichelschmidt. Beaufsichtigt scheint er durch den Kommandoführer des Außenlagers „Berta“ in Düsseldorf, SS-Oberscharführer Walter Knauf, worden zu sein. Im Juli 1944 umfasste die Wachmannschaft in Essen insgesamt 20 Polizisten, später wuchs sie auf 26 Mann an. Strafrechtliche Ermittlungen wegen der Vorgänge im Außenlager „Schwarze Poth“ führten nach 1945 zu keinem Ergebnis. Der ehemalige Kommandoführer Sichelschmidt lebte noch Ende der 1980er-Jahre unbehelligt in Essen, seinem damaligen Einsatzort.

Die Wachmannschaft des Außenlagers „Schwarze Poth“, ohne Datum
Die Wachmannschaft des Außenlagers „Schwarze Poth“, ohne Datum. Die Uniformen weisen die Männer als Polizeiangehörige aus. Lediglich zwei Männer (vorne dritter von links und hinten sechster von links) tragen SS-Uniform. Die Identität des Mannes in zivil (vorne Mitte) ist nicht geklärt.
©Ruhr Museum, Essen

Räumung

Vermutlich am 17. März 1945 veranlasste die SS, das Lager zu räumen. Die zu diesem Zeitpunkt noch in Essen befindlichen Häftlinge mussten zu Fuß durch die zerstörte Stadt nach Bochum marschieren. Gemeinsam mit den Häftlingen der beiden Bochumer Außenlager (Bochumer Verein und Eisen- und Hüttenwerke AG) und den Frauen des Frauenaußenlagers Essen (Humboldtstraße) wurden sie von dort per Bahn nach Buchenwald gebracht. Dort trafen sie am 20. März 1945 ein. Aus dem Außenlager „Schwarze Poth“ registrierte die SS an diesem Tag 124 ins Hauptlager zurückgekehrte Häftlinge. Ob es während des Rücktransports zu Todesfällen oder Fluchten kam, ist nicht bekannt.

Spuren und Gedenken

Das ehemalige Lagergelände wurde im Zuge des Wiederaufbaus der Essener Innenstadt komplett überbaut. Sowohl die Königstraße als auch die Straße „Schwarze Poth“ bestehen heute nicht mehr. In der Nähe des ehemaligen Lagerstandortes, unterhalb der heutigen Rathausgalerie am Treppenaufgang zur Porschekanzel, richteten die Künstlerin Astrid Bartels und der Architekt Werner Ruhnau 2002 die Gedenkstätte „Stadtwunde“ in Erinnerung an das Außenlager ein – bestehend aus stilisierten Bäumen, einer Lichtinstallation und einer Gedenktafel. Aufgrund von wiederkehrendem Vandalismus hat die Stadt Essen den Rückbau der Gedenkstätte Anfang 2025 beschlossen. Eine neue Erinnerungstafel ist geplant.

Link zum heutigen Standort auf GoogleMaps

Literatur:

Ernst Schmidt, Lichter in der Finsternis. Widerstand und Verfolgung in Essen 1933-1945, Band 2, Essen 1988.

Michael Zimmermann, Essen (Schwarze Poth), in: Wolfgang Benz u. Barbara Distel (Hg.), Der Ort des Terrors. Die Geschichte der nationalsozialistischen Konzentrationslager. Band 3: München 2006, S. 439-442.


Michel van Ausloos, Mitte 1945
Michel van Ausloos, Mitte 1945
©Archiv KZ-Gedenkstätte Neuengamme, F 2005-2
„Sobald wir uns innerhalb dieser Umzäunung befinden, können wir von auẞen nicht mehr gesehen werden.“

Michel van Ausloos

Der Belgier Michel van Ausloos wurde am 13. Februar 1916 in Ixelles, einem Vorort von Brüssel, geboren. Wie sein Vater arbeitete er als Polizist. Nach der deutschen Besetzung Belgiens engagierte er sich in der Untergrundbewegung. Im Februar 1942 verhaftete ihn die Gestapo wegen des Verdachts der Spionage. Nach Monaten in verschiedenen Gefängnissen wurde er Ende 1942 in das KZ Neuengamme eingewiesen. Im März 1944 kam er zur SS-Baubrigade nach Köln und kurz darauf in das Außenlager in Essen. Auch ohne entsprechende Ausbildung setzte die SS ihn dort als Sanitäter ein. Nach seiner Befreiung im KZ Dachau kehrte Michel van Ausloos nach Brüssel zurück und arbeitete wieder als Polizist. Er starb 2006.



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