Leipzig-Thekla

6. März 1943 – 13. April 1945

Das Lager

Die 1934 gegründete Erla-Maschinenwerke GmbH war ein auf den Bau von Flugzeugen spezialisierter Rüstungskonzern in Leipzig. Im Krieg setzte das Unternehmen Zwangsarbeitende und Kriegsgefangene in großer Zahl ein. Ab März 1943 mussten in den Leipziger Produktionsstätten zudem Häftlinge aus dem KZ Buchenwald arbeiten. Das hierfür eingerichtete Außenlager mit dem Tarnnamen „Emil“ – das erste KZ-Außenlager in Leipzig – hatte drei unterschiedliche Standorte. Das Lager „An der Sandgrube“, heute Ecke Theklaer Straße/Zschopauer Straße, existierte von März bis Dezember 1943. Es befand sich südlich eines Zwangsarbeiterlagers. Täglich marschierten die Häftlinge zu ihrem Arbeitsort, dem Werk III in Abtnaundorf. Neben diesem Werk entstand bis Dezember 1943 der zweite Lagerstandort, in den die Häftlinge dann umzogen. Das aus fünf Baracken bestehende Lager Abtnaundorf lag an der heutigen Ecke Theklaer Straße/Heiterblick Straße. Im Herbst 1943 war in Leipzig-Heiterblick in der Wodanstraße 40 bereits ein dritter Lagerstandort entstanden, das Lager Heiterblick. Seine fünf Baracken grenzten unmittelbar an das Werk I der Erla GmbH. Die beiden letzten Standorte existierten bis zur Räumung im April 1945.

Die Häftlinge

Die ersten 65 Häftlinge brachte die SS am 6. März 1943 aus Buchenwald nach Leipzig-Thekla. In den elf Monaten nach Einrichtung des Außenlagers stieg die Zahl der Häftlinge durch weitere Überstellungen stetig an. Mit insgesamt über 1.600 Männern erreichte das Außenlager an seinen verschiedenen Standorten im Februar 1944 seine Höchstbelegung. Viele Häftlinge verlegte die SS danach u.a. in andere Außenlager der Erla-Werke, die dem KZ Flossenbürg unterstanden, während in Leipzig weitere Transporte aus Buchenwald und dem KZ Sachsenhausen eintrafen. Mit der Ankunft von über 570 Häftlingen aus dem geräumten Außenlager Gassen des KZ Groß-Rosen stieg die Belegung Mitte Februar 1945 wieder deutlich an. Für die eintreffenden Männer hatte die Erla GmbH jedoch keine Verwendung. In einem abgetrennten Lagerbereich überließ die SS sie weitgehend sich selbst. Sehr viele starben. Während seines fast zweijährigen Bestehens durchliefen insgesamt mindestens 2.802 Häftlinge das Außenlager Leipzig-Thekla. Fast alle galten als politische Häftlinge. Es waren Männer zwischen 15 und 60 Jahren, die aus 22 Ländern stammten. Über die Hälfte von ihnen kam aus der Sowjetunion, weitere größere Gruppen aus Polen und Frankreich.

„Meine Aufgabe bestand darin, innerhalb einer Viertelstunde – vom blauen bis zum roten Strich – ein Stückchen Blech an jener Stelle des Tragflügels zu befestigen, an der später die Räder der Messerschmitt eingefahren wurden.“
Tadeusz Sobolewicz
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Zwangsarbeit

Als sogenanntes Aufbaukommando setzte die Erla GmbH die ersten Häftlinge zunächst vor allem für den Bau der verschiedenen Barackenlager ein. Den Schwerpunkt der Zwangsarbeit bildete dann jedoch die Arbeit in der Rüstungsfertigung. Dem Stammwerk in der Wodanstraße 40 (Werk I) und dem Werk III in Abtnaundorf zugeteilt, mussten die Häftlinge Flugzeugteile fertigen – Hauptaufgaben lagen in der Endmontage von Tragflächenteilen, Leiteinrichtungen und Fahrwerkaufhängungen. Viele der Häftlinge wurden in Leipzig angelernt und dann als Facharbeiter zu anderen Erla-Standorten gebracht. Für den Einsatz in Leipzig forderte die Erla GmbH bei der SS vor allem handwerklich ausgebildete Häftlinge, insbesondere Schlosser, an. In der Fabrik mussten sie in Tag- und Nachtschichten arbeiten, zum Teil auch sonntags. Nach Luftangriffen setzte das Unternehmen Häftlinge auch für Aufräumarbeiten ein. Eine kleine Gruppe von Männern war mit lagerinternen Arbeiten beschäftigt.

Krankheit und Tod

Bereits am ersten Lagerstandort „In der Sandgrube“ gab es eine Krankenbaracke. Nach dem Umzug in das Lager Abtnaundorf wurde dort die zentrale Krankenstation eingerichtet. Formal waren der SS-Sanitäter Oberscharführer Arthur Hanschel und der Vertragsarzt Dr. Luz für die medizinische Versorgung zuständig. Der 52-jährige Tscheche Vlastimil Juren und der 33-jährige Pole Leo Landowski kümmerten sich jedoch als Häftlingsärzte um die Kranken, unterstützt durch drei Häftlingspfleger. Im Juli 1943 behandelten sie insgesamt rund 150 Häftlinge ambulant oder stationär. Zumeist handelte es sich um Infektionskrankheiten, Entzündungen oder Arbeitsverletzungen. Regelmäßig ließ die SS Kranke zurück nach Buchenwald bringen und austauschen, insgesamt mindestens 330 Männer. Bis zur Auflösung des Lagers am 13. April 1945 starben vor Ort 84 Häftlinge. Die Toten wurden im Krematorium auf dem Leipziger Südfriedhof eingeäschert; die Urnen auf dem Ostfriedhof beigesetzt. Weitere, mindestens 84 Häftlinge kamen bei einem Massaker nach der Räumung des Lagers am 18. April 1945 in Abtnaundorf ums Leben.

Bewachung

Als Kommandoführer schickte die Buchenwalder Kommandantur nacheinander drei Männer nach Leipzig, die schon länger im KZ-Dienst standen. Bis Mai 1943 leitete SS-Untersturmführer Gustav Borell (1898-1967) das Außenlager. Borell war zuvor bereits in verschiedenen Lagern eingesetzt und wechselte als Kommandoführer in das Außenlager Schönebeck. In Leipzig folgte auf ihn SS-Untersturmführer Rudolf Kenn (1914-1987). Seit 1939 Block- und Rapportführer in Buchenwald, kommandierte er ab Juni 1944 das Außenlager in Tröglitz/Rehmsdorf. Nach ihm übernahm SS-Hauptscharführer Karl Blumenroth (geb. 1887) das Kommando. 1943 war er bereits in gleicher Funktion zeitweilig in Schönebeck tätig gewesen. Die Größe der Wachmannschaft variierte. Im März 1945 bestand sie aus 150 SS-Männern.
In der Bundesrepublik führten Ermittlungen wegen Verbrechen in Leipzig-Thekla in den 1970er- und 1990er-Jahren zu keinem Ergebnis. Im Buchenwald-Prozess in Dachau stand 1947 der Personalchef der Erla GmbH Walter Wendt (geb. 1907) wegen der Beteiligung am Massaker von Abtnaundorf vor Gericht und wurde zu einer Haftstrafe von 15 Jahren verurteilt.

Räumung

Anfang April 1945 trafen weibliche Häftlinge aus dem geräumten Frauenaußenlager Hessisch Lichtenau im Lager Abtnaundorf ein. Sie wurden in einem abgetrennten Lagerbereich untergebracht. Am 13. April räumte die SS dann die beiden Lagerstandorte in Abtnaundorf und Heiterblick, in denen sich noch über 1.400 Männer befanden. Sie trieb die Häftlinge zu Fuß südwärts. Einheiten der Roten Armee befreiten die Marschkolonnen erst um den 8. Mai im Erzgebirge. Berichten zufolge kam es unterwegs regelmäßig zu Erschießungen. Die Zahl der Opfer ist nicht bekannt.
300 kranke, nicht marschfähige Männer ließ die SS im Lager Abtnaundorf zurück. Am 18. April, nur Stunden vor dem Eintreffen der US-Army, drängten SS-Männer zusammen mit Angehörigen der Gestapo und Männern des Volkssturms die Häftlinge in eine der Baracken, übergossen diese mit Benzin und zündeten sie an. Die Zahl der verbrannten oder erschossenen Häftlinge ist nicht bekannt – mindestens 67 überlebten. Die Gebeine von 84 Männern wurden später beigesetzt.

„Durch das tosende Feuer hindurch hörten wir Schüsse, die aus Maschinengewehren und Maschinenpistolen abgefeuert wurden. Sie zielten auf jene, die wagemutig genug waren, aus ihren Baracken herauszulaufen.“
Pёtr Koržunkov
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Spuren und Gedenken

Die Toten des Außenlagers Leipzig-Thekla ruhen seit der Umbettung 1948 in Gemeinschaftsgräbern für die Opfer des Zweiten Weltkrieges aus der ehemaligen Sowjetunion auf dem Leipziger Ostfriedhof.
Die Erla-Maschinenwerke GmbH wurde Ende Juni 1945 aufgelöst, die drei Lagerstandorte zum Teil weitergenutzt und zum Teil später überbaut. Heute gibt es an allen drei Standorten keine Spuren der Lager mehr. Erhalten blieb lediglich das ehemalige Erla-Hauptgebäude in der Wodanstraße 40. Seit 1958 steht am Ort des Massakers in Abtnaundorf ein Obelisk. Auf Initiative der Gedenkstätte für Zwangsarbeit, Leipziger Vereine und einiger Einzelpersonen konnte das Mahnmal bis 2018 umgestaltet und modernisiert werden. Infotafeln und eine Installation mit Angaben zu den bekannten Opfern wurden angebracht.

Link zum heutigen Standort des Lagers Abtnaundorf auf GoogleMaps
Link zum heutigen Standort des Lagers „In der Sandgrube“ auf GoogleMaps
Link zum heutigen Standort des Lagers Heiterblick auf GoogleMaps
Link zum Standort des Mahnmals auf GoogleMaps

Kontakt:
Gedenkstätte für Zwangsarbeit Leipzig

Literatur:

Maximilian Schulz, KZ-Alltag in Leipzig. Das Außenlager Leipzig-Thekla 1943-1945, in: Detlev Brunner u. Alfons Kenkmann (Hg.), Leipzig im Nationalsozialismus. Beiträge zu Zwangsarbeit, Verfolgung und Widerstand, Leipzig 2016, S. 69-89.

Karl-Heinz Rother u. Jelena Rother, Die Erla-Werke GmbH und das Massaker von Abtnaundorf, Leipzig 2013.

Erinnerungsberichte

Tadeusz Sobolewicz wurde als 20-Jähriger zur Zwangsarbeit nach Leipzig-Thekla geschickt und Pёtr Koržunkov kam völlig entkräftet im Februar 1945 mit einem Räumungstransport im Außenlager an und überlebte das Massaker von Abtnaundorf.